Kapitel 3

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Nach der ersten gemeinsamen Mission, die als Reinfall geendet hatte, waren Fai und Jean aufgefordert worden, gemeinnützige Arbeit in der Sekte zu leisten. Dazu gehörte in der Kantine drei Tage auszuhelfen, die Flure im Quartier zu säubern und Schreiben bezüglich Ressourcenanfragen anzufertigen. Zwei Wochen mussten sie diese lästigen Aufgaben über sich ergehen lassen, bis sie ihre Schuld beglichen hatten. Glücklicherweise beeinträchtigte Fais Schusswunde ihn kaum, da sie durch Perithas erste Hilfe schnell verheilt war.

Es war früher Montagmorgen, als Fai das Quartier besuchte. Einer der Organisatoren hatte sie dorthin bestellt, um die Nachfolgen der Mission zu bereden. Fai hatte ihnen bereits alles berichtet, was er über die Crepus-Diebe herausfinden konnte. Letztendlich hatten sie sich als eine kleine Bande von Gaunern herausgestellt, die zu ihrem eigenen Profit Crepus sammelten und teuer weiter verkauften. Daran war nichts Besonderes. Unter den Leuten, die über ihre Existenz Bescheid wussten, waren solche Pläne weit verbreitet. Meist besaßen sie ein oder zwei Crepus selbst und die überschüssigen Crepus wandelten sie in Geld um. Es war ein äußerst lukratives Geschäft, aber auch ebenso grausam. Crepus wurden wie Tiere behandelt, obwohl sie einen eigenen Willen und Gedanken besaßen, genau wie Menschen. Allein diese Vorstellung machte Fai rasend. Diese Diebe rechtfertigten ihr Handeln, indem sie Crepus als Monster oder gefährlich titulierten. Solche Wesen verdienten angeblich keine würdevolle Behandlung. Aber es waren gerade diese Aussagen, die ihnen gleichermaßen die Unantastbarkeit ihrer Würde nahm. Menschen, die auf andere, gar intelligentere, Lebewesen herab sahen, verdienten keinen Respekt.


Vor der Tür eines Büros blieb Fai stehen und kontrollierte, ob er die richtige Raumnummer gefunden hatte. 107, las er ab und bestätigte die Korrektheit. Er hatte noch fünf Minuten Puffer bis zum vereinbarten Termin, doch heute hatte er keine Geduld, um noch länger zu warten. Seine Fingerknöchel bewegten sich auf die metallische Tür zu, als er zwei Männer hörte, die um die Ecke gelaufen kamen.

"Meine letzte Mission war so genial! Ich durfte ans Meer fahren und hab den Großteil der Zeit damit verbracht, unter der Sonne zu liegen und mich mit richtig süßen Mädels zu unterhalten."

"Ernsthaft?", entgegnete der andere. Seiner Stimme war deutliche Eifersucht zu entnehmen. "Du sollst arbeiten und nicht mit Frauen flirten! Wenn das raus kommt, wirst du definitiv bestraft... Hat dein Gruppenleiter nichts dazu gesagt?"

"Ach, der hat doch selbst mitgemacht!", lachte der Angesprochene laut los. Kurz darauf fiel den beiden Fais Anwesenheit auf und ihr Gespräch endete abrupt.

Fai verfolgte ihre Blicke, während sie stumm an ihm vorbei liefen. Nervosität dominierte ihre Gesichter. Sie gaben sich alle Mühe, Fai nicht direkt anzuschauen und natürlich zu wirken, aber diese Anstrengung machte sie gerade verdächtig. Sie verbargen etwas. Abscheu, Arroganz und Angst. In der Sekte war es eine ungeschriebene Regel, Fai unter allen Umständen zu meiden. Nur wer dazu gezwungen wurde, mit ihm zu arbeiten, wechselte ein Wort mit ihm. Alle anderen versuchten ihren Blickkontakt und jegliche Kommunikation aufs Nötigste zu begrenzen.

"Narren...", murmelte Fai, nachdem sie sein unmittelbares Umfeld verlassen hatten. Er störte sich mittlerweile nicht mehr daran, dass ihn jeder ignorierte, sondern machte sich über ihre Ahnungslosigkeit lustig. Keiner kannte die Wahrheit, aber sie alle glaubten diesen Gerüchten. Wer sich von so etwas beeinflussen ließ, besaß gar nicht die Qualifikationen, um Fai gegenüberzutreten.

"Pünktlich wie immer!", wurde er im Raum von der gleichen Grinsebacke begrüßt, die auch Jeans Beitritt begleitet hatte. Dieser Mann hieß Claude Chevalier und war ein sehr heiterer Geselle. Nur in seltenen Momenten trug er kein Lächeln im Gesicht. Seine positiven Schwingungen konnten oftmals sehr anstrengend sein, aber wenigstens ließ er mit sich reden und war kein riesiger Sturkopf. Er akzeptierte gute Argumentationen und hatte immer ein offenes Ohr, wenn es Probleme gab, weshalb er in der Abteilung zur Organisierung und Buchhaltung sehr gut aufgehoben war. Kurzum stand er stets mit Rat und Tat zur Seite.

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