1~Unfähig

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Breathe Me
||Sia||

Claire
Ich hielt diese aufgestaute, enge Bedrückung in mir nicht aus und hatte das Gefühl noch gleich zu platzen oder wegen dieser Erstickung, die meine Brust erbarmungslos zusammenschnürte, in mir zusammenzubrechen. Um all diese schrecklichen Empfindungen in mir rauslassen zu können, griff ich nach der Vase und schmiss sie voller Wucht und achtlos gegen den Spiegel vor mir, während ein erschreckend lauter und brutaler Schrei meine Kehle aufschlitzend verließ.

Es brach in einzelne Splittern auf den Boden und zerstreute die Spiegelung meines Gesichtes auf viele verschiedene Teile. Außer Atem und reglos stand ich da und blickte auf das Stückchen Elend hinab und verspürte abgrundtiefe Abneigung und noch mehr verstärkte Wut.

Angeschwollene, gerötete Augen, die nicht aufhören konnten eimerweise Tränen zu vergießen.
Verknotete, ungewaschene Haare, die unachtsam hoch gebunden waren, damit sie den Wasserfällen ja nicht im Weg waren.
Ich hasste diesen Menschen, den diese Splittern reflektierten. 
Ich hasste ihn so verdammt sehr.

Dieser Hass galt aber nicht der abstoßenden Ungepflegtheit, die jeden abschrecken konnte, sondern dieser Person selbst.
Für alles, was sie getan und gesagt hatte. Für alles, was sie immer noch tat. Nämlich nichts.
Nichts außer jeden abscheulich langen Tag in einem dunklen Zimmer rumsitzen und darauf warten, wann die Nacht anbrach, um sich in den unruhigen und unvollständigen Schlaf zu weinen.

"Ich hasse dich", knirschte mit zusammengebissenen Zähnen und spürte meine Tränen sich verstärken genauso wie diese erdrückende Enge in meiner Kehle.
"Ich hasse dich, ich hasse dich, ich hasse dich!", schrie ich und konnte mich nicht mehr kontrollieren. Ich schmiss die Splittern wie verrückt durch den Raum, um diese Person nicht anblicken zu müssen und fiel anschließend schluchzend und kraftlos zu Boden.

Erstickt und unfähig zu atmen krallte ich mich so fest es ging in meine Haare und bekam das unbeschreibliche Gefühl, mein Herz würde durch das grauenhaft verkrampfende Zucken noch gleich in sich zusammensacken. Es fühlte sich so an, als schnürte ein raues Seil meinen ganzen Körper, insbesondere meine Brust so fest zu, dass jeder Zentimeter meines Leibes auf ein Weise schmerzte, wie es unmöglich zu ertragen war.

Und dieser Schmerz war nichts weiter als der hilfslose Schrei, gar das Flehen meiner Seele, zu jener Seele zurückzukehren, dessen bloße Nähe unentbehrlich für mein Überleben war.

Von dem ganzen unaufhaltsamen Weinen brannten meine Augen wie verrückt. Ich behielt sie so fest zugekniffen, als könnte ich durch die Stärke, mit der ich in mein Haar griff und meine Augen zukniff, diesen höllischen, verdammten Schmerz in mir vertreiben.
Doch wie jeden Abend brachte es nichts. Rein gar nichts. Dieses Gefühl, ich würde keine weitere Sekunde überleben können, blieb erhalten und ließ mich am ganzen Leibe zittern.

'Ich liebe dich nicht'

Meine eigene Stimme hallte laut und quälend durch meinen Kopf, um jedes einzelne schmerzhafte Empfinden zu verstärken. Vor meinem inneren Auge trat sein leidender Gesichtsausdruck. Seine Augen, die mich schreiend anflehten diese Worte zurückzunehmen.

"Nein", keuchte ich kratzig.
"Das stimmt nicht, das stimmt nicht."
Mein Herz schmerzte qualvoll bei dem Wunsch, es ihm in Wirklichkeit zu sagen, es aber nicht zu können.
"Das stimmt nicht, Brian, das stimmt nicht. Ich liebe dich", flüsterte ich voller Verzweiflung vor mich hin und konnte mein Herz bluten spüren.

'Ich liebe dich nicht! Ich habe dich noch nie geliebt'

'Ich wollte nie dich. Nur dein Geld'

'Du bist ein Nichts. Genauso, wie dein Vater sagt, nutzlos'

"Nein, nein, nein, das stimmt nicht. Du bist mein Alles, ich will nur dich. Ich liebe dich so verdammt sehr, Brian. So sehr", schluchzte ich und hasste mich, alles und jeden dafür, es ihm nicht sagen zu können. Ich wollte es ihm sagen, es ihm beweisen.
Wie sollte ich es ohne ihn aushalten? Nur wie? Es funktionierte nicht. Mit dem Vergehen jeder Sekunde, starb ich immer ein bisschen mehr.

Jede Zelle meines Körpers zuckte in der Qual, von ihm entfernt und dafür auch selber der Grund zu sein. Wenn ich versuchte Luft zu holen, füllten sich meine Lungen nicht mit erlösendem Sauerstoff, sondern noch mehr Erstickung, die es mir unmöglich machte, aufzuatmen.

Mit zitternden Fingern griff ich zu meinem Hals und tastete ihn nach der Kette ab, die er mir geschenkt hatte. Als ich das Anhängerherz fühlte, umklammerte ich es umgehend mit meiner Hand und bildete mir ein, dadurch eine Verbindung zu ihm zu haben und hoffte dadurch zur gewissen Ruhe zu gelangen.

"Bitte...es soll aufhören so weh zu tun", flehte ich vor mich hin und wusste nicht, wem es das Flehen galt. Es gab niemanden, der mir diesen höllischen, mörderischen Schmerz nehmen konnte, außer Brian. Und bei ihm sein durfte ich nicht.

Wie es jeden Tag der Fall war, weinte ich mir unaufhaltsam die Seele aus ohne jegliche Erleichterung danach wahrzunehmen.
Nachdem ich gefühlt jeden Milliliter an Flüssigkeit aus meinem Körper vergossen hatte, blieb nichts weiter zurück als die beton schwere Leere.
Eine Leere, die ein tiefes Loch bildete, sodass ich mich nicht mehr zu regen wagte, weil ich sonst drohte in diese Leere, in meinem inneren, hohlen Loch zusammenzusacken.

"Ich liebe dich, Brian", hauchte ich die einzigen Worte, die mir wenigstens die winzige Kraft und Hoffnung gaben, eine weitere Sekunde irgendwie durchzustehen.
Auch wenn nur als leblose, seelenlose Leiche. 

Genau das war ich ohne ihn. Eine Leiche.
Unfähig zu atmen und zu leben.

More Than Just Love ~Unser VertrauenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt