Kapitel 2

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Der Tag war vorübergegangen und der Abend war angebrochen. Wie fast jeden Samstag kam auch Mutters Chef zu uns. Herr Schmidt gab meiner Mutter immer verschiedene Aufgaben, je nach dem wo wir wohnten. Deshalb zogen wir so oft um. Meine Mutter bekam immer wieder neue Jobs und musste deshalb umziehen. Oft unterhielten sie sich darüber, wann wir demnächst umziehen würden. Zumindest vermutete ich das, da ich nie zuhören durfte.

Herr Schmidt sah nicht gerade aus wie jeder normale Chef. Er war im mittleren Alter und hatte tiefbraune, dichte Haare und einen langen, buschigen Bart. Lediglich der Anzug zeugte von einer hohen Position. Ich konnte ihn nicht leiden. Er war zwar nett und versuchte mich auf seine Seite zu bekommen, aber das war auch das Problem. Alles wirkte bei ihm so förmlich, nicht echt. Als würde er mich nur zu etwas bringen wollen.

,,Lucia, kannst du mir den Dill reichen?", fragte meine Mutter mich während sie das Fleisch bearbeitete. Ich nickte, obwohl sie es sowieso nicht sehen konnte, und reichte ihr eine Schale mit Dill. Ein kräftiges Grün zierte die Pflanze und ihr starker Geruch zog mir in die Nase. Mein Magen knurrte. ,,Wann ist das Essen fertig?", fragte ich leicht ungeduldig. ,,Bald, gedulde dich noch etwas.", antwortete meine Mutter geistesabwesend und schnappte sich die Kräuter.

Leicht genervt warf ich mich auf das Sofa im Wohnzimmer und schaltete den Fernseher ein. Es lief gerade irgendeine Serie auf ProSieben. Gelangweilt schaltete ich von einem Kanal zum Anderen, bis ich mich dann für RTL ll entschied, da das teilweise echt schlecht nachgespielte, niveaulose Fernsehen doch manchmal ganz lustig sein konnte.

Es verging noch ungefähr eine Stunde, bis meine Mutter endlich aus der Küche kam. Wie aufs Stichwort grummelte mein Magen und ich sah meine Mutter erwartungsvoll an. ,,Gibts jetzt was festes oder muss ich vom Fleisch fallen?", fragte ich mit verschränkten Armen. ,,Bei dir kann doch gar nichts mehrpolig Fleisch fallen, so dünn wie du bist.", meinte meine Mutter und stolzierte an mir vorbei. Ich seufzte und sank noch etwas ins Sofa ein. Toll, jetzt heißt es wohl auf Herrn Schmidt warten.

Ich dachte schon ich würde verhungern bis endlich die Klingel läutete. ,,Lucia, würdest du bitte die Tür aufmachen?'', fragte meine Mutter. Wir lagen gerade auf dem Sofa und sahen uns eine Serie an, während wir uns über die Charaktere lustig machten. ,,Klar.'', antwortete ich gelassen und richtete mich auf. Ich streckte mich noch kurz und lief dann schnell zur Tür, damit Herr Schmidt nicht noch länger warten musste. Wenn jemand ungeduldig war, dann Herr Schmidt. Die einzige Person die noch ungeduldiger als er war, war meine Mutter. Sie konnte einfach nie die Füße stillhalten.

Ich öffnete die Tür zu unserem Haus und kalte Luft stieß mir entgegen. Es war bereits dunkel draußen, nur die Straßenlaternen leuchteten in der dunklen Nachtluft. Vor unserer Hautür stand ein großer, breitschultriger Mann. Er trug einen Anzug und einen Hut, welcher sein Gesicht verdeckte. In der Hand hielt er einen großen, schwer aussehenden Aktenkoffer. Ich trat zur Seite und ließ den Mann eintreten. Erst als ich die Tür schloss begann Herr Schmidt zu reden.

,,Guten Abend Rebecca, guten Abend Lucia.'', begrüßte er uns und nahm seinen Hut ab. Man konnte nun seine langen Haare sehen, die er zusammengebunden hatte. Seine blauen Augen leuchteten im Licht unserer Lampen. Seinen Bart konnte man schon vorher sehen, doch mitsamt dem Hut war sein Gesicht nicht zu erkennen gewesen. Herr Schmidt war schon etwas älter, ich schätzte ihn auf Mitte 40, wegen seiner leichten Falten, doch wissen tat ich es nicht.

Dieser Mann war wie alles in meinem Leben ein riesengroßes Geheimnis. Ein Wunder, dass mich meine Mutter nicht komplett vor der Menschheit versteckte. Wir oder eher ich kannte Herr Schmidt nicht gut. Ich kannte weder seinen ganzen Namen, noch wusste ich woher er eigentlich kam. Mutter und er hielten oft geheime Gespräche, an denen ich nicht teilnehmen durfte. Dazu kam noch, dass er sich total vermummte wenn er zu uns kam, als würde er nicht wollen, dass jemand erfährt wohin er geht.

The lost guardian - Die verborgene WeltWo Geschichten leben. Entdecke jetzt