Kapitel 6

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"Kaffee?" Tom hielt eine Handmühle hoch und zog fragend eine Augenbraue nach oben. Adam, der an der Tür stand und sich weigerte die Küche zu betreten, schüttelte seinen Kopf. Mehrfach sah er zu der Kochinsel, hinter der sie in ihrem Blut lagen. Zwar konnte er die Leichen aus seinem Winkel nicht erblicken, aber dennoch sah er sie vor sich. Das kleine Mädchen, das über ihrem Bruder lag. Mit einer Wunde am Hinterkopf, die blonden Haare vom Blut verklebt. Er schloss seine Augen, in der Hoffnung, das grauenhafte Bild würde wieder verschwinden. Seine Fingernägel krallten sich krampfhaft in den weißen Türrahmen und er befürchtete jeden Moment ohnmächtig zu werden.

"Hey", hörte er Tom plötzlich rufen. Schnell öffnete er seine Augen und blickte zu Masterson, der drei Schritte machte und dann vor ihm stand.

"Sie müssen sich jetzt wieder fangen, Mr. Sawyer. Hören Sie auf sich wie ein Mädchen zu benehmen und setzen Sie sich in die Küche, verdammt nochmal."

Adam, dem eine Träne über die Wange rollte, schüttelte seinen Kopf. Er wollte und konnte diesen Raum nicht mehr betreten. Es hatte ihn eine Menge Kraft gekostet überhaupt in das Haus zurückzukehren.

"Hören Sie mir zu." Tom hielt Adam an seinen dunklen Haaren fest, zog daran und zwang ihn somit ihm in die Augen zu sehen. "Ein Team kann nur dann bestehen, wenn alle Mitglieder an einem Strang ziehen. Und Sie, Mr. Sawyer, ziehen auf der falschen Seite. Ich wäre Ihnen also äußerst dankbar, wenn Sie sich zusammenreißen und mich unterstützen. Das liegt mehr in Ihrem Interesse als in meinem."

Tom ließ ihn los und Adam stolperte zwei Schritte zurück. Seine Atmung hatte sich beschleunigt und er fuhr sich durch seine Haare.

Masterson, der wieder die Handkaffeemühle in den Händen hielt, fixierte ihn mit seinem Blick und deutete mit seinen Augen auf die vier weißen Stühle, die um die Kochinsel herum aufgestellt waren. Langsam und zögerlich setzte Adam einen Fuß vor den anderen und betrat dann den Raum. Die großzügige Küche wirkte mit einem Mal beengend, die Wände schienen ihn fast zu erdrücken.

Während Tom die Kaffeebohnen mahlte, zog sich Adam einen Stuhl heran und setzte sich. Sein gesamter Körper war angespannt, die Zähne presste er zusammen.

"Ich muss zugeben, dass Sie mit dieser Situation viel besser umgehen als Mr. Glover es getan hat."

Adam hob seinen Kopf und sah zu Tom.

"Der Ärmste tat mir schon fast leid und ich war ernsthaft besorgt."

Masterson grinste. "Spaß beiseite, er war schwach. Schwächer als Sie. Unglaublich, nicht wahr?"

Er legte eine Pause ein, dann fuhr er fort. "Und doch muss ich Ihnen gestehen, dass mich sein Tod irgendwie mitgenommen hat. Mr. Glover und ich waren drei Jahre lang ein Team. Wir mochten einander nicht besonders, er war ein Schwächling, der mich oft bei der Ausführung unserer Arbeit behinderte. Und ich.. sehen Sie mich an." Tom hob seine Arme und deutete mit den Augen auf seinen Körper. "Ich bin großartig, da kommt schon mal Neid auf."

Masterson zwinkerte und stellte eine Kanne auf den Gasherd. Adam runzelte seine Stirn, während er Tom beobachtete und stand auf. Langsam sah er sich in der Küche um, dann ging er zielstrebig zu dem großen Fenster. Ein kleiner Apfelbaum stand vor dem dunkelbraunen Holzzaun, der das Grundstück der Familie abgrenzte. Große grüne Äpfel hingen herunter, auch auf dem etwas zu hohen Rasen lagen sie verteilt.

"Was zur Hölle.." Adam drehte sich um und verließ das Haus mit großen Schritten. Er stemmte seine Arme in die Hüften als er auf der Veranda stand und fuhr sich dann überfordert durch die dunklen Haare. Adam schüttelte seinen Kopf. Seine Gedanken überschlugen sich und er stand wiederholt vor einem großen Rätsel, welches nur Tom für ihn lösen konnte. Langsam betrat er wieder das Haus und schleppte sich in die Küche.

AbyssesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt