cognition vs. me

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Seufzend ließ ich mich an der Wand runterrutschen, bis mein Po Bekanntschaft mit den kalten Betonplatten machte, die den Boden des Dachs säumten. "Spaß auf! Nicht das du mich noch mit deiner übermäßigen Euphorie ansteckst!", meinte Minsu nur ironisch zu mir und ich streckte ihm die Zunge raus. "Nanana, das ist aber nicht sehr ladylike, junge Dame.", tadelte er mich gespielt mit der Stimme einer sechzig Jahre alten Frau. Ich seufzte nur erneut auf und ließ meinen Kopf nach hinten fallen. Hinweis an mich: Schlechte Idee, wenn hinter dir eine Betonwand ist!
Der Tag heute war echt nicht meins. Zuerst hatte ich mich heute früh im Bett noch gefühlte tausend Mal umgedreht, bevor ich aufgestanden war, wodurch ich mich dann im Endeffekt unglaublich hetzten musste und dadurch wiederum mein Schulbrot auf dem Küchentisch stehen gelassen hatte und bei meinem Glück hatten wir eben in Physik auch noch einen Überraschungstest schreiben müssen. Um euch das Problem genauer zu erläutern: Physik und ich sind wie Jace und Clary in der ersten Staffel von Shadowhunters. Wir tuen uns nur gegenseitig weh, aber sehen uns trotzdem immer wieder und tuen uns dann erneut weh. Wie eben jetzt mit diesem Überraschungstest. Ich hätte ihn nicht schreiben müssen, wenn ich kein Physik hätte und meine Physiklehrerin müsste nicht mit meiner Dummheit ihre Zeit verbringen und dabei versuchen, aus dem was ich geschrieben habe, ein paar Punkte zu machen.
Aber zurück zum Thema. Das alles hatte zur Folge, dass mein Magen jetzt knurrte, ich in Physik höchstwahrscheinlich eine Note schlechter Stand und jetzt eine Beule an meinem Hinterkopf hatte. "Du siehst heute nicht so glücklich aus. Ist wohl nicht so dein Tag heute, was?", fragte mich Minsu und da er damit komplett ins Schwarze getroffen hatte, nickte ich nur. "Heute läuft einfach nichts so, wie es sollte..", meinte ich nur und rieb mir dabei die Schläfen. "Sieh's positiv! Wenigstens können wir die Mittagspause zusammen verbringen." Da hatte er Recht, dass war mein einziger Lichtblick den ganzen Tag lang.
Ich hatte mich nämlich gestern vor dem Einschlafen noch schnell mit ihm für heute Mittag auf dem Schuldach verabredet, da wir gestern vor dem Abschied noch schnell Nummern ausgetauscht hatten. "Hast du kein Essen mit, Emmi?", fragte er mich und ich verneinte und erzählte ihm meine morgendliche Tragödie. Er lachte mich einfach nur aus, bat mir dann aber etwas von ihm an. Auch wenn ich nicht identifizieren konnte, was es war, da ich mit see koreanischen Küche noch nicht ganz so viel am Hut hatte, schmeckte es sehr gut.
Während die Pause Minute für Minute verging, unterhielten wir uns über alles Mögliche. Er erzählte mir von seinen Lieblings- und Hassfächern, sowie lustige Stories aus dem Unterricht. Ich hörte ihm nur zu und lachte ab und zu. Irgendwann kamen wir dann tatsächlich auch zu Physik und natürlich, wie hätte es auch anders sein können, war ein Ass in Physik. Ich bettelte ihn also an, ob er mir nicht den Stoff erklären konnte den wir gerade durchnahmen und zum Glück willigte er ein.
Da die Pause aber schon fast zu Ende war,  lud er mich zum Lernen einfach zu sich nach Hause ein. Zuerst war ich ein wenig überrascht, da ich nicht dachte, schon gleich am zweiten Tag -an dem ich ihn überhaupt kenne- zu ihm nach Hause zu gehen, aber warum auch nicht. Wir verabredeten und also wie am Vortag nach Unterrichtsschluss am Schultor und gingen dann wieder getrennte Wege. Während er jetzt Astronomie hatte -ein Fach, dass ich erst nächstes Jahr bekommen würde-, machte ich mich wieder auf den Weg in meinem Klassenraum, um weitere vier Stunden meines Lebens mit Koreanisch und Kunst zu verbringen.
