Kapitel 5

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Adam atmete tief ein und öffnete seine Augen. Er blinzelte drei Mal und schloss sie wieder, als ihn ein grelles Licht, welches an der Decke über ihm angebracht war, blendete. Ein leises Stöhnen entwich ihm und er fasste sich an seinen Kopf, der unaufhörlich pochte. Langsam strich er mit einer Hand über den Teppichboden auf dem er lag und öffnete dabei erst sein rechtes Auge und dann das linke. Adam hob seinen Kopf leicht an und versuchte sich dann aufzusetzen, was ihm erst beim zweiten Anlauf gelang.

Sein Herz klopfte schneller und er blickte sich panisch in dem kleinen Raum um, in dem er aufgewacht war. Die starken Kopfschmerzen waren mit einem Mal fast verschwunden, stattdessen überkam ihn Übelkeit. Schnell stand er auf und sah sich in dem beengenden Zimmer um, das von der grellen, aber flackernden Deckenbeleuchtung erhellt wurde. Sein Blick war starr auf ein Bett gerichtet, das nur einen Schritt von ihm entfernt stand. Darauf verteilt waren unzählige Stofftiere, die alt und schmutzig aussahen. Eine Dachschräge verlief über dem Bett und ließ den ohnehin schon kleinen Raum noch enger wirken. Auf dem Boden lagen diverse Zeichnungen, die offensichtlich von einem Kind gemalt wurden. Langsam hob er eines der bemalten Blätter auf und warf einen kurzen Blick darauf. Sechs Menschen waren zu erkennen. Ein Mann, zwei Frauen, zwei Jungen und ein Mädchen. Gänsehaut überzog Adams gesamten Körper. Mit zitternden Händen ließ er die Zeichnung zurück auf den braunen, mit Flecken übersäten Teppichboden fallen und schüttelte seinen Kopf. Er wusste weder wo er war, noch wie er an diesen ihm unheimlichen Ort gekommen ist. Seufzend fuhr er sich durch seine Haare, drehte sich um und suchte nach einer Tür.

"Sind Sie nun fertig?"

Adam schrie auf, stolperte erschrocken zwei Schritte zurück und stieß sich seinen Kopf fest an der Dachschräge. Er sah eine dunkle Silhouette vor sich, die sich aus einem Stuhl erhob und langsam aus der Dunkelheit trat. Schwer atmend blickte Adam dem Mann ins Gesicht.

"Meine Güte, Mr. Sawyer. Wieso sind Sie denn bloß so schreckhaft?"

Tom grinste schief und lachte dann auf.

"Was ist hier los?", fragte Adam keuchend. Sein Herz schlug so schnell, dass er befürchtete, es würde ihm aus der Brust springen.

"Ich verstehe die Frage nicht", antwortete Masterson und steckte sich eine Zigarette in den Mund, ohne sie anzuzünden.

Adam verdrehte die Augen. "Wo sind wir hier?"

"In Arlington, Texas." Tom drehte sich um, zog den Holzstuhl, auf dem er gesessen hatte, in die Mitte des kleinen Raumes und setzte sich.

Adams Augen weiteten sich. "Texas?", fragte er vorsichtig. Masterson klatschte fest in seine Hände und Adam zuckte zusammen.

"Wundervoll, nicht wahr?" Tom lehnte sich in dem Stuhl zurück, schlug ein Bein über das andere und verschränkte seine Arme. "Steaks, Cowboys und Rodeo."

"Nicht Ihr Ernst, Tom."

Masterson nickte. "Dann eben kein Rodeo." Er zwinkerte und grinste breit.

"Das ist verrückt", erklärte Adam. "Sie sind verrückt. Ich werde jetzt gehen."

Tom stand nun wieder auf, ging zu der Tür und öffnete diese. "Gute Reise." Mit einer Handbewegung deutete er Adam zu gehen. Dieser trat hinaus und warf einen Blick nach rechts und links. Er stand in einem hellgelb gestrichenen Hausflur. An den Wänden hingen Bilderrahmen, die schwarz-weiß Fotos zeigten eine sechsköpfige Familie. Adam drehte sich zu Masterson um und blickte ihn fragend an.

"Wessen Haus ist das?"

"Üben Sie sich in Geduld, Mr. Sawyer."

Tom huschte an ihm vorbei und stellte sich vor die lange Holztreppe, die von der oberen Etage in die untere führte.

"Kommen Sie", winkte er Adam zu sich, der zögerlich folgte. Bei jedem Schritt knarrten die Stufen und Adam hielt immer wieder kurz inne. Er wusste nicht in wessen Haus er sich aufhielt und ob er womöglich unwissentlich ein Einbrecher war.

"Hören Sie mir nun gut zu", sagte Tom ernst, als sie die letzte Stufe überwunden hatten. "Was auch immer wir jetzt sehen sollten, Sie müssen mir versprechen, dass Sie die Fassung bewahren. Sie werden weder schreien, noch sich übergeben oder Ihr Bewusstsein verlieren. Sollte einer dieser Fälle dennoch eintreten, werde ich Sie ohrfeigen."

Adam zog eine Augenbraue hoch. Sein Herzschlag beschleunigte sich und er schluckte. Langsam und ängstlich nickte er.

"Dann los." Tom ging zielstrebig auf eine Tür zu, drehte sich noch einmal zu Adam um und öffnete sie. Er blickte über Masterson's Schulter und erkannte, dass es sich um die Küche handelte. Der große lichtdurchflutete Raum war gänzlich in weiß gehalten. Lediglich die Vorhänge, die seitlich vor einem breiten Fenster hingen, waren kirschrot. Sechs weiße Stühle waren um eine alte Kochinsel aufgestellt, die Atmosphäre wirkte warm und herzlich. Tom betrat den Raum als erster und sah sich suchend um. Adam tat das gleiche, obwohl er nicht wusste wonach er eigentlich suchte. Langsam schlichen sie um die Kochinsel, bis Masterson zum Stehen kam. Neugierig, aber ängstlich drängte er sich neben den deutlich größeren Tom und folgte seinem Blick.

Sein Magen verkrampfte sich plötzlich und er taumelte drei Schritte zurück. Seine Beine verloren an Kraft, weswegen er auf die Knie fiel und seine Hände über den Mund schlug. Adam hörte wie sich Masterson ihm näherte.

"Bleib mir weg, du Psychopath", sagte Adam leise und verstummte sofort wieder, als ihn die aufkommende Übelkeit fast übermannte. Auf seinen Knien rutschte er in die Richtung, in der sich die Tür befand und verließ die Küche. Er musste hinaus aus dem Haus, er brauchte frische Luft um wieder frei atmen zu können. Adam setzte sich auf die Veranda und lehnte sich gegen die schmutzige Hauswand. Alles um ihn herum drehte sich und bevor er es irgendwie verhindern konnte übergab er sich auf den Verandadielen.

Die grüne Haustür quietschte und Tom trat heraus. Wortlos beobachtete er Adam. Er wusste, dass in diesem Moment jedes Wort überflüssig war. Leise setzte er sich, wie Adam, auf den Boden. Auch an ihm war das schreckliche Bild, das sich ihnen geboten hatte, nicht spurlos vorübergegangen. Tom hatte vieles schon gesehen, dennoch war er noch nicht so abgehärtet, wie er es gerne gewesen wäre.

"Wieso haben Sie das getan?", fragte Adam, ehe seine Stimme versagte. Tränen liefen ihm über die Wangen und er schluchzte.

Tom dachte über eine Antwort nach. "Ich war es nicht", sagte er kurz und sah zu Adam, der seinen Kopf hob und zurückblickte.

"Ich wache in einem Haus in Texas auf, wohin Sie mich verschleppt haben. In einem Haus, in dem fünf Leichen übereinander liegen, als wären sie verdammte Kartoffelsäcke." Wieder verstummte er.

"Ich bin nicht der Mörder dieser Menschen, Mr. Sawyer. Sehen Sie mich an", verlangte er.

Zögernd blickte er Tom in die Augen.

"Sein Name ist Robert Jeff Clark. Das sechste Familienmitglied, das Familienoberhaupt, der Mörder seiner Mutter, seiner Ehefrau und seiner drei Kinder."

Adam schüttelte den Kopf. "Ich glaube Ihnen nicht, Tom."

Masterson nickte und stand auf. "Wie ich bereits gesagt habe, Mr. Sawyer. Wir sind von nun an ein Team. Fangen Sie an mir zu vertrauen."

Er öffnete die Haustür, ehe er eine Hand auf seiner Schulter spürte.

"Ich will Erklärungen, Tom. Ich will wissen was für ein Spiel hier gespielt wird."

Masterson lächelte. "Spiele sind etwas für Kinder."

AbyssesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt