KAPITEL 1: TRY IT

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Ich war immer schon der schüchterne Typ. Jemand, der sich heraushält wenn es ernst wird. Oder jemand, der es präferiert die Mittagspause alleine zu verbringen statt sich mit irgendwelchen anderen Leuten irgendwo auf irgendeine blöde Art und Weise zu amüsieren. Dieser Kursausflug war also die reinste Folter für mich.

Wir waren im Museum. Mein Professor sagte immer: „Als Student amerikanisch-europäischer Geschichte sollte man alle Museen in seiner näheren Umgebung auswendig können, sodass man selbst die Führung geben könnte.". Heute auf dem Programm: Literaturgeschichte des 18. Jahrhunderts. Ich war gerade erst nach Gotham City gezogen und kannte fast niemanden. Und es kam mir auch so vor, als ob niemand mich kennen wollte. In der Uni waren noch andere Mädchen. Sie studierten aber fast alle nur Geschichte, nicht weil sie sich dafür interessierten, sondern mehr, da ihr Papa es ihnen so gesagt hatte. Es waren alles diese verwöhnten Louis Vuitton Mädchen mit aufgespritzten Lippen, die jeden Montagmorgen mit ihrem Höschen in der Handtasche zur Vorlesung kamen.

Gotham war eine seltsame Stadt. Es kam mir so vor, als ob alle täglich vor etwas davonliefen. Als wäre es ein unausgesprochener Fluch der die Stadt übernommen hatte. Gotham war auch eine furchteinflößende Stadt. Ich glaube ich kannte keine Stadt, in der mehr Kriminelle wohnten als hier. Geisteskranke besiedeln die Metropole - Sie war also genau das, wonach ich gesucht hatte.

Nachdem meine Mutter sich das Leben nahm war ich nicht mehr wie zuvor. Mein Vater verfiel in eine schwere Alkoholsucht und ich, ich lebte mein Leben so vor mich hin: emotions- und hemmungslos. Ich war nicht schüchtern - ich war nur sozial nicht sehr bewandert, wollte nichts mit anderen zu tun haben und lebte mehr für mich statt mich mit anderen zu unterhalten. Mein Vater war mir egal geworden, so wie der Rest meiner Familie und Freunde. Ich gab sie auf, kann man sagen. Allerdings zog ich vor zu sagen, dass sie mich aufgaben. Hier, in Gotham, versuchte ich nicht einmal Kontakte zu knüpfen. Ich begann wie ich zuvor aufgehört hatte: Alleine.

Ich lief der Menge nach. Unsere Gruppe, die sich mit der Literaturgeschichte befasste, war sehr klein, nur knapp dreißig Leute belegten den Kurs. Während dem Rundgang beschäftigte ich mich mehr mit mir selber, als dieser hektischen, viel zu arroganten, übergeschminkten Tussi, unserer Tourführerin da vorne, zuzuhören. Aber ich bemerkte, dass etwas heute nicht stimmte und wunderte mich, ob es andere auch dachten. Die Gruppe lief jedoch putzmunter weiter und behaarte weiterhin auf dem Schein, sie seien ja ach so interessiert.

„Miss Carl könnten Sie bitte Anschluss halten?", rief Professor Thomson mir von vorne zu. Ich folgte misswillig seinem Befehl. Aus den Lautsprechern, die im ganzen Museum installiert waren ertönte nervige Fahrstuhlmusik. Keine Ahnung was das sollte, aber dieses Konzept schürte nur die Langeweile, die dieses Museum ohnehin ausstrahlte. Die meisten Wände waren kahl und schlecht gestrichen - die Farbe sollte vermutlich Eierschale sein, daraus wurde jedoch misswillig ein hellgelb. Das Gebäude war an sich schon sehr alt und nicht sonderlich gut renoviert. Die Fahrstuhlmusik dröhnte. Ich wunderte mich, wie die Holzdecke überhaupt einem starken Wind standhalten kann. Wir kamen in die Haupthalle, wo sich zudem auch der Eingang des Museums befand.

