Die Entscheidung meiner Erziehungsberechtigten

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Wenn ich nicht nach Fairhope müsste, glaubt mir, ich würde nicht. Doch all das, haben meine Eltern mit dem Gewinn einer Weltreise zu Nichte gemacht. Ich war glücklich. Zuhause, in Alaska. Ich habe unser Haus geliebt, die Ruhe, den Frieden, die Aussicht auf den großen See, der sich vor dem Haus erstreckte. Die Berge, den Schnee, ja, sogar die Schule. Ich hatte zwei gute Freundinnen und ich hatte alles was ich wollte. Aber meine Eltern haben wirklich diese beschissene Weltreise gewonnen. Für zwei Personen. Und als Belohnung dafür, dass ich mich so zu Anfang für die beiden gefreut habe, darf ich jetzt zu meiner schwangeren, zwölf Jahre älteren, Schwester ziehen. Nach Fairhope, Alabama. Fast neun Stunden Flug. Oder auch beinahe achtundsiebzig Stunden Autofahrt. Dreihundertvierundachtzig Stunden mit dem Fahrrad. Zwischen meinen besten Freundinnen und mir liegen fort an fast 4,500 Meilen. Was so viel bedeutet wie, dass es keinen Sinn mehr macht Kontakt zu halten. Zusätzlich muss ich natürlich die Schule wechseln. Was bedeutet, das ich auch noch fürs erste keinen Namen haben werde, sondern nur noch als ›die Neue‹ betitelt werden werde. Dazu kommen dann die kleine Tochter meiner Schwester und natürlich auch ihr Mann. Ich kenne sie nicht wirklich gut, da meine Eltern und ich nur auf der Hochzeit der beiden waren. Meine Schwester Blakeley habe ich seit drei Jahren nicht gesehen und irgendwie macht es mir Angst, sie wieder zu sehen. Langsam ziehe ich den Reißverschluss meiner Tasche zu und sehe mich ein letztes Mal in meinem Zimmer um. Alle meine Wände sind weiß, doch noch vor circa einer Woche hingen dort Bilderrahmen, Poster und ähnlicher Krims Krams. Meine Eltern haben beschlossen unser Haus zu verkaufen und bei ihrer Rückkehr Umzuziehen. Da die Firma meines Dad's so zu sagen wie von selbst läuft und während seiner Abwesenheit, Dave - der Mann meiner Schwester - das Unternehmen leiten wird, läuft auch auf seiner Arbeit alles rund. Auch wenn ich es vor meinen Eltern nicht zu geben möchte, es fällt mir eindeutig schwer von hier fortzugehen. Anchorage ist mein Zuhause, ich bin hier groß geworden. Zusammen mit Blakeley bin ich hier aufgewachsen. All die schönen Dinge sind an diesem Ort passiert. Mit einem letzten Seufzer, schließe ich nun mein Leben in Anchorage, Alaska ab. Das hier ist mein zweiter und letzter Koffer. Viel nehme ich nicht mit, nur zwei Koffer und meine Handtasche. Ich gehe die Holztreppe hinunter und ziehe den Koffer irgendwie hinter mit her zu unserem Auto. Mein Dad hebt gerade meinen ersten Koffer in den Kofferraum und meine Mutter steht neben mir. Sie streicht mir durch die Haare.»Schaffst du das auch alles alleine, Parker?«, fragt sie besorgt. Besorgt. Diese Frau die sich Mutter nennt, lässt mich einfach so zurück, während sie mit meinem Vater durch die Welt reist. Was heißt da bitte ob ich das auch alles alleine schaffe? Pah. Ich bin Parker Kennedy. Wenn ich das nicht schaffe, wer denn dann? Ich nicke meiner Mom zu und sie lächelt. Zum Abschied gibt sie mir einen Kuss auf die Stirn und sagt dass sie mir ganz viele Postkarten schreiben werden. Nächstes Jahr wird sie dann wahrscheinlich sagen, das die Post sie alle verlegt hätte. Aber vielleicht überraschen sie mich ja auch beide und denken wirklich daran. Vielleicht. Meine Eltern werden direkt am Montag, mit dem Flugzeug nach Los Angeles fliegen und von dort aus, nach Mexiko und anschließend nach Brasilien. Sie werden sich die ganze Welt ansehen und lange Zeit fort sein. Ohne einen weiteren Gedanken daran zu verschwenden, steige ich schließlich nach einer weiteren Umarmungen zu meinem Vater ins Auto und schnalle mich an. Und auf zum Flughafen. Na dass, kann was werden.

Mein Dad verabschiedet sich am Flughafenschalter, wo ich noch durch die Sicherheitskontrolle muss.»Also, Parker, du kennst die Regeln, oder?«, fragt er und ich glaube, er erwartet von mir sie ihm jetzt noch einmal aufzusagen.»Keine Drogen, kein Sex, kein Alkohol, keine Zigaretten und besonders eins: Kein Spaß.«, sage ich und verdrehe die Augen. Mein Dad bringt meine Haare durcheinander, als er mir durch die Strähnen streicht.»Dad, meine Haare.«, jammere ich und er lacht. Dann zieht er mich in seine Arme und drückt mich. Ich murmele gegen seine Schulter.»Ich bekomme keine Luft.«, kriege ich endlich heraus und er lässt mich los, sieht mich noch einmal an und geht dann, winkend. Jetzt muss ich nur noch durch die Taschenkontrolle. Also stelle ich mich in die Reihe und warte bis ich dran bin. Beim ersten Koffer geht alles gut, beim zweiten jedoch, schauen sie noch einmal rein und untersuchen alles genau. Warum auch immer. Es endet damit, dass mir der Mann vom Sicherheitsdienst ein Päckchen vor die Nase hält. Ich habe wirklich alles erwartet, aber darauf war ich nicht gefasst. Ich muss mich wirklich zusammen reißen, damit ich nicht rot wie eine Tomate anlaufe.»Was ist da drin?«, fragt er.»Tampons, Sir.«, sage ich höflich und verkneife mir mein Lachen als der große Mann, mit den breiten Schultern und dem kantigen Kiefer ein wenig Farbe im Gesicht bekommt. Er ist ein totaler Mann, besonders mit den schwarzen Sachen und dem Drei-Tage-Bart. Langsam verschwindet die Röte aus seinen Wangen, er scheint sich wohl beruhigt zu haben. Ich verschränke die Arme vor der Brust und sehe ihm weiter zu. Mir ist klar, dass er bei seinem nächsten Aufblicken total auf meine Brüste starrt. Wenigstens wendet er den Blick schneller ab, als andere dämliche Wesen seiner Spezies. Seine Hände suchen durch den Rest meiner Sachen in Sekunden und wenig später, darf ich meinen Koffer wieder schließen. »Guten Flug.«, bringt er hervor, als ich den Sicherheitsschalter verlasse und mich auf den Weg zum Flugzeug mache.

Wenn das Leben einfach wäreWo Geschichten leben. Entdecke jetzt