Koreanisch hatte ich halbwegs gut gemeistert, obwohl ich nicht alles verstanden hatte, aber von Kunst wollte ich lieber schweigen. Wir sollten sogenannte Plastiken bauen aus nicht mehr als Zeitungspapier und Draht, die irgendeine Emotion verkörpern sollten. Und was kann ich dazu sagen... künstlerisches Talent habe ich definitiv nicht. Nach dem ich es aufgegeben hatte zu versuchen, den Kopf proportional zum Rest des Körpers zu machen, hatte ich mich am Draht geschnitten und durfte dann mit einem wunderschönen Piratenpflaster weiter basteln.
Umso glücklicher war ich dann demnach, als es endlich klingelte und ich mich all den anderen Schülern das Schulgebäude verlassen konnte. Zwischendurch musste ich zwar noch ein einen Stop an meinem Spind einlegen, um meinen Physikhefter wieder mitzunehmen, ließ mich dann aber mit dem Strom nach draußen ziehen. Auf dem Schulhof angekommen, schaute ich mich sofort nach Minsu um, wenn man aber nicht gerade die Größte ist, lasst euch das sagen, kann das sehr sehr schwer werden. Ich entdeckte ihn also erst, als sich der Schulhof schon einigermaßen geleert hatte und nur noch ein paar Schüler hier und da in kleinen Grüppchen zusammen standen.
Auf dem Weg zu seinem Haus versuchte ich mir die Umgebung so gut wie möglich einzuprägen, um im Notfall auch mal alleine hier hin finden zu können. Natürlich fragte ich Minsu auch, ob seine Mütter -die ich ja unbedingt mal kennenlernen wollte- denn zu Hause wären, aber er erzählte mir nur, dass beide bis spät abends arbeiten müssten und ich sie heute nicht zu Gesicht bekommen würde.
Nach ungefähr einer viertel Stunde laufen und zwei Stationen Bahn fahren, kamen wir vor seinem Haus an.
Es war schlicht in weiß gestrichen und hatte auch gleichfarbige Fensterrahmen. Bevor ich es aber noch genauer ansehen konnte, zog Minsu schon den Schlüssel aus seiner Jackentasche und schloss die Tür auf. Drinnen erwarte mich ein geräumiger Flur an dessen Wänden viele Bilder hingen, aber nicht wie bei uns von den der Familie, sondern Bilder von Landschaften. "Meine Mum mag es Bilder Landschaften zu schießen und da sie irgendwie echt ein Talent dafür hat, hängen die hier überall rum." - "Die sind wirklich schön! Jedes erzählt irgendwie seine eigene Geschichte, obwohl teilweise nicht viel zu sehen ist." Er nickte nur und danach begaben wir uns zusammen mit unseren Ranzen auf den Weg in sein Zimmer, dachte ich zumindest, aber er machte noch einen Zwischenstopp in der Küche. "Willst du was Essen? Du hast doch sicherlich Hunger, weil du heute in der Schule ja nichts mit hattest.", meinte er nur, während er das Innere des Kühlschranks genauer inspizierte. "Ich hab schon Hunger, aber mir würde eine Kleinigkeit reichen.", antwortete ich ihm und daraufhin holte er ein paar Sachen aus dem Kühlschrank und platziere sie vor mir auf der Küchentheke. Er erklärte mir, was was war, während er uns beiden zwei Toast in den Toaster tat. Im Endeffekt aßen wir beide dann also zuerst noch zwei Toast, bevor wir die Küche wieder aufräumten und uns diesmal wirklich auf den Weg in sein Zimmer machten.
Es lag im ersten Stock am Ende eines kurzen Flurs und an seiner Zimmertür hingen ganz viele Zeichnungen, die er sicher als Kind gemalt haben musste. "Achte bitte einfach nicht auf diese grausamen Zeichnungen an meiner Tür und komm einfach rein.", meinte er zu mir und ich nickte nur, konnte mir aber natürlich nicht verkneifen, trotzdem noch mal einen Blick auf diese Kunstwerke zu werfen.
Als ich sein Zimmer hinter ihm betrat, wurde ich erstmal von einer Unmenge an Postern begrüßt. Jeder noch so freue Fleck Wand war mit Postern beklebt und die meisten überschnitten sich an den Ecken auch oder verdeckten auch einander. "Sorry für wegen den ganzen Postern, aber du weißt ja, dass ich K-Pop Fan bin und da brauche ich natürlich auch ein paar Poster!" Er lief zu seinem Schreibtisch, der unter einem großen Fenster stand und ließ seinen Ranzen auf den Boden fallen. Auch ich legte meinen Ranzen neben seinem ab und er wies mich an, auf dem Schreibtischstuhl Platz zu nehmen. Während ich dann also meinen Physikhefter aus dem Ranzen kramte, räumte er schnell seinen Ranzen aus und für den nächsten Tag ein.
Danach erklärte er mir alle möglichen Formeln und Rechnungen, die ich nicht verstanden hatte, bis er schließlich einfach meinen Hefter aus meinen Händen nahm und zu seinem Bett lief. Angekommen ließ er sich einfach hinein plumpsen und fing an, mich Formeln abzufragen. Da ich mit Physik, wie schon gesagt, nicht viel am Hut hatte, brauchte ich etwa eine halbe Stunde, um ihm alles richtig aufsagen zu können. Als er mir dann endlich sagte, dass ich fertig war, lief ich überglücklich zu ihm und ließ mich erschöpft in sein Bett fallen. Er schmunzelte neben mir nur und ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass wir dafür jetzt eine ganze Stunde gebraucht hatten. Ich hatte meiner Mutter versprochen, wie auch schon gestern zum Abendessen zurück zu sein und das hieß, ich hatte noch eine Stunde Zeit, bis ich mich wieder auf den Heimweg machen müsste. Ich schloss also nur kurz meine Augen und hörte Minsu zu, der anfing mir seine Plakat-Ordnung zu erklären. "Auch wenn es auf den ersten Blick nicht so scheint, hat hier alles seine Ordnung.", fing er an und behielt Recht. Dadurch das er mir seine Anordnung erklärte, ergaben plötzlich auch die Überlappungen Sinn. Während er gerade etwas über die Plakate von einer Boyband namens Got7 erzählte, deren Plakate recht über seinem Schreibtisch hingen, schloss ich meine Augen. Die Plakate hatte ich vorhin schon während meines Lernens verzweifelt angestarrt, in der Hoffnung die sieben Mitglieder könnten mir irgendeine Lösung auf mein Problem geben.
Ich öffnete meine Augen erst wieder und schaute auch zum ersten Mal nach oben an die Decke, als Minsu anfing von BTS zu schwärmen. Da wir ja gestern im Fanshop nicht genügend Zeit hatten, um uns das zweite Geschoss und somit die Plakate anzugucken und mich aber interessierte, ob sie wirklich so gut aussahen, wie Minsu mir gestern erzählt hatte, legte ich meine Hände hinter meinen Kopf und betrachtete zum ersten Mam alle Plakate.
Auf den ersten Blick überflog ich alle nur, da es wirklich von keiner Band so viele Plakate wie von BTS in diesem Zimmer gab, fing dann aber an, dass Plakat, welches genau über meinem Kopf an der Dachschräge hing näher zu betrachten.
Ich runzelte meine Stirn, als ich merkte, wie unglaublich bekannt mir diese sieben Gesichter doch vorkamen und zu erst dachte ich einfach nur, dass ich nicht genau genug hinschaute und blinzelte deshalb ein paar Mal, aber auch auf den zweiten Blick blieben die Personen die gleichen. Das konnte doch nicht sein. Die sieben jungen auf dem Plakat vor mir sahen exakt so aus, wie jene die vor einer Woche zu Sajoon's Geburtstag gekommen waren und von denen einer mein Bruder war.
Ich war ehrlich geschockt und wollte einfach nicht glauben, was ich da sah. Wollte mir dieses Plakat gerade ernsthaft weismachen, dass mein bald großer Bruder und seine sechs Freunde zusammen die erfolgreichste Boyband der Welt sein sollten. Da musste irgendetwas nicht stimmen!
Minsu bemerkte offensichtlich, dass ich dieses Plakat sehr intensiv und fast feindselig anschaute und fragte mich: " Ist alles in Ordnung?" Ich nickte nur, da ich immer noch zu geschockt war. Das konnte doch nicht sein, dass war doch eigentlich nicht möglich. Davon hätte mir doch jemand, besonders meine Familie erzählen müssen. Zumindest, wenn das hier vor mir wirklich Namjoon, Seokjin, Yoongi, Hoseok, Jimin, Taehyung und Jeongguk waren. Es gab aber nur einen Weg das rauszufinden. Ich fragte Minsu also, ohne meinen Kopf von dem Plakat abzuwenden: "Sag mal, du weißt doch auch sicherlich, wie alle sieben mir richtigem Namen heißen, oder?" Er nickte nur, was ich aber nicht sehen konnte und fing dann an zu berichten. " Der äußerte ist V, eigentlich Kim Taehyung, danach Suga, mit richtigem Namen Min Yoongi, neben ihm Jin, in Wahrheit Kim Seokjin, dann RM, mit bürgerlichem Namen Kim Namjoon, Jungkook, eigentlich Jeon Jeongguk, neben ihm Jimin, mit richtigem Namen Park Jimin und am Ende J-Hope, der in Wahrheit Jung Hoseok heißt!" Stolz wie Bauer Bolle hatte er nun also meiner Vermutung bestätigt, was mich aber keineswegs glücklich machte.
Was danach passierte weiß ich nicht mehr wirklich ganz genau. Ich weiß nur noch grob, dass ich mich von Minsu verabschiedet und mich bei ihm bedankt habe und mich daraufhin auf den Weg nach Hause gemacht habe. Den ganzen Heimweg hatte ich nachgedacht und dadurch sogar fast verpasst an meiner Haltestelle wieder aus der Bahn auszusteigen. Ich wusste nicht was ich fühlen sollte.
Ich fühlte mich seltsam bei der Vorstellung einen Prominenten als großen Bruder zu haben, irgendwie ein wenig verraten, weil mir niemand zu Hause davon erzählt hatte und dann war es mir gleichzeitig auch noch peinlich, als ich mich daran erinnerte, wie ich mich aus Versehen  fast auf Hoseok gesetzt hatte und ihnen beim Frühstück allen mit Augenringen, zerzausten Haaren und nur im T-Shirt begegnet war. Alles das vereinte sich irgendwie und doch fühlte ich nichts.
Zu Hause angekommen, versuchte ich schon fast panisch die Tür zu öffnen und lauschte, als ich drinnen war, ob auch noch jemand anders im Haus war, den ich zur Rede stellen konnte, aber es herrschte Totenstille.
Ein Blick auf die Uhr verriet mir auch wieso. Meine Mutter und Miyun waren noch mindestens eine Stunde auf der Arbeit und Sajoon war sicherlich noch mit Freunden in der Stadt. Es war also niemand da, der mir meine Fragen hätte beantworten können, daher versuchte ich mich zu beruhigen und brachte erst einmal meinen Ranzen in mein Zimmer. Da ich darauf aber anfing vor Nachdenken an meinen Fingernägeln zu knabbern, entschied ich mich mir lieber im Fernsehen eine weitere Folge Shadowhunters zu schauen. Tatsächlich half das ungemein, da die Schattenjäger des New Yorker Instituts immer noch mehr Probleme hatten, als ich sie wahrscheinlich jemals haben werde. Ich beruhigte mich also und schaute so fast zwei Folgen bis ich einen Schlüssen im Schloss hörte.

tbc...

 𝒞𝒽𝒶𝓃𝑔𝑒 | ℍ𝕠𝕤𝕖𝕠𝕜 𝕩 𝕆ℂ *pausiert*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt