Kapitel 3

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Wie jeden Morgen klingelt Punkt Sechs Uhr der Wecker. Wie jeden Morgen sind Jonas und mein Vater schneller als ich und haben bereits für das Frühstück gedeckt, bevor ich komme. Früh aufstehen ist definitiv nicht meine Stärke. Meine bevorzugte Zeit ist die Nacht. Dann wenn alle schlafen, bin ich erst richtig wach. Ich kann ungestört lernen, Filme schauen und andere Sachen machen.

"Guten Morgen Jan! Tee?" Mir ist ein Rätsel, wie Menschen es schaffen in aller Herrgottsfrühe so überschwänglich zu sein. Ich nicke bloß und mein Vater stellt mir eine Tasse Schwarzen Tee hin. Anders als viele Menschen verabscheue ich Kaffee, ich finde er schmeckt einfach nur widerlich. Ich dagegen bin ein großer Tee-Fan und probiere regel-mäßig neue Teesorten aus, die ich beim Teeladen kaufe. Ganz besonders gefällt mir der Schwarze Tee Orange-Krokant. Es gibt nur einen einzigen Kaffee den ich trinke. Es ist der billige Discounter-Cappuchino mit Milchpulver. Obwohl dieser schon unglaubliche Mengen Zucker enthält, werfe ich immer drei bis vier Zuckerwürfel hinterher und gieße zusätzlich Milch dazu, dann erst ist er genießbar.

Gegen 7:30 müssen wir los zur Uni. Im Flur wartet Lina schon auf uns. Obwohl sie auch keine besonders große Frühaufsteherin ist, ist sie stets gut gelaunt. Wenigstens ein Licht-blick zu früher Stunde. Leider gießt es heute in Strömen, weshalb wir nicht mit dem Fahrrad fahren können. Bei sonnigem Wetter veranstalten wir sonst immer ein Wettrennen über die Zufahrtsstraße zum Campus. Lina und Jonas liegen stets Nase an Nase vorne. Heute müssen wir aber auf das Auto umsteigen.

Man sollte meinen in München gäbe es überall Anbindung an den Öffentlichen Nahverkehr, aber in unserem Fall liegt die Haltestelle des Busses zwei Blocks weiter und hat kein Dach. Zu allem Überfluss fährt der Bus auch nicht direkt zur Uni, weshalb wir zusätzlich laufen müssten.

In der Tiefgarage ist es zugig. Das ist es an normalen Tagen zwar auch, doch heute weht ein stürmischer Wind und pfeift durch die Lüftungsschlitze. Mein Wagen steht nah am Eingang. Manchmal frage ich mich, was andere Menschen von meinem Autogeschmack wohl halten mögen. Als ich 18 wurde, suchte ich lange Zeit vergeblich nach einem Auto. Ich wollte eigentlich einen praktischen unauffälligen Kombi. Dann aber stieß ich auf diese Anzeige und hatte mich augenblicklich entschieden. Trotz des Alters von 10 Jahren und der Proteste meines Vaters, der den Wagen als Prollauto bezeichnete, kaufte ich ihn. Mit der mächtigen Dieselmaschine ist der schwarze Wagen ein Wolf im Kombi-Schafspelz. Ausgestattet mit Klimaautomatik, Ledersitzen, Luftfederung, Tempomat und Automatikgetriebe lässt sich mit ihm jede Last mit gediegener Leichtigkeit bewegen.

Ich hatte erwartet die Innenstadt sei mit Autos verstopft, das ist München eigentlich jeden Tag, doch angesichts dieses Wetters überlegen sich viele sicherlich zweimal, ob sie wirklich den Bus nehmen sollten. Glücklicherweise kenne ich einige Schleichwege und lotse uns um die großen Staus herum. In einer Seitenstraße ist ein Gully übergelaufen und bildet eine riesige Pfütze auf der Fahrbahn. Für den Wagen stellt sie allerdings kein Hindernis da. Die Automatik schaltet noch nicht einmal runter, als der Wagen in die Pfütze rauscht. Lediglich die Reifen werden mit den Wassermassen die sie verdrängen müssen nicht fertig, der Wagen kommt ins Schwimmen. Automatisch schaltet sich die Anti-Schlupf-Regelung ein und verhindert ein Durchdrehen der Räder. Ein kurzer Tritt aufs Gaspedal, ein kehliges Knurren und das große Dieselaggregat manövriert den Wagen dank Allradantrieb sicher aus der Pfütze hinaus.

"Gewagtes Manöver! Respekt!", kommentiert Lina meine mutige Fahrweise.

"No Risk, no fun!", gebe ich zurück.

Ich weiß ja, dass du auf große Autos und Regen stehst, aber so kenne ich dich gar nicht. Wir lachen. Der Psychologenteil meines Hirns schaltet sich an und analysiert die Aussage. Lina hat vollkommen Recht. Ich stehe auf Regen. Seine graue und eintönige Gleichmäßigkeit ist für mich sehr beruhigend. Was die großen Autos angeht, bin ich mir nicht sicher. Es ist schon richtig. Mein Audi ist zweifelsohne ein auffälliger Wagen, aber auch die einzige Nobelkarosse die ich mag. Meine anderen Favoriten sind eher unauffällig. Warum ich ausgerechnet auf diesen Wagen gekommen bin ist mir in vieler Hinsicht immer noch schleierhaft.

Long WayWo Geschichten leben. Entdecke jetzt