Plötzlich ertönte ein sehr helles Piepen aus den Lautsprechern. Es war sehr schrill und kaum erträglich - vergleichbar mit einem lauten Tinitus, für die, die es schonmal erlebten. Das Geräusch zwang die Besucher des Museums sich qualvoll die Ohren zuzuhalten - inklusive mich. Plötzlich stürmten Maskierte die Hallen des Museums. Hier sollte die Führung enden - daraus wird wohl nichts. Die kuriosen Gestalten rannten die Fluchttüren des Museums nieder. Sie trugen verschiedene Masken: Eine, die aussah wie ein Schweinekopf, eine andere, die aussah wie ein Adlerkopf, eine weitere, die aussah wie ein Pferdekopf. Alle sehr skurril und verstörend. Es war klar, dass wir Opfer eines Terroranschlags wären. Die Menschen hielten Gewehre im Arm und umzingelten unsere Gruppe. Die meisten unter uns fingen an zu schreien und zu weinen. Ein Mädchen stürzte sich auf den Boden. Unsere ach so tolle Tourleiterin klammerte sich an Professor Thomson und schrie so laut, dass ich vermutlich einen bleibenden Hörschaden davon tragen werde. Ich blieb ruhig - ich weiß auch nicht warum. Das Geräusch hörte auf und plötzlich war alles sehr still. Wir standen in einem zusammengekauerten Kreis, wie eine Horde voller zusammengescheuchter Hühner. Der Haupteingang war nun direkt vor uns - Die Gruppe bewegte sich keinen Schritt. Alle witzelten leise vor sich hin. Durch die schlecht geputzte Glastür sah ich, wie ein weißer Kleinbus vor dem Eingang anhielt. Ein junger Mann stieg aus. Man konnte ihn zunächst nicht klar erkennen, bis er die Haupteingangstür eintrat. „Hallo ihr Süßen, habt ihr mich vermisst?", sagte er und fing an höhnisch zu lachen. Ich erkannte ihn, dieses Lachen, dieses Aussehen. Rote Haare, breite Statur und ein manischer Ausdruck in den Augen. Es war Jerome Valeska. Erst vor kurzem lief ein Bericht über ihn in den Nachrichten. Er sei „von den Toten auferstanden" durch einen komischen Professor Dr. Hugo Strange. Durch irgendwelche seltsamen wissenschaftlichen Versuche schaffte er es, tote Menschen mit einer Art Tiefkühlbehandlung lebensfähig zu erhalten. Sowas passierte auch nur in Gotham. Jerome, wie auch immer, war ein Typ mittlerer Größe. Ein Rotschopf mit breitem Grinsen, konnte man sagen. Eigentlich ein Durchschnittstyp, wenn man ihn auf der Straße antreffen würde. Nichts besonderes. Er schaffte sich seinen Ruf als Geisteskranker laut Medien durch die Ermordung seiner Mutter, wurde daraufhin in die Anstalt für geisteskranke Kriminelle „Arkham Asylum" eingeliefert, brach aus, tötete mehrere Leute, wurde ermordet und später wieder zum Leben erweckt. Ein sehr, sehr komischer Typ. Außerdem wurde ihm die Haut seines Gesichtes während seiner Zeit als Toter entfernt, welche er später wieder durch Büroklammern befestigte. Sein Gesicht war also, wie daraus schließt, voller Narben. Er blickte lachend in die Menge und zog die Tourleiterin heraus. Diese blieb, wie erwartet, schreiend und winselnd. Jerome zückte ein Messer und bewegte es langsam zu ihrem Hals. „Habt ihr Angst?", fragte er breit lächelnd. Mit einem Ruck steckte er ihr das Messer in die Kehle. Blut spritze aus ihrem Hals. Sie fing an zu keuchen und nach Luft zu schnappen. Da war aber nichts, nur das Messer in ihrer Atemröhre. Ihr Mund füllte sich mit Blut und ihre Augäpfel wurden weiß, bis sie schließlich nur noch bloß da lag. Jerome lachte laut auf. „Jetzt, zurück zum Geschäftlichen", sagte er während er versuchte das Blut von seinem weißen Einteiler zu wischen. Was er trug ähnelte einer Zwangsjacke - nur umgedreht. „Ihr seht, ich mache keine Späße. Ich töte wen ich will, wann ich will und wo ich will. Alles klar?", erklärte er ruhig. Die Gruppe war still, wie auch seine maskierten Anhänger. Sie standen alle wie ein bloßer Haufen aufeinander, alle drückten wie wild in die Mitte. Er hatte doch gerade gesagt, er töte jeden. Was also die Mühe? Ich stand weit hinten, versuchte aber nicht mich irgendwie zu verstecken. Er ist ein Verrückter. Niemand wird hier lebend herauskommen.

THE MOMENT I MET JEROME VALESKAWo Geschichten leben. Entdecke jetzt