Nach all der Zeit, in der sie sich nicht gesehen hatten, hatten die beiden Schwestern einander viel zu erzählen und so saßen sie noch bis spät in die Nacht dort und unterhielten sich. Bis Virdana schließlich auf ihrem Sofa einschlief, das Geschenk noch immer in Händen.
Aiana betrachtete sie schweigend. Im schlaf waren ihre Haare unter der Mütze hervor gerutscht und lagen nun wie glänzende Seide um ihr Gesicht. Die fehlende Stimmung hatte ihnen ihre eigentliche, blonde Farbe zurück gegeben. Sie wirkte so friedlich, das keiner der Drei sie wecken wollte und so flüsterte Aiana, als sie zu sprechen begann.
„Der Erzengel Seren Kailo, befindet sich zur Zeit in unserer Burg."
Mino auf ihrem Schoß spitzte die Ohren, als würde der Name ihm tatsächlich etwas sagen.„Was? Seit wann?"
Chiara hatte in ihrem Entsetzen lauter gesprochen als beabsichtigt und Virdana grummelte im Schlaf über die Störung.
Alle schwiegen einen Moment bis sich die Atemzüge des Mädchens wieder beruhigt hatten.„Seit fast einem Monat."
„Und das erfahren wir erst jetzt?"
Kwarivus Ton klang beinahe anklagend, aber Aiana ging nicht darauf ein.„Ich konnte nicht schreiben. Die Post wird überwacht und ich habe erst jetzt einen guten Grund gefunden um hier her zu kommen. Immerhin wird Yu bald Volljährig."
Yuki war der zweite Vorname ihrer Schwester. Trotzdem hatte sich der Spitzname Yu über die Zeit so Eingelebt, das sich Keiner mehr einen Anderen vorstellen konnte.
„Sucht er nach ihr?"
Chiaras Frage hing düster wie der Vorbote eines Sturms über dem schlafenden Mädchen.„Ja",
antwortete Aiana heiser.
„Doch er weiß es nicht. Nicht das sie es ist. Auch deshalb habe ich nicht versucht euch zu kontaktieren. Es hätte seine Aufmerksamkeit auf euch lenken können."Stille war alles was blieb, als Aiana geendet hatte. Draußen prasselte der Regen an die Scheiben und der Fluss rauschte bedrohlich. Unheil schien in der Luft zu liegen und sich um das Anwesen zu verdichten.
Doch der nächste Tag verlief ruhig.
Aiana, Kwarivu und Chiara waren voll auf damit beschäftigt das Anwesen für die kommende Feier zu schmücken. Virdana, der es verboten wurde zu helfen, fand sich sich immer öfter im Weg, so das sie schließlich entschied hinaus in den Garten zu gehen. Dort verbrachte sie die hellen Stunden mit Mino im Wald aus Bambus, der einmal auf ihren Wunsch hin angelegt worden war. Auch an nächsten Tag besserte sich die Stimmung nicht. Wenn überhaupt wurde sie noch hektischer und so lief Virdana erneut hinaus in den Garten.„Mino, wo bist du schon wieder hin?"
Das Mädchen hatte ihren Drachen mal wieder zwischen den grünen Stämmen verloren. Frustriert stapfte sie in die Richtung, in die sie ihren kleinen Freund vermutete und fand sich überraschend am Fluss wieder.
Sie war schon öfter hier gewesen, hatte dieses mal aber nicht beabsichtigt so weit zu laufen.
Sie zuckte nur die Schultern und schritt langsam auf den Strom zu, der nach den starken Regenfällen der letzten Tagen Hochwasser führte.Eine Brücke aus rot bemaltem Bambus führte zur anderen Seite und wie schon so oft ließ Virdana sich auf ihrem Geländer nieder und starrte in die tobenden Fluten.
Sie fühlte sich nicht wie eine fast Volljährige Frau und wollte es auch nicht wirklich sein. Sie vermisste die Zeiten, in denen sie noch mit Aiana durch die Gärten des Schlosses getollt war. Sorglos und glücklich.
Doch dann hatten Aianas Eltern sie hier her verbannt. Sie war schließlich nur adoptiert und als sie nicht mehr gebraucht wurde, weil Aiana älter wurde, hatte man sich ihrer entledigt.
Virdana wusste, das sie eigentlich dankbar sein sollte. Das hier war tausend mal besser als das Waisenhaus, aus dem sie kam und Chiara und Kwarivu waren ihr ans Herz gewachsen, wenn die beiden auch leicht verrückt waren. Aber das war sie schließlich auch.

DU LIEST GERADE
Just one Fantasy Story
Fantasy#Bestwriterchallenge Das ist mein Beitrag für die Challenge. Mittlerweile ist sie abgeschlossen und steht nun Jeden zum lesen zur Verfügung😊