Die Entscheidung

111 7 0
                                    

Das erste, was ich bemerkte, war der verführerische Duft von Pancakes. Lächelnd stand ich auf und zog mich an. So könnte mein Tag jetzt öfter starten, dachte ich mir im Gehen.
Tom stand hinter dem Küchentresen und schwenkte gekonnt die Pfanne mit unserem Frühstück darin. Als er mich bemerkte drehte er sich um und grinste breit.
"Guten Morgen Corey! Gut geschlafen?", fragte er freundlich und tat einen der Pancakes auf den Teller mit den anderen. Ich nickte, lächelte und stellte mich neben ihn.
"Mmh...! Das riecht toll! Hoffentlich schmeckt es genauso gut, wie es aussieht!" Der Braunhaarige kicherte, was sich sehr süß anhörte. Wie ein kleiner Junge.
"Ich kann dir zu 100 % versichern, dass sie das tun!"

"Tom, du hattest recht. Diese Pancakes..." Ich machte eine bedeutungsvolle Pause und faltet die Hände. "... sind das BESTE, was ich jemals gegessen habe!" Seit meinem ersten Wort hatte er wissend gegrinst, denn er wusste ganz genau, was kommen würde.
"Das freut mich zu hören! Willst du noch einen Kaffee?", fragte er höflich, was ich jedoch noch höflicher verneinte. Dann wusste keiner von uns mehr, was er sagen sollte.
Eine belegte Stille machte sich breit. Ich hatte keine Ahnung, wie es für mich jetzt weitergehen sollte. Sollte ich einfach meinen Sachen packen, mich verabschieden und wieder meine Tage und Nächte auf der Straße fristen? Oder sollte ich erstmal bei ihm bleiben, aber trotzdem weiter Straßenmusik machen? Oder -
"Über was zerbrichst du dir gerade den Kopf? Ich sehe doch, das irgendwas nicht stimmt!" Er lächelte sanft, fügte dann aber noch schnell ein: "Also nur, wenn du darüber reden willst!" an. Nachdenklich fasste ich mir erst an die Stirn und strich mir dann über die Lippen. Irritiert bemerkte ich dabei Toms Blick auf mir, doch ich ging nicht weiter darauf ein.
"Naja, ich... Ich weiß einfach nicht, was ich jetzt machen soll. Ob ich meine Sachen packen soll und wieder auf der Straße - ..."
"Kommt nicht in Frage!", unterbrach mich Tom und sah mich entsetzt an. Überrascht blinzelte ich. Er presste die Lippen aufeinander und legte vorsichtig seine Hand auf meine.
"Corey, ich kann das nicht zulassen. Ich werde das auch nicht zulassen. Corey, du hast so viel mehr verdient als einen Schlafplatz hinter einem U-Bahn Schalter... Vielleicht denkst du, dass du eine Last für mich bist, aber das stimmt nicht. Du kannst solange bei mir bleiben wie du willst, wirklich..." Mein Gegenüber lächelte mir aufmunternd zu.
Ich sog scharf die Luft ein, währenddessen sich ein dicker Kloß in meinem Hals bildete. Dabei spürte ich, wie sich Tränen in meinen Augen sammelten. Es brannte.

Tom

Sie atmete tief durch und vergrub ihr Gesicht in ihren Händen.
Ein leises, gedämpftes Schluchzen füllte den Raum.
"Du weißt doch gar nicht, wer ich bin... Ich könnte eine Verbre- ich könnte sonst wer sein, dich nur ausnutzen wollen und du? Du bist so nett zu mir und - ..." Sie unterbrach sich selbst durch einen weiteren Schluchzer, wobei sie ihren Kopf hob und mich ansah. Ihre braunen Augen waren verquollen und über ihre rosigen Wangen liefen dicke Tränen. Es tat weh, sie so zu sehen. Doch sie wischte sich schnell über die Wangen, als sie die Sorge in meinem Blick bemerkte. Trotz allem sah sie noch immer wunderschön aus.
"Sie mich nicht so an!", sagte sie auf einmal trotzig und drehte den Kopf zur Seite. Ihre Arme verschränkte sie vor ihrer Brust. Unwillkürlich musste ich schmunzeln, versteckte es jedoch schnell hinter meiner Hand.
"Was grinst du so?", fragte sie misstrauisch, doch auch ihre Mundwinkel zuckten leicht nach oben.
"Tom, das ist nicht lustig!"
Ich räusperte mich und lächelte sie  vorsichtig an.
"Tut mir leid Corey, wirklich. Aber wie du grad die Arme verschränkt und geschmollt hast, das war wirklich süß..." Erst als ich Corey's erstaunten Blick bemerkte wurde mir klar, was ich gerade gesagt hatte. Peinlich berührt stand ich auf, um ihr ein paar Taschentücher zu holen, als sie auf einmal anfing zu kichern.
"Du bist so ein Idiot!", brachte sie zwischen einigen Lachern hervor und wischte sich die restlichen Tränen von ihren Wangen. Grinsend warf ich ihr die Taschentücher zu, welche sie sogar fing. Dann fischte sie eines heraus, drehte sich zur Seite und putzte sich lautstark die Nase. Während sie das tat, schnappte ich mir schonmal unsere Teller und brachte sie in die Küche. Dabei beobachtete ich die Braunhaarige aus dem Augenwinkel.
Sie sah, um es völlig unverblümt zu sagen, ziemlich verheult aus, doch das war ja auch nicht weiter verwunderlich. Als sie meinen Blick bemerkte, zog sie erst eine Augenbraue hoch und streckte mir dann die Zunge raus. Ich musste lachen. Nachdem ich das Geschirr im Geschirrspüler einquartiert hatte ging ich wieder zu Corey.
"Also Mrs. Heesters, werden sie mir weiterhin in meiner beschaulichen Wohnung Gesellschaft leisten?", fragte ich gerade heraus, obwohl ich trotzdem ein wenig Angst vor ihrer Antwort hatte. Doch als sie vorsichtig lächelte und mir mit ihrem Nicken ihr Einverständnis signalisierte, waren meine Sorgen verschwunden.
"Aber eine Bedingung hätte ich trotzdem."

Corey

"Meinst du, das steht mir?", fragte ich Tom, der wie aus der Pistole geschossen mit "Ja!" antwortete. Ich musste lachen und verschwand wieder in der Umkleide, wo ich den Blazer, das Hemd und die schicke Hose wieder gegen 'meine' normalen Klamotten tauschte. Tom und ich hatten ausgemacht, dass ich mir einen Job suchen musste, damit er nicht auf allen Kosten alleine sitzen bleiben würde. Außerdem hatte der Brite darauf bestanden, mit mir Anziehsachen kaufen zu gehen. Denn im Großen und Ganzen besaß ich ja so gut wie nichts. Ich hatte zugestimmt, aber nur unter der Bedingung, ihm später alles zurückzuzahlen. Nach 20 Minuten Diskussion gab er es jedoch auf, mich von meinem Vorhaben abzubringen und stimmte - widerwillig - zu.

Zwei Minuten später stellten wir uns in die ewig lange Schlange vor der Kasse. Tom trug einen dicken Schal um den Hals, der auch die untere Hälfte seines Gesichtes verdeckte. Er hatte sich in den letzten Tagen eine leichte Erkältung eingefangen, doch trotzdem hatte er darauf bestanden, mich heute zum Shoppen zu schleifen.
"Guten Tag!", begrüßte uns die Kassiererin freundlich und fing an, die ganzen Klamotten über den Scanner zu ziehen. Ich wollte einen Blick auf die Preisanzeige werfen, doch Tom verdeckte sie absichtlich und verwehrte mir so den Betrag, um den ich seinen Geldbeutel gerade erleichert hatte.
"Das wären dann bitte 78.94 £."

Heavens tearsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt