Kapitel 4

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Am nächsten Tag trafen sich Fai und Felicia im Eingangsbereich des Quartiers. Von dort aus sollte er sie zu Jean führen und ihr erstes richtiges Gruppentreffen ermöglichen. Beim Gedanken des Kennenlernens eines jungen Mannes in ihrem Altersbereich wurde Felicia schon ein wenig aufgeregt. Sie war zwar nicht hierher gekommen, um sich an das andere Geschlecht ranzumachen, aber gegen einen netten Blickfang war nichts einzuwenden. Fai sah an sich auch nicht schlecht aus. Im Gegenteil fand sie ihn sogar sehr hübsch. Aber erstens war er ihr zu alt und zweitens barg seine Schönheit etwas Unnatürliches, das sie nicht in Worte fassen konnte und ihr Angst bereitete.

"Wir sind da.", verkündete Fai vor einer breiten Stahltür.

Hinter der Tür lag ein großer Raum, der in mehrere Unterbereiche aufgeteilt war. Im Eingangsbereich befand sich eine große Fläche ohne jegliche Möbel oder anderweitige Hindernisse. Auf den ersten Blick wirkte es nach Platzverschwendung, aber als sie sich umschaute, verstand sie, welchen Zweck sie erfüllte. An den Wänden waren unterschiedliche Nahkampfwaffen befestigt, von Schwertern und Lanzen bis hin zu Nunchakus und Tonfas. Dieser Ort war ein Trainingsgelände. Um die Ecke war eine Abteilung mit Trainingspuppen, von denen die meisten schon reichlich mitgenommen aussahen. Einer fehlte sogar bereits der Kopf und einer anderen der linke Arm.

"Arme Puppen... Ihr wurdet ja ganz schön zugerichtet.", äußerte sie ihr Mitleid und klopfte der Puppe mit dem fehlenden Arm auf die rechte Schulter. Prompt fiel daraufhin auch noch der andere Arm ab und erschreckte Felicia mächtig. "Huch!"

"Kannst du aufhören, herumzuspielen, und einfach mitkommen?", ermahnte Fai sie und schüttelte irritiert den Kopf. Spätestens jetzt wurde ihr bewusst, dass er sie wirklich nicht leiden konnte.

Auch wenn sie das deprimierte, konnte sie sich davon nicht unterkriegen lassen. Sie rappelte sich sofort wieder auf und tat, was von ihr verlangt wurde. "Ich komme!"

Der nächste Bereich war eine Anlage für Fernkämpfer. Nebeneinander waren acht Schießbahnen aufgestellt, die jeweils eine Schießscheibe in menschlicher Form in etwa 10 Meter Entfernung enthielten. Derzeit war nur eine von ihnen belegt. Es war ein Mann mit braunen Haaren, der vier Schüsse nacheinander abfeuerte, die allesamt nur Randtreffer waren und keinen kritischen Körperstellen entsprachen. Enttäuscht legte der Mann seine Pistole auf der Ablage hin und entfernte den Gehörschutz. "So ein Scheiß! Diese Anlage ist doch einfach nur Mist!", fluchte er und drehte sich anschließend zu den beiden um. Er hatte sie durch seinen Gehörschutz nicht gehört gehabt und war überrascht, Zuschauer hinter sich zu haben.

"Fleißig wie immer. Und auch genauso laut.", kommentierte Fai das Geschehen mit einem Schmunzeln.

Diese Stichelei kam bei dem Schützen mit der Sonnenbrille nicht gut an. "Haha... Was willst du eigentlich hier? Falls du dich bloß über mich lustig machen willst, kannst du gleich wieder gehen!" Manieren waren ihm anscheinend fremd. Entweder das oder er mochte Fai überhaupt nicht.

Felicia war von dieser Unterhaltung überrumpelt. Sie wusste nicht, wer dieser Mann war, noch was er mit Fai zu tun hatte. Und ebenso wenig verstand sie, weshalb sie gleich aneinander gerieten, obwohl sie kaum ein Wort miteinander gewechselt hatten. Sie hatte eine geringe Vorahnung, aber bevor keiner der beiden es offiziell machte, betrachtete sie diese als falsch.

Der Weißblonde legte sein Schmunzeln wieder ab und fasste sich an die Stirn. Die Worte des Sonnenbrillenträgers waren ihm wohl zu viel gewesen. "Deine Einbildung ist verblüffend. Ich habe gewiss nicht das Bedürfnis, deine Gegenwart aufzusuchen, nur um mich für fünf Sekunden an deinem Leid zu ergötzen.", stellte er klar. Indirekt hatte er damit aber auch zugegeben, dass er sich an seinem Versagen erfreute. Dieser Mann hatte eine sadistische Ader, die er gern offen zeigte.

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