Die Wohnung

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Ich nickte. Wenn auch etwas zögerlich.

Wir liefen schweigend nebeneinander her. Mittlerweile war es dunkel und auch eiskalt geworden, sodass ich meine nicht gerade warme Jacke enger um mich schlang. Doch wir waren nicht lange diesen Umständen ausgesetzt, denn schon nach wenigen Minuten waren wir an seiner Wohnung angekommen.
Schnell öffnete er die Tür und ließ mich eintreten. Ich musste schmunzeln. Typisch britischer Gentleman eben.
Zugegeben, ich war etwas eingeschüchtert von der Vorstellung, dass ich gerade zum ersten Mal seit Jahren jemandes Wohnung betrat, nachdem ich solange unter freiem Himmel übernachtet hatte.
Schnell zog ich wie Tom meine Schuhe aus und folgte ihm in sein Wohnzimmer.
Sofort fiel mir seine große, luxuriöse Ledercouch auf, einfach, weil sie so herrlich gemütlich aussah.
"Setz' dich ruhig!", rief Tom mir zu. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass er mittlerweile hinter einer modernen Küchenzeile verschwunden war und Wasser aufgesetzt hatte.
Doch ich setzte mich nicht. Ich wollte sein Eigentum nicht mit meinem Straßendreck beschmutzen. Kurz darauf kam Tom mit zwei Tassen wieder, deren Inhalt vor sich hindampfte. Natürlich bemerkte er, wie eingeschüchtert und überfordert ich von der ganzen Situation war.
Er stellte die Tassen ab und schenkte mir ein warmes Lächeln.
"Wenn du willst, kannst du in der Zeit, in der ich uns was zu Essen machen, mal schnell unter die Dusche springen. Ich müsste noch ein paar Sachen von meiner Schwester da haben, die sollten dir passen."
'Ja genau, geh einfach mal bei nem' fremden Kerl duschen!', geisterte es mir durch den Kopf. Mit einer Handbewegung, als würde ich jemandem eine scheuern, verscheuchte ich den Gedanken. Vielleicht war ich einfach bloß gutgläubig, aber Tom schien mir nicht wie ein schlechter Mensch. Also nahm ich sein Angebot dankend an.

Als ich das Wasser ausstellte, fühlte ich mich wie neu geboren. Ich hatte mich jetzt bestimmt ein halbe Stunde gewaschen, um den Dreck der Straße von mir runter zu bekommen und sah zu einhundert Prozent wie eine schrumpelige kleine Rosine aus. Doch das war es mir allemal wert.
So schnell es mir nur möglich war - ohne auszurutschen versteht sich - zog ich mir alle Sachen über, die Tom mir zur Verfügung gestellt hatte.
Unterwäsche, eine schwarze Jogginghose und ein rotes T-Shirt, auf dem 'Just chillin' ' stand. Darüber trug ich einen grauen Sweater, der dem Anschein nach meinem Gastgeber gehörte.
Meine Haare waren binnen kürzester Zeit trocken und so konnte ich nun wieder zu Tom.
Kaum hatte ich das Bad verlassen entdeckte den freudestrahlenden Tom, der mit jeweils zwei Tellern und Tassen vor sich auf mich am Esstisch wartete.
"Perfektes Timing!", meinte er, als ich Platz nahm. "Bin gerade fertig geworden! Und wie fühlst du dich?" Er nahm einen Schluck aus seiner Tasse. Ich lächelte breit.
"Danke Tom, ich fühl mich echt wie neu geboren! Sowas nettes hat noch nie jemand für mich gemacht...", antwortete ich und wurde gegen Ende leiser, wobei ich dem Blick meines Gegenübers auswich.
Ich hörte, wie er seine Tasse abstellte, als das feine Porzellan aufeinander traf.
Er seufzte.
"Na dann wars ja jetzt allerhöchste Zeit! Komm, lass uns was essen, sonst wirds kalt!", sagte er auf einmal freundlich. Ich blickte wieder auf und ihm direkt in die Augen, in denen ich so viel Wohlwollen erkannte wie bei sonst niemandem, den ich bisher getroffen hatte. Keine Spur von Mitleid, wie es bei allen anderen immer der Fall war.
Dafür war ich ihm sehr dankbar.
Also nickte ich, um meine Zustimmung zu symbolisieren.

Das Essen war köstlich. Mein ungebildeter Gaumen war bis jetzt nur in den Genuss von trockenem Toastbrot, Wasser, und an guten Tagen auch mal von Fish n' Chips gekommen. Doch das hier war echt zu schön um wahr zu sein.
Während ich as, bemerkte ich aus dem Augenwinkel wie Tom mich beobachtete.
Ich war kurz davor ihn zu fragen, ob ich was im Gesicht hatte, ließ es dann aber bleiben.
Als auch ich fertig aufgegessen hatte stand ich auf, schnappte mir unser Geschirr und wollte es zur Spüle bringen, doch Tom hielt mich am Arm fest.
"Warte, du musst doch nicht..."
Ich drehte mich wieder zu ihm.
"Aber Tom, du hast doch schon so viel für mich getan! Ich möchte mich nur etwas erkenntlich zeigen, mehr nicht!", sagte ich und lächelte sanft. Tom tat es mir gleich, seufzte aber kurz auf.
"Also gut. Aber ich habe auch eine Spülmaschine, nur so zur Info."
"Ist ja gut du Angeber, ich habs ja verstanden!", flachste ich.

Nachdem ich auch das erledigt hatte, war ich ehrlich etwas überfordert. Weder was ich sagen noch was ich tun sollte, ich wusste es nicht. Und auch das Tom nicht mehr in meiner Sichtweite war machte es nicht wirklich weiter.
"Tom?", fragte ich unsicher. Keine Antwort. Auf einmal spürte ich warmen Atem auf meiner Haut und wirbelte herum. Tom stand direkt hinter mir. Er hatte sich umgezogen, trug nun eine bequeme Jogginghose und ein einfaches T-Shirt; in seiner Hand hielt er ein dickes Buch.
"Tut mir leid, ich wollte dich nicht erschrecken!", meinte er grinsend, woraufhin ich ihn nun schon zum zweiten Mal an diesem Tag gegen den Arm boxte.
"Das seh ich!" Gespielt beleidigt zog ich einen Schmollmund und verschränkte die Arme.
"Au!", frotzelte Tom betont theatralisch und rieb sich die Stelle, an der ich ihn getroffen hatte. Doch Mister Heulsuse hatte sich keine zwei Sekunden wieder auf wundersame Weise erholt und wedelte mir mit seinem dicken Wälzer vor dem Gesicht rum.
"Ich wollte es mir ein bisschen gemütlich machen und dabei meinen Text lernen. Willst du mir Gesellschaft leisten Corey?"

Wenige Minuten später hatten wir es uns auf der Couch mit jeweils einer Tasse Earl Grey und Tom mit seinem Drehbuch bequem gemacht.
Netterweise hatte er für mich den Fernseher angemacht, jedoch ohne Ton, sodass er sich besser konzentrieren konnte.
Allerdings fand ich die Flimmerkiste nicht halb so interessant wie den hochkonzentrierten Tom, der sich stirnrunzelnd über seinen dicken Schinken hermachte.
"Alles in Ordnung?", fragte ich neugierig, nachdem ich schon langsam Angst darum haben musste, ob sein Gesicht nicht schon ein einziger großer Krampf geworden war. Mein Gegenüber zuckte kurz zusammen und sah dann auf.
"Ich... Also... Naja, ich weiß nicht wirklich, wie ich den Teil hier - ..."
Er hielt mir das Drehbuch hin und zeigte auf die Stelle. "... wie ich das hier sprechen soll...", vollendete er seinen Satz und sah mich an. Ich nahm ihm das Buch aus der Hand und überflog die par Zeilen Dialog, mit denen Tom gerade zu kämpfen hatte.
"Wollen wirs' mal zusammen durchsprechn'?"

Heyy, ich bins mal wieder. Wollte mal n AN hinterlassen, und hier isses. Ich wollte nur anmerken, dass es echt nett wäre wenn ihr, wenn euch die Geschichte gefällt, einen Vote oder einen netten Kommentar da lasst :) ein frohes neues Jahr euch!

Heavens tearsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt