24. GRAYSON

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Nachdem ich gestern aus Candys Wohnung gestürmt war, weil Ash es offensichtlich so ekelhaft fand, dass ich mich in ihn verliebt hatte, dass er gleich kotzen musste, war ich gekränkt nachhause gefahren.
Spasti war ich nicht mehr über den Weg gelaufen, allerdings hatte mich Ash schon ziemlich zugerichtet, sodass ich jetzt im Physiksaal saß und die musternden Blicke über mich ergehen ließ.
Ash war noch nicht da und ehrlich gesagt hoffte ich, er würde heute nicht kommen. Ich wollte mir die Peinlichkeit ersparen.

Ich glaube ich habe mich in dich verliebt, Ash. Oh Gott, wie dumm war ich denn?!
Ich wusste ja wirklich nicht, was meine Gefühle für ihn zu bedeuten hatten, aber ich wusste, dass sie da waren. Vorher hatte ich noch die Möglichkeit gehabt, ihm vielleicht irgendwie näher zu kommen und vielleicht auch zu beweisen, dass ich nicht der Arsch war, für den er mich hielt, aber jetzt? Er würde mir weiterhin aus dem Weg gehen. Oder er würde mich auslachen. Oder beides. Oder er würde jedem erzählen, dass ich eine kleine Schwuchtel war.

Okay, ich gebe es zu, vielleicht stand ich ja auf das gleiche Geschlecht. Aber ehrlichgesagt interessierten mich andere Männer nicht. Nur Ash. Aber Ash wollte mich nicht. Das hatte seine Reaktion deutlich gemacht.

Kurz vor dem Gong kamen Candy und Ash ins Klassenzimmer. Ich wusste, dass Ash auf den Platz neben mir gehen musste, weil unser alter Physiklehrer eine feste Sitzordnung bevorzugte.
Ich starrte Ash und Candy an, das war mir bewusst. In der Zeit, als er ihr einen Kuss auf die Wange gab und sich bei ihr (wahrscheinlich für die heiße Nacht) bedankte, machte ich mich in meinem Stuhl ganz klein und hoffte, Ash würde mich einfach übersehen.
Doch, als ich ihn musterte, fiel mir etwas auf und ich begann einfach zu sprechen. „Sind das meine Klamotten?“
Ash presste die Zähne zusammen und nickte, ohne mich anzusehen. Er starrte weiterhin nur auf die Tafel, ich betrachtete ihn, musste feststellen, wie heiß er mal wieder aussah, bis er seinen Blick mir zuwendete.
„Über was haben wir gestern gesprochen? Also bei Candy“

„Nachdem du mich verprügelt hast meinst du?“, fragte ich provozierend. Ich wusste, dass er es bereute. Doch erst nachdem ich diesen Satz ausgesprochen hatte, kam mir etwas in den Sinn.
Er wusste nicht mehr worüber wir gesprochen hatten? Das hieß, er wusste nicht mehr, dass ich ihm so quasi eine Liebeserklärung gemacht hatte. Und das hieß, ich musste mich nicht mehr schämen, wenn er mich ansah, weil er meine Gefühle nicht erwiderte.

Er schien innerlich mit sich zu ringen, während ich ihn still beobachtete. „Ja also was das angeht. Ich will nicht sagen, dass es mir leidtut, aber mir ist bewusst, dass ich das nicht hätte tun dürfen.“ Ich zog die Augenbrauen hoch und betrachtete ihn, wie er überall hinsah, nur nicht in meine Augen.

Er entschuldigte sich. Okay, es war nicht wirklich eine Entschuldigung, aber wir beide wussten, wie er das meinte.

„Schon gut. Ich will nicht sagen, ich hätte es verdient, aber ich will, dass du es verstehst. Das mit Ashley also... Sie hat mich geküsst und ich wollte sie nicht wegstoßen, weil ich nicht wollte, dass sie sauer auf mich ist, weil du dann sauer auf mich sein würdest und deshalb hab ich mitgemacht“ Jetzt wendete er mir doch seinen Blick zu und verengte mal wieder die Augen zu schmalen schlitzen. Oh Gott, dieser Ausdruck an ihm machte mich so an!
„Es sah aber gar nicht so aus, als hättest du einfach nur mitgemacht. Du hast es genossen“ Ich wollte etwas einwenden, doch er hob die Hand, sodass ich verstummte. „Lass gut sein. Solange du meine Schwester nicht wieder verletzt, kannst du machen, was du willst“ Bevor ich noch etwas erwidern konnte, kam Herr Gutto in das Klassenzimmer und alle wendeten seinem Unterricht die Aufmerksamkeit zu.

