Verhör auf dem Helicarrier

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Kaum waren wir auf dem Helicarrier angelangt, wurde Loki von mehreren bereitstehenden Agents abgeführt. Als wir an Banners Labor vorübergingen, konnte ich den Wissenschaftler sehen, der durch die Fensterscheibe zum Gang den Halbgott nervös anblickte. Dieser jedoch grinste nur zurück. Die Prozedur lief schweigend einige Treppen hinab, bis wir schließlich, mehrere Decks unter dem Flugdeck, einen großen Glascontainer erreichten. Loki wurde unsanft hineingestoßen und mit einem lauten Zischen verschloss die schwere Hydraulik die Tür.

„Nettes Zimmer." Der Gott sah sich spöttisch um. „Ich nehme an, es wurde nicht für mich gebaut?"

„Es wurde für etwas gebaut, das deutlich stärker ist als du." Antwortete Nick Fury, den ich nicht hatte kommen hören.

Bevor ich weiter lauschen konnte, zog Steve mich beiseite.

„Geht es dir gut, Leonis? Wir haben uns Sorgen gemacht. Es war unverantwortlich von Fury, eine Zivilistin in die Sache mit hinein zu ziehen!"

Der gute Captain hatte ja keine Ahnung, dass ich auch nicht ganz freiwillig hier war. Nur ein einziges Mal in meinem Leben wünschte ich mir, ich hätte die Finger von einem Auftrag gelassen. Aber die diebische Pfote in mir hatte eine solche Herausforderung natürlich nicht ausschlagen können.

„Ja ,ja, mir gehts gut." log ich. In Wahrheit fühlte ich mich elend. Ich war nicht einmal verletzt worden und bei meiner Profession durchaus an Reibereien gewöhnt - schaudernd erinnerte ich mich an Mexiko zurück - aber das stechende Blau von Lokis Augen hatte sich in meine Netzhaut eingebrannt. Der Halbgott schien meine Gedanken anzuziehen wie ein Magnet.

„Du bist echt nicht ganz bei dir, hm?"

„Bitte?"

„Ich hatte dich gefragt, ob du mit in die Kantine kommen möchtest. Ein kleiner Happen täte dir gut." Ich nickte Steve zu und bedeutete ihm, schon einmal voraus zu gehen. Jetzt konnte ich auch wieder hören, was Fury zu Loki sagte.

„...werdet ihr wissen, was wahre Macht bedeutet!" zischte dieser gerade, aber der Direktor ließ sich nicht beeindrucken.

„Lass mich wissen, wenn die wahre Macht was zu lesen braucht oder so." sagte er und drehte sich um.

„Agent Crimson. Wie schön, dass Sie noch unter den Lebenden weilen. Da ich Ihnen einen weiteren Außeneinsatz in naher Zukunft ersparen möchte, teile ich Ihnen hiermit den Wachdienst für diese Zelle zu." Er zeigte mir das Schaltpult, dass die Zelle kontrollierte.

„Hiermit dimmen sie die Lichter ... und der Knopf da ist ein Notfallalarm. Diesen hier sollten sie allerdings meiden, wenn sie unseren Gefangenen nicht mehrere Kilometer tief abstürzen lassen wollen. Frühstück, Mittag- und Abendessen für den Gefangen um acht, dreizehn und achtzehn Uhr. Fragen Sie in der Küche nach, die werden da was Feines zubereiten. Das Tablett wird durch eine Schleuse in dieser Säule da in die Zelle gereicht. Noch Fragen?"

„ ... Was ist, wenn er mal muss? Soll ich mit ihm Gassi gehen?"

Furys Mundwinkel zuckten für einen Moment nach oben, dann hatte er sich wieder unter Kontrolle.

„In der anderen Säule dahinten ist ein Campingklo. Die Tür lässt sich nicht abschließen, aus Sicherheitsgründen." Dann wandte er sich an Loki, der bei der Erwähnung des provisorischen Badezimmers das Gesicht verzogen hatte. „Ich weiß, es ist nicht ganz so bequem wie der Thron von Asgard, aber damit wirst du leben müssen."

Ich konnte mir ein Kichern kaum verkneifen.

Loki auf einem Campingklo. Hat schon was.

Zwanzig Minuten später hatte ich zwei furchtbar trockene Muffins in der Kantine verdrückt, als Natascha ein Team-Meeting ausrief. Zu meiner Überraschung saß auch Barton im Raum, als ich mir an dem großen, ovalen Tisch einen Sitzplatz suchte. Der Agent mit dem Bogen hielt sich einen Eisbeutel an den Kopf. Wie sich herausstellte, war Natascha in der Zeit, die ich mit Steve in der Kantine verbracht hatte, bei Loki gewesen und hatte dem Halbgott einige Informationen entlocken können. Auch jetzt konnte ich ihn via Bildschirm in seiner Zelle beobachten. Die Signatur der Wärmebildkamera schien allerdings kaputt zu sein. Seine Körpertemperatur war viel zu kalt.

„Er will den Hulk entfesseln!" eröffnete Natascha gerade und ich fragte mich, warum Dr. Banner plötzlich so nervös wirkte. Tony, der neben mir saß, bemerkte meine Verwirrung.

„Kennst du die Geschichte von Dr. Jekyll und Mr. Hyde? Banner ist Dr. Jekyll. Hulk ist Mr. Hyde." Dann zückte er sein Handy und ließ mich nicht minder verwirrt dasitzen. Eine Weile wurde noch über Lokis Absichten und den Aufenthaltsort des Tesseraktes diskutiert.

„Alles, was ich gesehen habe ist, dass einige Männer die Maschine und den Tesserakt aus dem Kellergewölbe gebracht  haben. Wohin, weiß ich nicht."

„Sollte sich uns die Möglichkeit bieten, den Würfel ohne Aufsehen zurück zu erlangen - weswegen wir Agent Crimson an Bord haben, die das nervenzermürbende Talent besitzt, ihre Hände nicht bei sich behalten zu können - dann werden wir diese Möglichkeit ergreifen. Ansonsten werden wir kämpfen müssen. Wir befinden uns im Krieg gegen diesen Mann, äh, Gott." sagte Agent Hill, Furys rechte Hand und linkes Auge.

„Krieg. Alles, was Loki zu wollen scheint, ist Krieg." meinte Thor und wirkte irgendwie niedergeschlagen. „Erst Jotunheim, jetzt Midgard." Er schien ehrlich betroffen von den Machenschaften seines Adoptivbruders. Ich hatte das Gefühl, ihm etwas Aufmunterndes sagen zu müssen und plötzlich fiel mir siedend heiß diese Stimme ein, die ich in dem Kellergewölbe gehört hatte.

Ein Vorgeschmack, Eisriese!

„Thor, wer oder was ist ein Eisriese?" Der Ase schien von meiner Frage etwas überrumpelt.

„Die Eisriesen sind die Bewohner Jotunheims, einer der neun Welten."

„Was Loki mit ihnen zu tun?" Thor runzelte die Stirn.

„Woher weißt du davon? Loki ist einer von ihnen. Zur Hälfte zumindest. Halb Ase, halb Jotun. Wie kommst du darauf?" Ich wurde nervös. Sollte ich Thor davon erzählen? Ich entschied, es zu tun.

„Ich glaube nicht, dass Loki all dies freiwillig tut."

Schlagartig wurde es still. Plötzlich waren alle Blicke auf mich gerichtet. Irgendjemand wisperte:

„Ich glaube, sie wurde umgedreht!"

„Nein, wurde ich nicht! Ich habe ihn mit jemandem reden hören. Jemanden, der ihm gedroht hat!"

„Loki hat viele Feinde, Agent Crimson." seufzte Fury und damit war das Thema für die anderen erledigt. Nicht aber für Thor.

„Bist du sicher?"

„Ja. Ich konnte die Stimme nicht identifizieren, sie klang verzerrt. Ich weiß nicht, womit sie Loki gedroht hat, aber er hat eine Kostprobe davon erhalten. Ich sage dir Thor, ich habe in meinem ganzen Leben noch nie jemanden so laut schreien gehört." Thor schien äußerst besorgt.

„Was noch?" fragte er, beinahe panisch.

„Es ist nur so ein Verdacht, aber ... Thor, welche Augenfarbe hat dein Bruder?"

„Grün." Damit war mein Verdacht bestätigt.

„Eben nicht! Seine Augen waren blau. Ein unnatürliches Blau, genau wie bei bei ..."

„ ... Wie bei den anderen Agenten?" schloss Thor meinen Satz. Regelrechtes Entsetzten spiegelte sich in seinem Blick.

„Genau. Ich glaube, Barton war nicht das einzige Opfer der Zepters, Thor." Der Gott nickte.

„Selbst wenn das war ist, was können wir tun, wenn die Anderen uns nicht glauben?" fragte er und wollte gerade seine Stimme erheben, um den Rest der Truppe unsere Unterhaltung mithören zu lassen, als die Tür aufflog und Steve hereinplatzte. Erst jetzt viel mir auf, dass ich ihn seit dem Essen in der Kantine nicht mehr gesehen hatte.

„ SHIELD will den Tesserakt nutzen, um Waffen zu bauen!" blökte er völlig außer Atem.

„Das ist nicht wahr. Wir haben nur Prototypen, die ..." setzte Fury an, wurde jedoch von Tony unterbrochen, der nun von seinem Handy aufsah.

„Verzeihung, Nick, worüber wollten Sie gerade lügen?" Mit einem Fingerwisch projezierte er den Handybildschirm als Hologramm auf den Tisch. Zu sehen waren eindeutig Baupläne für Waffen.

„Wo haben Sie das her, Stark?" Fury schäumte vor Wut.

„Hab' mich ins System gehackt. Den Rest hat JARVIS gemacht."

Das war das Stichwort für den Streit des Jahrhunderts. Und mein Stichwort, um mich schleunigst zu verziehen.

Pfote - Avengers FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt