airplane vs. me

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„Bitte schnallen sie sich an, wir landen in wenigen Minuten." Die Durchsage riss mich aus meinem leider sehr oberflächlichem Schlaf und ließ mich leise ausseufzen. Der Flug hatte ganze zehn Stunden gedauert und die meiste Zeit davon hatte ich versucht zu schlafen. Die Betonung dabei liegt auf ‚versucht'. Schlafen in einem Flugzeug war so unbequem, die Sitze waren zu hoch, um sich richtig anzulehnen und wenn man sich am Fenster anlehnen wollte, lief man Gefahr eine Gehirnerschütterung zu bekommen.
Am Anfang hatte ich mich noch ein bisschen mit meiner Mutter unterhalten und sie hatte mir erzählt, dass ihr neuer Verlobter uns am Flughafen mit dem Auto abholen und dann mit uns zusammen zu seinem Haus fahren würde. So weit wie ich ihr zugehört hatte, lebte er nicht in Seoul, sondern in einer anderen Gegend, daher würden wir ein bisschen fahren. Während wir dann von den Stewardessen unser ‚Essen' bekamen, erzählte mir mit strahlenden Augen, wie toll er sei und wie wunderschön sein Grundstück und Haus wären. Ich musste während ihrer Beschreibungen, bei denen sie aus irgendeinem Grund stark gestikulierte, schmunzeln. Sie liebte ihn wirklich und die beiden hatten sich echt gesucht und gefunden.
Nach den ersten paar Stunden, hatte ich mir dann Musik per Kopfhörer angehört und so für weitere zwei Stunden versucht die Zeit totzuschlagen.
Danach hatte ich wie schon gesagt versucht zu schlafen, was ja aber kläglich gescheitert war.
Ein leichter Ruck ging durch den Flieger, als wir auf dem Boden ankamen und nun offiziell in Südkorea waren.
In einer anderen Stadt, in einem anderen Land und sogar auf einem anderen Kontinent.
Nach weiteren fünf Minuten kam der Flieger dann endlich zum stehen und wir versuchten schnell an unserer Handgepäck zu kommen und aus dem Flieger zu verschwinden. Als uns das geglückt war und uns draußen die Sonne ins Gesicht schien, atmete ich erst einmal tief ein und streckte meine Beine aus.
Ich weiß nicht, ob es nur Einbildung war, aber die Luft hier roch anders. Ich konnte nicht beschreiben wie, aber es gab einen Unterschied zu zu Hause. Obwohl, das hier ja jetzt mein neues  zu Hause werden würde.
Während meine Mutter und ich uns im
Gleichschritt in Richtung Gepäckrückgabe aufmachten, drehte ich mich noch einmal zum Flugzeug um und schloss für einen kurzen Moment meine Augen. Jetzt würde ein neues Leben für mich beginnen, fernab meines alten Zuhauses, meiner alten Freunde und meiner alten Erinnerungen.
„Liebling, guck mal da kommt schon dein Koffer! Dann können wir ja gleich los! Ich verspreche dir, du wirst Miyun sehr nett finden!" Mit diesen Worten schob sie mich auf das Kofferband zu und ich hievte mit zwei angestrengten Handgriffen meinen Koffer auf den Fußboden. Danach lief ich zu meiner Mutter zurück und ungelogen, man sah wie gut gelaunt sie war. Sie strahlte und lächelte vom einem Ohr bis zum anderen. Nach dem ich wieder bei ihr angekommen war, liefen wir auch schon los.
Den Flughafen in Stuttgart hatte ich für riesig gehalten, aber er war nichts gegen den hier in Seoul. Dagegen war er winzig und überall wimmelte es nur so vor Menschen.
Nach einer weiteren nervenaufreibenden Sicherheitskontrolle und einem Labyrinthlauf durch den Monster-Flughafen konnten wir ihn endlich verlassen. Doch als wir endlich vor dem Flughafen standen stockte mir der Atem. Um uns herum Menschen wo das Auge
nur hinreichte, alles hauptsächlich Koreaner oder Asiaten -ja nachdem wie sehr ich als Lakai das unterscheiden konnte-. Am Horizont war eine riesige Skyline zu sehen und davor viele nicht ganz so hohe Gebäude, davon aber in alle Richtungen extrem viele. Das war also Seoul.
Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als ich bemerkte wie eine Hand vor meinen Augen wedelte. Meine Mutter grinste mich an. „Mund zu Schätzchen, sonst fliegt noch was rein!" Ich boxte sie spielerisch in die Seite. „Du warst doch garantiert auch so geflashed, als du das erste Mal hier warst!" „Natürlich Liebling, aber los komm, wir müssen Miyun finden, der Arme wartet schon. Ich verspreche dir du wirst ihn mögen!" Ich verdrehte nur die Augen, musste dann aber lächeln. „Das hast du indessen hundert mal gesagt, dass ist garantiert irgendsoein Psychologie-Trick von dir, damit ich ihn am Ende wirklich mag!" Jetzt war sie es, die mich in die Seite boxte. Und so liefen wir uns gegenseitig ärgernd los und suchten besagten Miyun.
Ich hatte zwar keine Ahnung, wie er aussah, aber als meine Mutter neben mir ganz leise aufquiekte wusste ich, dass sie ihn gefunden haben musste. Für mich waren es zu viele Menschen, um ihn auf Anhieb auszumachen, aber nach weiteren zehn Metern grenzte sich der Kreis weiter ein, immer weiter und weiter. Bis wir schließlich vor einem schwarzen Auto und Mann, der uns anlächelte stehen blieben. Meine Mutter und er fielen sich sofort in die Arme und so blieb mir kurz Zeit, ihn genauer zu beobachten. Er war relativ groß, ich würde schätzen um die 1.85 m, hatte dunkelbraune kurze Haare und eine gute Statur. Keinen Gramm fett zu viel und leicht muskulös. Seine Augen sah ich erst, als er sich von meiner Mutter abwandte und dann zu mir drehte. Sie waren in einem normalen braun und strahlten aber wie die meiner Mutter den ganzen Tag. „Freut mich, ich bin Miyun." Damit hielt er mir seine Hand hin und ich schüttelte sie. „Hei, ich bin Emma!" Dann grinste ich ihn an und setzte noch nach: „Ich habe schon viel von dir gehört.." Daraufhin würde ich von meiner Mutter wieder in die Seite geboxte und Miyun musste kichern. Als ich mich zu meiner Mutter drehte, merkte ich, dass sie leicht rot geworden war. Wie süß. Sie war wirklich, wie ein verliebter Teenager.
Die beiden gaben sich einen Kuss und ich musste mal wieder wie schon so oft heute schmunzeln, wendete dann aber meinen Blick ab.
Danach räumten wir, oder eher Miyun, unsere Koffer in seinen Kofferraum und wir stiegen ein. Meine Mutter auf den Beifahrersitz und ich auf die Rückbank.
„Wir werden ungefähr zwei Stunden fahren. Meine Tochter ist heute in der Schule und kommt erst am späten Nachmittag."
Warte.. was?! Mir hatte bis jetzt niemand erzählt, dass ich eine Schwester bekommen würde. Ich wusste nur, dass Miyun einen Sohn hatte, der aber schon Mitte zwanzig war und nicht mehr zu Hause wohnte. Daher hatte ich nicht damit gerechnet ihm wirklich oft zu begegnen. Aber eine Schwester? Ich hatte bis jetzt immer nur männliche Freunde gehabt, weil ich mich mit Mädchen nicht so gut verstanden habe.
Ich schaute meine Mutter vorwurfsvoll durch den Rückspiegel an.
„Oh nein! Schau mich nicht so an, junge Dame! Ich habe dir das schon vor Monaten erzählt. Ich erinnere mich sogar noch genau an die Situation! Du saßt auf der Couch und ich habe dir ein paar Sachen erzählt und du hast zwar nebenbei gelernt, aber du hast am Ende genickt!"
Ich lächelte sie nur verschmitzt an.
Sie musste ja nicht wissen, dass sich in dem Moment hinter meinem Biologie-Hefter mein neuestes Buch verbarg und ich die ganze Zeit nur gelesen hatte.
„Sajoon ist etwa so alt wie du und ich denke, dass ihr euch gut verstehen werdet!"
Sajoon, hieß sie also, meine neue Schwester. Und sie war fast genauso alt wie ich. Na das könnte ja lustig werden. Zwei weibliche Pubertiere unter einem Dach.
Ich versuchte mir nicht die schlimmst möglichen Szenarien vorzustellen und setzte so, um mich abzulenken, meine Kopfhörer auf.
Während der Autofahrt unterhielten sich Miyun und Mama die ganze Zeit und ich starrte aus dem Fenster und beobachtete die Landschaft.
An mir vorbei zogen Städte, Dörfer und Felder. Mir gefiel die Landschaft, aber ich wollte das noch hier noch nicht so ganz als mein neues Leben akzeptieren.

tbc...

 𝒞𝒽𝒶𝓃𝑔𝑒 | ℍ𝕠𝕤𝕖𝕠𝕜 𝕩 𝕆ℂ *pausiert*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt