Das Abendessen

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"Ach Tom, das ist doch nicht so schlimm! Außerdem ist das nicht deine Schuld." Der Brite neben mir strich sich nachdenklich übers Kinn.
"Schon, aber trotzdem. Ich wollte dich da nicht mit reinziehen... Die zerreißen alles und jeden, ohne jegliche Skrupel!", meinte er nun aufgebracht und federt vom einen Bein auf das andere und wieder zurück.
"Mach dir da mal keine Sorgen, ich bin hart im Nehmen!" Ich grinste breit. Meine Bemühungen schienen zu fruchten, denn nun konnte ich endlich wieder ein Lächeln auf seinen Lippen erkennen. 'Danke', sagte er stumm, woraufhin ich ihn wiederholt angrinste und dabei nickte.
"Nicht der Rede wert!"

Der Abend war schneller da als erwartet. Denn auch die Zeit schien deutlich zügiger zu vergehen als sonst. Tom und ich sprachen nochmal seinen Text für Infinity War durch, kochten zusammen Blumenkohlsuppe und machten sogar einen kleinen Spaziergang in einem nahegelegenen Park. Natürlich 'undercover'.

Ich war gerade dabei, meine Bluse zuzuknöpfen, als es an der Tür klopfte. Ich brachte mein Werk schnell zuende, schnappte mir meinen Blazer und schlenderte dann zur Tür. Und ich staunte echt nicht schlecht, als ich Tom sah. Die Wildlederjacke, das Hemd... Er sah absolut fantastisch aus. Auch er stieß einen anerkennenden Pfiff aus, was mich zum Lachen brachte.
"Du siehst wirklich fantastisch aus, Darling! Woher hast du nur diese Wahnsinnsklamotten?", frotzelte Prince Charming. Ich warf mir meine imaginären goldenen Löckchen über die Schulter und reckte die Nase in die Höhe.
"Tja, woher wohl?" Der eben noch so seriöse Tom kicherte wie ein kleines Kind und glaubt mir, es war wirklich ansteckend. Auf einmal klingelte es an der Tür.
"Ich geh' schon!", meinte ich sofort, quetschte mich an Tom vorbei und drückte ihm im Vorübergehen einen Kuss auf die Wange. Ich war, um ehrlich zu sein, ziemlich gespannt auf Toms besten Freund.

Mit Schwung öffnete ich die Tür und schenkte meinem Gegenüber zur Begrüßung ein breites Grinsen. Vor mir stand ein großer Kerl mit schwarzen Haaren, hohen Wangenknochen und geschwungenen Lippen, die gerade ebenfalls ein Lächeln zierte.
"Hey, du musst Corey sein! Ich bin Ben! Tom hat schon jede Menge von dir erzählt!", stellte er sich als erster vor und mir war sofort klar, dass wir beiden gut miteinander auskommen würden. Mit einem Nicken bestätigte ich meine Identität.
"Die Einzigwahre! Freut mich, dich kennenzulernen Ben! Komm rein!"
Höfflich wartete ich, bis er seine Schuhe ausgezogen hatte und folgte ihm dann ins Wohnzimmer, wo Tom in herzlich begrüßte. Selbst ein Blinder hätte gesehen, dass die beiden ohne Zweifel beste Freunde waren.
"Wartet ihr noch einen Moment, ich muss noch schnell was erledigen?", sagte Tom, nachdem die beiden die Umarmung wieder gelöst hatten und verschwand dann. Ich bot seinem Freund einen Platz neben mir auf der Couch an, welchen er auch prompt besetzte.
"So... Normalerweise würde ich ja fragen, wie ihr zwei euch kennengelernt habt, aber Tom hat mir schon alles erzählt. Er konnte sich gar nicht bremsen, wenn es um dich ging, wie ein Wasserfall hat der Kerl geredet!", sagte Ben auf einmal und grinste mich von der Seite an.
Kaum hatte der letzte Seite seine Lippen verlassen spürte ich, wie meine Ohren ganz heiß wurden. Verlegen biss ich mir auf die Unterlippe und zupfte an meiner Bluse herum.
"Ach echt?", nuschelte ich leise.
"Aber sowasvon, ich war schon total eifersüchtig!" Ben lachte und stupste mir gegen die Schulter. Empört schubste ich zurück, konnte mir aber ein Lächeln nicht verkneifen. Im selben Moment kam Tom zurück, mit einem breiten Grinsen im Gesicht.
"Können wir?", fragte er und er klang, wie so oft schon, wie ein kleiner Junge. Sein Kumpel und ich nickten fast synchron und zu dritt verließen wir Toms - und nun auch meine - Behausung. Ich staunte nicht schlecht, als ich einen schicken, schwarzen Sportwagen neben dem Bordstein parken sah und kam nicht umhin zu vermuten, dass er Ben gehörte. Meine Vermutung bestätigte sich, als er es mit seinem Autoschlüssel öffnete und mir dann ganz gentlemen-like die Hintertür offen hielt.

Tom

Seit ich Ben von Corey vorgeschwärmt hatte, hatte er sich nicht davon abbringen lassen, die Rolle des Wingman zu übernehmen.
"Denkst du echt, dass das was bringt?", schrieb ich ihm und fuhr mir durch die Haare. Nur wenige Sekunden später antwortete er mit: "Glaub mir, ich weiß was ich tue! :)" geantwortet. Ich beschloss ihm bei der Sache zu vertrauen, obwohl sich mir die Bedeutung des Smileys noch nicht ganz erschlossen hatte. Aber was konnte schon Schlimmes passieren, außer, dass Corey Wind von unserem 'Plan' bekommt und mich dann für einen durchgeknallten Spinner hält.
Es klingelte an der Tür und ich wusste, dass es ab jetzt in die heiße Phase ging.
"Ich geh' schon!", sagte die Braunhaarige sofort, drängelte sich an mir vorbei und drückte mir einen Kuss auf die Wange. Unwillkürlich musste ich lächeln und als ich ihre und Bens Stimme an der Tür hörte, strich ich mir kurz mit der Hand über die Wange. Ihre Schritte kamen näher und kaum war Ben in Sichtweite umarmten wir uns.
"Ab ins Nebenzimmer!", flüsterte er mir auf einmal ins Ohr. Ich war etwas verwirrt und hatte keine Ahnung, was er vorhatte doch ich beschloss, ihm zu vertrauen und verabschiedete mich mit der Ausrede, ich müsse noch etwas holen. Dann verschwand ich, wie Ben es angeordnet hatte, im Nebenzimmer.

Corey

Erfürchtig strich ich über die schwarzen Ledersitze von Bens Auto, die so wahnsinnig edel aussahen. Ich zuckte kurz zusammen, als Ben den Motor startete, woraufhin die beiden Männer kicherten.
"Ey! Nicht lustig!", maulte ich, was die beiden nur noch mehr zum lachen brachte. Es war Jahre her, dass ich das letzte Mal in einem Auto gesessen hatte.
Ja, damals...

Meiner Mutter liefen Tränen über die Wangen. Sie schluchzte auf und klammerte sich noch mehr an das zerschlissene Hemd meines Vaters. Ich schluckte schwer und umarmte sie ein letztes Mal. Dann lief ich mit großen Schritten zu dem Lastwagen. 'Firma spedycyjna Kamiński' stand in Großbuchstaben auf der Seite. Der Fahrer, ein ungepflegter Kerl Anfang 50, lehnte an der Fahrerkabine, rauchte und zählte sein Geld. Er sah mich nicht an, nickte nur mit seinem Kopf zur Seite. Ich holte tief Luft, lief nach hinten und kletterte auf die Ladefläche. Hier drinnen war es kalt, und es roch muffig, doch wenigstens war ich hier vor dem Wind geschützt. Nervös sah ich mich um. Dann, in einer schummrig beleuchteten Ecke entdeckte ich endlich das, was ich gesucht hatte. Schnell schob ich die Spanholzplatte zur Seite. Zum Vorschein kam ein kleiner Hohlraum. In ihm lagen eine dünne Decke und eine Taschenlampe; mehr nicht.
Meinen Rucksack warf ich als erstes hinein, dann kletterte ich hinterher. Es war ungemütlich und es roch nach Diesel. Wenige Sekunden, nachdem ich die Spanholzplatte wieder an ihren Platz gebracht hatte hörte ich, wie die Türen des Lasters zugeschlagen wurden. Dann startete der Motor.

Heavens tearsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt