Kapitel 5

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Aus der Zweiergruppe war eine Dreiergruppe geworden, sehr zu Jeans Leidwesen. Felicias Charakter ähnelte Fais nicht im geringsten. Sie war nett, hilfsbereit und machte sich nicht über ihn lustig. Oftmals war es sogar so, dass stattdessen Felicia und Fai aneinander gerieten. Diese Auseinandersetzungen verliefen sehr einseitig. Fai äußerte einen frechen Kommentar, woraufhin Felicia ihn tadelte und ihm gutes Benehmen einbläuen wollte. Wie nicht anders zu erwarten, zeigten diese Bemühen keine Wirkung. Felicia redete sich den Mund fusselig, während Fai sie von oben herab belächelte. Obwohl es Jean nichts anging, verspürte er in diesen Momenten den Drang, Fais Gesicht eine neue Farbe zu verpassen. Manchmal war er wirklich unerträglich. Wenigstens ließen sie ihn dadurch häufig in Ruhe.


"Bei unserer letzten Mission haben wir so toll zusammen gearbeitet! Ich bin richtig begeistert von uns gewesen! Wie du mit der Pistole das Bein dieses Schufts außer Gefecht gesetzt hast, war phänomenal! Und dann mein Schlag auf seinen Kopf..."

Jean gähnte erschöpft, als er die Kantine ansteuerte. Seit dem Betreten des Sektenquartiers wurde er von dieser unermüdlichen Quasselstrippe begleitet. Ohne Punkt und Komma redete sie und gab ihn nicht mal eine Chance, etwas zu erwidern. Nicht, dass er das vorhatte, aber sie sollte ihm doch bitte eine Sekunde Zeit geben, seine Ohren auszuruhen. Gestern hatten sie eine anstrengende Mission absolviert, deren Folgen nun an seinen Kräften zehrten. Felicia benahm sich hingegen wie das reinste Energiebündel. Ihr Körper, überhäuft mit blauen Flecken und Schürfwunden, und ihr fröhliches Auftreten passten gar nicht zueinander.

"Jean, alles in Ordnung? Du bist so still.", fragte sie besorgt, kurz vor der Essensausgabe. Hatte sie also doch bemerkt, dass er sie bisher ignoriert hatte. Er zischte leise, enttäuscht, diesen Akt nicht länger aufrechtzuerhalten.

Einen Teller auf dem Tablett abstellend, entgegnete er beiläufig: "Ich rede generell nicht viel. Das solltest du wissen müssen."

Felicias Ausdruck barg einen Hauch von Enttäuschung in sich. Mit einem nervösen Lächeln strich sie eine Haarsträhne hinter ihr Ohr und versuchte ihre offensichtlichen Gefühle zu überspielen. "Ah, ja, natürlich. Das verstehe ich. Nicht alle reden so gerne wie ich, haha... Ich dachte nur, dass wir uns etwas über die Mission austauschen und uns gegenseitig Tipps geben könnten. Alles für die Arbeit selbstverständlich..."

Indessen hatte Jean sein Tablett vollständig bedeckt. Er hatte dreimal nachgeschaut, ob sein Besteck für die Mahlzeit geeignet war, und sich ein Glas Mineralwasser am Getränkestand geholt. Für Felicias Erklärungen hatte er nur ein halbes Ohr zur Verfügung gehabt, was ihm bereits genügte, um festzustellen, dass es nichts Wichtiges war. Demnach ignorierte er sie auch weiterhin und setzte sich wortlos an einen der vielen freien Tische. Die Rothaarige folgte ihm dicht dahinter und nahm gegenüber von ihm Platz. Jean gab sich die größte Mühe, keinen Blickkontakt mit ihr herzustellen, wohingegen sie ihren Blick nicht mal eine Sekunde abwandte. Ihre endlosen Monologe belegten auf seiner Liste der Dinge, die ihm auf die Nerven gingen, eine gute Platzierung, jedoch spielte ihr Starren nochmals in einer ganz anderen Liga. Pausenlos beobachtet zu werden, war unheimlich.

"Na so ein Pech, euch schon zu meiner Mittagspause zu begegnen.", wurde die Stille von der heiteren Stimme ihres Vorgesetzten unterbrochen.

Der grinsende Fai stand mit vollem Tablett neben Felicia und jagte ihr durch sein plötzliches Erscheinen einen kleinen Schrecken ein. "O-oh, Fai! Seit wann bist du denn hier?", fragte sie überrascht.

Der Angesprochene rollte mit den Augen, um seine Unzufriedenheit öffentlich bekannt zu machen. "Erst vor kurzem. Übrigens sollst du mich doch mit Meister ansprechen. Wie oft muss ich das noch wiederholen, bis du es begriffen hast? Ich erkenne dich noch nicht als ebenbürtig an. Du hast anscheinend das Gedächtnis eines Huhns."

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