Eine Woche später fand ihre erste gemeinsame Mission statt. Augenzeugen sollten berichtet haben, dass in der Nähe eines leerstehendes Hauses eine geisterhafte Figur gesichtet worden sei. Der besagte Ort war ein kleines Dorf, an dem nur wenige Menschen wohnten. Manche würden diesen Ort auch als verlassen bezeichnen, andere wiederum als idyllisch. Dass sich in einem kaum bewohnten Dorf Geistergeschichten verbreiteten, war nichts Neues, doch die Gerüchte kamen erst seit wenigen Wochen in Umlauf. Viele Crepus suchten sich auch mit Vorliebe verlassene Häuser aus, um dort ihre Ruhe zu haben. Wenn sich daraus schließlich sogar Geistergeschichten entwickelten, waren sie erfolgreich, denn solche Häuser ließen sich nur schwer vermitteln und die Crepus hatten folglich einen sicheren Wohnsitz.
Im Zug saßen sich Jean und Fai gegenüber. Bis zu ihrer Ankunft würde es nicht lange dauern, weil ihr Zielort nicht weit entfernt war. Fai hatte sich bewusst eine Mission ausgesucht, die schnell zu erreichen war, damit sie bei größeren Problemen Unterstützung anfordern konnten. Er erachtete das wohl als vorausschauend, falls sein neuer Partner eine Enttäuschung war und nichts auf die Reihe bekam.
Mit strengem Blick beobachtete Jean den Mann auf der anderen Bank. Fai beachtete ihn nicht, sondern genoss die Aussicht aus dem Fenster. Das bot Jean die Gelegenheit, ihn einmal ausführlich zu mustern. Seine Kleidung war eigenartig, als wäre er einem Theaterstück entsprungen. Hinzu kam seine kerzengerade Körperhaltung, die kein Mensch fünf Minuten aushalten würde. Dass er sich vom Fenster mit seinem Ellenbogen abstützte, erachtete er schon als ein kleines Wunder. Fakt war, dass Fai ihm nicht geheuer war.
"Macht es dir Spaß, mich anzustarren? Es sei dir gesagt, dass ich mich davon nicht einschüchtern lasse.", wurde Jean auf einmal angesprochen.
Nach dieser Überraschung zuckte er leicht zusammen und wandte rasch seinen Blick ab, weil er sich ertappt fühlte. "Was? Nein, das wollte ich nicht damit bezwecken!", verteidigte er sich und kratzte sich peinlich berührt am Kinn.
Fai machte daraus keine große Sache und drehte sich direkt zu ihm. "Wirklich? Ich bin das schon gewohnt, also kannst du ruhig ehrlich zu mir sein."
Darauf fand Jean keine Worte. Er überlegte nur, wie man sich an so etwas gewöhnen konnte. Waren damit vielleicht die Blicke all der Männer gemeint, denen Fai mit seinem Äußeren unbewusst die Freundinnen ausgespannt hatte? Jean war nicht böse auf ihn, sondern nur genervt, aber das würde er ihm sicher nicht sagen.
"Wie heißt dein Crepus eigentlich? Und seit wann seid ihr Partner?", wechselte der Weißblonde das Thema, als er bemerkte, dass keine Reaktion kam. Improvisieren konnte er, aber Jean gefiel das neu angeschnittene Thema auch nicht viel besser.
Den Namen konnte er ja erwähnen, alles andere waren jedoch Informationen, die Außenstehende nichts angingen. Um nicht allzu unhöflich zu sein, sagte er ihm wenigstens das: "Er heißt Ulterium. Der Name ist nicht von mir. Er hat ihn sich selbst gegeben und wollte, dass ich ihn weiterhin so nenne." Das sollte ausreichen, damit sein Drang nach einem normalen Gespräch gestillt wurde.
Allerdings schaute Fai nicht sehr begeistert nach dieser Antwort und legte erneut seinen Kopf auf seinem Handrücken ab. "Hast du meine zweite Frage schon wieder vergessen? Wie lange kennt ihr euch? Oder willst du mir das nicht verraten? Ist dir das etwa peinlich?"
Im Fragenlöchern hatte Fai eine Medaille verdient. Das änderte jedoch nichts daran, dass Jean darüber keine Auskunft geben wollte. "Nichts von alldem. Ich möchte einfach nicht darüber reden. Aber wenn es dich glücklich macht: Ich kenne ihn schon viele Jahre. Zufrieden?"
Daraufhin setzte Fai wieder sein bekanntes Lächeln auf und nickte. "Schon besser. Nicht ganz das, was ich hören wollte, aber ich akzeptiere es fürs Erste." Diese Aussage ließ die Vermutung durchscheinen, dass er später wieder darauf zu sprechen kommen würde. Jean hoffte inständig, dass er es vergaß oder kein Interesse mehr daran haben würde. Wenigstens hatte er jetzt seine Ruhe.
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Vertrag mit der Anderswelt: Sekte
अलौकिकVor 100 Jahren wurde die Welt Zaphylis von sogenannten "Crepus" heimgesucht. Was sich hinter ihnen verbirgt, ist bis heute nicht bekannt. Einige beten sie wie Götter an, andere sehen in ihnen Dämonen, die Unheil über die Welt bringen. Einzig darin s...