3. Klassentreffen

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"Wusstest du, dass Dag und Vincent in einer Band spielen?" frage ich Maddie am nächsten Morgen, als ich im Spagat auf dem Boden sitze und mich von einer Seite zur anderen neige.
Maddie sieht von ihrer Geige auf. "Wusstest du das nicht?" fragt sie und zupft einmal an ihrer G Seite, ehe sie an der Stimmschraube dreht.
"Sonst würde ich ja nicht so blöd fragen." erwidere ich und beuge mich nach vorne.
"Kurz nachdem du weg bist, haben die beiden echt angezogen und sind mit einer Single durch die Decke geschossen." erklärt Maddie, legt ihre Geige weg, tritt hinter mich, fasst mich unter den Armen und zieht mich in einer fließenden Bewegung auf die Beine.
"Ich weiß, dass die beiden während der Schulzeit schon immer wieder mal Alben, in Anführungszeichen, gemacht haben aber ich dachte nicht, dass sie wirklich was auf die Beine stellen." erkläre ich und schwinge ein Bein nach oben, ehe ich auf Spitz gehe.
"Aber Dag hat hin und wieder nach dir gefragt." wirft Maddie da ein.
"Was?!" stoße ich aus und kippe nach vorne, als sich mein Gleichgewicht verabschiedet.
"Jap." fängt Maddie mich unter den Armen ab und richtet mich wieder auf.
"Auf den Klassentreffen, wo du nie aufgetaucht bist." zuckt Maddie die Schultern und sieht mich an.

Mit einem Glühwein steht Maddie zusammen mit Lisa und Sandra an dem Punschstand auf dem Berliner Weihnachtsmarks. Fünf Jahre waren sie bereits aus der Schule raus, alle waren ihren eigenen Weg gegangen.
Maddie hatte Musikwissenschaft und Akustik studiert und war nun eine Geigenspielerin in einem Orchester, Lisa hatte Jura studiert, Sandra Grafikdesign, einige der Männer hatten auch Jura, Ingenieurswissenschaft oder Sozialwissenschaft. 
"Kommt Alex diesmal?" fragt Lisa an Maddie gewandt und sieht sie erwartend an.
Maddie schüttelt den Kopf. "Schwanensee tanz sich nicht von allein." zwinkert sie und nippt an ihrem Glühwein.
"Maddie." wird sie da von einer tiefen, rauchigen Stimme angesprochen. 
In einer gleitenden Bewegung dreht sich Maddie um.
"Dag." stellt Maddie überrascht fest und dreht ihre Punschtasse einmal in den kalten Händen. "Wir kommen gleich wieder." streicht Sandra Maddie einmal über die Schulter und zieht Lisa von dem Punschstand weg, weiter zu einem Stand mit heißen Kastanien.
"Hey." lächelt Maddie Dag schließlich an und reicht ihm eine frische Tasse Punsch. Mit einem Nicken nimmt Dag sie entgegen.
"Wie geht's dir?" fragt Maddie und pustet in ihren Punsch rein.
"Gut." nickt Dag und weicht einen Moment Maddies Blick aus, sieht einmal über die Stände und sieht dann wieder Maddie an. "Ist Alexa gar nicht da?" fragt er und versucht dabei unbeteiligt zu klingen.
"Nein, sie muss heute und morgen Schwanensee tanzen."  erklärt Maddie, holt ihr Handy raus und sucht ein Bild heraus. 
"Sie ist ein Schwan." lacht Maddie leise und zeigt Dag ein Foto, das Alexa ihr von der Tanzgruppe geschickt hat. Dag nickt langsam und nimmt Maddie ihr Handy aus der Hand. 
Geht's ihr gut?" fragt Dag und sieht sich das Bild genauer an.
Maddie nickt mit einem Lächeln. "Ihr geht's sehr gut aber ich habe sie auch schon, fast ein Jahr nicht mehr gesehen. Meine Ballerina." zuckt Maddie mit einem Lachen die Schultern. 
Dag nickt ohne den Blick von dem Foto zu lösen. 

"Ich hatte damals direkt den Eindruck, er war beleidigt, dass du nicht da warst. Er ist dann auch recht schnell gegangen. Zumindest hab ich ihn dann nicht mehr gesehen." erinnert Maddie sich und lässt mich los.
Ich räuspere mich einmal unbehaglich und dehne mich weiter.
"Ich wüsste nur gerne wie du ihn so verärgert hast." wirft Maddie beiläufig ein. Ich sehe sie einmal streng an. "Na entschuldige mal, der war echt angepisst." verteidigt Maddie sich.
"Wäre ich an seiner Stelle auch gewesen." gestehe ich und dehne meine Arme.
Nun wird Maddie langsam ungeduldig und beginnt auffordernd, rhythmisch mit der Fußspitze auf den Boden zu tippen. "Weil?" bohrt sie nach.
"Du erinnerst dich an unsere Abschlussfeier?" frage ich. "Schemenhaft." nickt Maddie.
"Du hast mich doch so zur Sau gemacht, am nächsten Tag, weil ich plötzlich weg war." fahre ich fort, lass die Arme sinken und setze mich auf den Boden.
Mit angehobener Augenbraue geht Maddie langsam neben mir in die Knie. "Ja." erwidert sie langsam und sieht mich mit durchbohrendem Blick an.
"Und du weißt, dass ich nicht all zu viel vertrage." beiße ich mir auf die Unterlippe.
"Du hast mir mal beinahe ins Auto gekotzt, also ja." bestätigt Maddie.
"An dem Abend, hab ich ein kleines bisschen, zu tief ins Glas gesehen." erkläre ich.
"Alex, du hast nicht gemacht, was ich denke das du gemacht hast oder?" ermahnt Maddie mich, setzt sich langsam auf den Boden und verschränkt die Arme vor der Brust.
Ich sehe sie mit fragendem Gesicht an. "Stell dich jetzt nicht blöd." warnt Maddie mich.
"Du hast mir erzählt, du bist nach hause." meint Maddie und kneift die Augen leicht zusammen.
"Bin ich." kontere ich, wie aus der Pistole geschossen.
"Am nächsten Tag." füge ich hinzu.
"Ich glaub ich spinne." dreht sich Maddie weg und steht aus ihrem Schneidersitz auf.
"Das ist nicht dein Ernst." sieht Maddie mich völlig außer sich an. Ich zucke einmal zögerlich die Schultern.
"Ich möchte alles wissen, alles bis in kleinste Detail." fordert Maddie, setzt sich mir gegenüber mit stechendem Blick und beginnt mit den Unterarmen mit ihren Fingerspitzen umher zu trommeln.
"Ich höre." fordert Maddie und lehnt sich mir etwas entgegen.
Ich beiße mir einmal auf die Unterlippe, winkle dann ein Knie an, liege die Arme um mein Bein und sehe dann Maddie an.

So schön kaputt & Millionen Liebeslieder (Dag SDP FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt