Der nächste morgen war grau und kühl. Ich setzte mich auf das Sofa und dachte über letzte Nacht nach. Eins wurde mir immer klarer, ich liebte Alex nicht. Ich konnte in seiner Gegenwart nicht ich selbst sein, ich musste mich für ihn verstellen und hatte Angst, nicht gut genug für ihn zu sein. So funktioniert Liebe nicht. Ich hatte mich von seinem guten Aussehen blenden lassen. Es war ziemlich ernüchternd, das festzustellen, aber je länger ich darüber nachdachte desto sicherer war ich mir. Ich kam mir ziemlich einsam vor. Zwischen Mandy und mir stimmte irgendwas nicht, die Leute aus der Schule waren keine wirklichen Freunde und zu Pauls Leuten gehörte ich irgendwie auch nicht wirklich dazu. Meine Familie war auch keine große Hilfe. Paul vielleicht, aber eigentlich war ich so ziemlich auf mich alleine gestellt. Wenn ich ganz ehrlich war, war Paul momentan mein einziger und bester Freund aber das wollte ich mir nicht eingestehen. Dann hätte er einen viel zu großen Wert in meinem Leben. Er durfte mir nicht so viel bedeuten, sonst wäre es naheliegend, dass ich Gefühle für ihn hatte, aber das hatte ich nicht. Das wollte ich auch nicht. Jetzt erst recht nicht.
Wir beschlossen in die Stadt zu fahren und dort frühstücken zu gehen. Beim Bäcker holten wir uns Kaffee und Sandwiches, damit setzten wir uns in den Park auf eine Bank am See.
„Das ist der Park, in dem das mit Shelby passiert ist",erzählte Paul und sah nachdenklich aufs Wasser. „Wir können auch woanders hingehen", bot ich an aber Paul lehnte ab. „Wie gehts dir eigentlich? Du sagst so wenig in letzter Zeit", stellte er beinahe besorgt fest. Ich war mir nicht sicher, ob ich wirklich bereit war, ihm davon zu erzählen. Bisher hatte ich mit niemandem darüber gesprochen was an dem Abend vorgefallen war, an dem ich Pau kennengelernt hatte. „Es ist in meiner Familie in letzter etwas... schwierig gewesen", gab ich zu.
„Willst du darüber reden?"
„Schon. Also... Vor ein paar Jahren ist mein Vater gestorben. Das war sehr schlimm für meine Mutter. Sie hatte schon immer Depressionen gehabt, aber als er noch da war war es nicht so schlimm. Jetzt, vor ein paar Monaten hat sie einen neuen Mann kennengelernt. An dem Abend als wir uns zum ersten Mal getroffen haben", ich räusperte mich, „meine Schwester, sie ist zwölf, hat an dem Abend meiner Mutter anvertraut, dass dieser Mann sie mehrfach sexuell missbraucht hat. Das war für sie wirklich schwer und sie ist immer noch traumatisiert. Meine Mutter hat sich für alles die Schuld gegeben. Der Mistkerl ist noch am gleichen Tag einfach abgehauen. Und statt für meine Familie da zu sein", ich atmete tief ein, „bin ich feiern gewesen weil ich es zu Hause nicht mehr ausgehalten habe"
Paul hatte mir die ganze Zeit ruhig zugehört und legte jetzt seinen Arm um mich. Er öffnete den Mund, als wollte er etwas sagen, aber anscheinend fiel ihm nichts passendes ein. In dem Moment klingelte sein Handy und anhand seines z als er auf das Display schaute, ahnte ich bereits, wer ihn angerufen hatte. Es war Shelby. Die beiden telefonierten eine Dreiviertelstunde! Es war wirklich süß, aber irgendwann wurde es etwas langweilig, besonders da ich oft keine Ahnung hatte wovon die beiden redeten. Trotzdem blieb ich sitzen und wartete bis die zwei fertig waren. Als Shelby aufgelegt hatte, sah Paul mich betroffen an. "Oh Gott! Sorry! Das war echt lange, tut mir leid. Es ist nur... wir sehen uns so selten und-"
"Ist ja gut, macht nix"
"Sicher?"
"Ja, alles gut. Wirklich"
"Wenn du meinst", sagte er schließlich achselzuckend. "Irgendwelche Pläne für heute oder soll ich dich heim fahren?"
"Also mir würde da schon was einfallen", meinte ich. Der Gedanke war mir spontan gekommen als ich während Pauls Telefonat gedankenverloren auf den See gestarrt hatte. Eigentlich hatte ich die Idee angesichts des ekelhaften Wetters wieder verworfen, es war grau aber urge trotzdem warm gewesen. Mittlerweile hatte sich der Himmel allerdings aufgeklärt und die Sonne schien zwischen großen Schäfchenwolken hindurch.
Eine gute halbe Stunde später waren wir angekommen. Unser Ziel war ein Hügel, eigentlich schon fast ein Berg. Von oben konnte man die komplette Umgebung überblicken. Ein paar Bäume spendeten hier im Sommer Schatten, aber momentan wollte ich noch in der Sonne sitzen. Ein kleiner Bach schlängelte sich den Weg hinunter ins Tal. Auf der einen Seite ging es nur sehr schwach bergab, es war beinahe eine Ebene. Dort war ein Feld und dahinter, wo es wieder steiler bergab ging befand sich ein Wald. Die Wiese, die den Großteil des Hangs bedeckte, bestand aus langen Gräsern und hier und da ein paar Blumen. Hier oben fühlte man sich absolut frei. Damals, als mein Vater noch am Leben gewesen war, hatten wir oft Familienausflüge hierher unternommen. Ich erinnerte mich noch gut daran, wie Lilly mit zwei Jahren kopfüber in den Bach gestürzt war. Oder wie wir verstecken im Maisfeld gespielt hatten und beinahe nicht mehr herausgefunden hätten. Und die Picknicks mit Mums legendären Cherry Pie. All das erzählte ich Paul auf dem Weg nach oben. Es war fast, als könnte ich all die Geräusche, die Kinderstimmen von damals hören. Es stellte sich heraus, dass ich tatsächlich Stimmen hörte, allerdings nicht aus meiner Erinnerung. Einer Gruppe junger Leute saß auf einer Picknickdecke neben dem Bach. Das eine Mädchen hatte wilde Blonde locken und trug ein weißes Kleid in dem sie aussah wie ein Hippie aus den Sechzigern, was ihr allerdings extrem gut stand. Ein anderes Mädchen mit braunen glatten Haaren und einer roten Bluse saß neben ihr. Die beiden schienen sich köstlich zu amüsieren und unser Kommen gar nicht zu bemerken. Im Gegensatz zu dem jungen Mann, der direkt aufstand und mit einem Lächeln auf uns zukam. Er war irgendwie hübsch. Sein Haar war dunkelbraun und eigentlich nicht weiter auffällig. Seine Frisur war ziemlich Standard, kürzere Seiten und oben etwas länger. Sein Style war allerdings ziemlich cool. Er trug ein weißes Tanktop, das seinen guten Körper zur Geltung brachte, eine schwarze Jeans und schwarze Vans. Nicht allzu aufregend aber es passte halt irgendwie zu ihm. "Hey, ich nem Felix", stellte er sich vor und gab erst Paul dann mir die Hand, wobei er immer noch lächelte, was ihn ziemlich sympathisch wirken ließ. "Das ist Berna, meine Schwester und Liz", sagte Felix und deutete auf die Mädchen auf der Decke die uns jetzt auch bemerkt hatten und uns winkten. Alle drei waren ziemlich hübsch. Und dazu nich ausgesprochen nett. Sie luden Paul und mich ein, bei Ihnen zu sitzen und nach einer halben Stunde hatte ich das Gefühl, dass wir uns schon seit Jahren kannten. Immer wieder erwischte ich mich dabei, ein Stückchen näher zu Felix rücken zu wollen. Es hört sich verdammt dumm an, aber es war, als gäbe es eine Verbindung zwischen uns. Irgendetwas das mich zu ihm hinzog.
Es vergingen zwei drei Stunden in denen wir redeten. Felix und Berna, die eigentlich Bernadette hieß, waren Zwillinge, beide 17. Liz war eine Kindheitsfreundin der beiden. Sie war vor drei Wochen in eine Stadt in der Nähe gezogen und es war das erste Mal seit 4 Jahren, dass die drei sich wieder sahen. Ich hatte selten so aufgeschlossene Menschen getroffen. Das erinnerte mich an meine eigenen "Freunde". Die waren ganz anders. Das brachte meine Gedanken wieder zu Mandy. Da war nich immer etwas zwischen uns, das noch nicht ausgesprochen war. Eigentlich was es klar. Sie war eifersüchtig. Auf Paul. Es war Wochen her, dass ich zuletzt etwas mit ihr unternommen hatte. Aber mir war einfach nicht danach. Wir hatten uns schlicht und einfach auseinandergelebt.
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When the night is over
Teen FictionTrigger Warning ⚠️: Self harm, alcohol and substance abuse Für die 15-jährige Hope hat das Leben in letzter Zeit einige unschöne Wendungen genommen, doch genau das zeigt ihr, dass man jeden Tag in vollen Zügen genießen muss. Es könnte schließlich d...