Ash schrieb mal wieder nicht mit, doch das musste er gar nicht. Ich wusste, was er für ein gutes Gedächtnis hatte, nur eben nicht, wenn er betrunken war, sowie gestern. Vielleicht war ich es ihm schuldig, dass ich ihm sagte, was ich für ihm empfand, aber andererseits wollte ich mir die Demütigung ersparen. Seine Reaktion hatte ja bereits gezeigt, dass er nichts von mir wollte, also sollte ich mich damit abfinden. Vielleicht konnten wir ja normale Freunde sein... Ich wusste, es würde schwierig werden, aber ich konnte nicht einfach so weiter machen wie zuvor. Er hatte meinen inneren Softie rausgebracht und dieser wollte bei Ash sein. Am besten rund um die Uhr.

Nach der Stunde rief der Lehrer Ash zu sich, um mit ihm zu sprechen. Ich wartete vor dem Klassenzimmer auf ihn, aber als ich Isaac bemerkte, machte ich mich doch aus dem Staub. Ich wollte nicht mehr mit ihm streiten. Wir streiteten uns um Ash, das war mir bewusst, aber ich wusste auch, dass er gewinnen würde, also gab ich eben auf und schlenderte in den nächsten Klassenraum. Glücklicherweise saß ich dort neben Tysan, der mich den Unterricht über mit seinen Frauengeschichten ablenkte, doch trotzdem konnte ich nur an Ash denken. Ich wusste, es war falsch als Typ auf einen anderen Mann zu stehen, doch ich konnte es nicht ändern und ehrlich gesagt wollte ich es auch nicht.

Egal, wie weh es tat zu sehen, wie er lachte, obwohl nicht ich der Grund dafür war oder einer meiner schlechten Witze, egal wie weh es tat, zu sehen, wie er sich mit anderen unterhielt, ob Jungs oder Mädchen und egal wie weh es tat, die Blicke zu ignorieren, die ihm zugeworfen wurden.
Das Schlimmste war aber die Erkenntnis, dass ich jetzt auch eine dieser Personen war. Ich war wie die Mädchen, die ihm hinterhersabberten und hofften, er würde sie auch nur eines Blickes würdigen. Aber irgendwie genoss ich dieses Gefühl auch. Dieses Gefühl, wenn er mir einen kurzen Seitenblick zuwarf und die Welt für einen Moment stehen blieb, dieses Gefühl, wenn er durch sein Lachen die Zähne zeigte und sein Glück auch mich durchflutete, dieses Gefühl, wenn sein Duft in meine Nase drang und ich am liebsten die Luft anhalten würde, um nie wieder etwas anderes riechen zu müssen, selbst wenn ich daran sterben würde.

Ich wusste, meine Gedanken waren total schwul und kitschig, aber ich konnte es nicht verhindern. Ash hatte mich so gemacht. Er hatte mich verändert und ich wusste, es lag nicht nur an den letzten Wochen, in denen wir uns nicht mehr allzu sehr verabscheut hatten, sondern dass es schon unser ganzes Leben so war. Früher waren wir befreundet gewesen, bis unsere Eltern sich getrennt hatten und mein Vater mit seiner Mutter durchgebrannt war. Er gab mir die Schuld, ich gab ihm die Schuld, wir hassten uns, prügelten uns, verabscheuten uns. Doch erst jetzt bemerkte ich, dass wir diese Zeit zusammen durchgestanden hatten und ohne den anderen nie dazu geworden wären, was wir heute waren. Ohne diesen ständigen Konkurrenzkampf mit ihm, wäre es mir vermutlich egal, was alle anderen von mir dachten, aber ich wollte immer besser sein als er, damit er mich bewunderte. Und das begriff ich erst jetzt.

Meine Gefühle kamen nicht einfach so spontan und es war auch keine Phase, um mal etwas Neues auszuprobieren. Ich hatte schon immer gewusst, dass ich mich zu ihm hingezogen fühlte, doch er tat das nicht. Er empfand nichts für mich, außer Hass und Abscheu, aber das war okay. Es tat zwar weh, aber ich akzeptierte es. Ich akzeptierte ihn. Selbst mir war bewusst, dass Asher alles andere als perfekt war. Er hatte Agressionsprobleme, war sehr impulsiv, fixierte sich schon fast krankhaft auf die Menschen, die er liebte. Aber ich mochte diese Seiten an ihm.

Okay, ich mochte es nicht, wenn er in all seiner Wut auf mich einschlug, aber wenn es nötig war, dass er mich beachtete, dann lies ich selbst das mit mir machen. Außerdem hatte er nicht nur schlechte Seiten, die ihn ausmachten. Er war ebenfalls sehr einfühlsam, liebevoll, empathisch. Ich wusste, wie sensibel er in seinem Inneren war, denn ich war es auch.

Wir spielten der Welt die starken, unverletzlichen vor, dabei waren wir das genaue Gegenteil.

Vorallem ich. Ich war sehr verletzlich und ich war verliebt. In Asher Sutton.

Niemand kennt uns wirklich (BoyxBoy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt