Eine weitere Vision

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Es war schon sehr dunkel, ich spazierte durch den Wald.
Wieso ich das tat...? Irgendetwas trieb mich dorthin. Ich hatte niemandem bescheid gesagt, ich war einfach gegangen. Ich folgte meinem Gefühl und spürte die frische Brise des Windes bis zu meinen Haarwurzeln. Ich schloss kurz die Augen und seufzte glücklich. Wie schön der Wald zu dieser Zeit war... Die Blätter raschelten leise und tanzten zart von den Ästen herunter an mir vorbei. Ich schlich lautlos durch den Wald und lief zu einem kleinen Flussbett, das silbern schimmerndes Wasser leitete. Ich setzte mich auf einen grauen Stein und schaute auf die glitzernde Oberfläche, streckte schließlich einen Finger vor, um sie zu durchbrechen.
In dem Moment sah ich ein Spiegelbild. Direkt über mir. Es war ein Wolf!!! Sein riesiger Körper machte mir Angst und als ich seine scharfen Zähne sah, wollte ich rennen. Ich kroch langsam ein paar Schritte weiter nach hinten, weg von ihm. Normalerweise sollte man seinem Feind ja nicht in die Augen sehen, und trotzdem konnte ich einen kurzen Blick nicht unterdrücken. Ich verlor mich in seinem tiefen, traurigen Blick. Es sah aus, als würde er weinen, seine Lider hingen tief, obwohl er seine silbern schimmernden Augen weit geöffnet hatte. Anstatt mich anzugreifen, setzte er sich hin und sah mich mit schiefem Kopf, etwas neugierig an. Ich stand dort wie angewurzelt. Das Bedürfnis, zu rennen, weg von diesem gefährlichen Ort, war auf einmal ausgelöscht.
In dem Moment geschah es. Ich sah dieses Funkeln in seinen Augen. Nicht irgendein Funkeln. Es war etwas vertrautes. Ich kannte diese Augen! Ich hatte sie schon einmal gesehen, allerdings wusste ich nicht genau wo und wann. Ich grübelte weiter, doch das half nicht. Er machte mich mit einem klitzekleinen, fast unbemerkbaren Schwanzschnippen auf das Wasser aufmerksam. Dieses hatte eine merkwürdige Gestalt angenommen. Es floss in einem kleinen Wasserstrudel. Ich schaute genauer hin. Das Wasser floss so wild und doch einheitlich... Es erinnerte mich an lange, dünne Haare, die durch den Wind zerzaust wurden. Ich schaute den Wolf wortlos an. Sein Blick wurde immer herzerreißender. Ich blickte zurück zum Wasser, doch die Wassersträhnen waren verschwunden. Sie versanken in dem ruhig fließenden, leise glucksendem Wasser.
Ich grub verzweifelt im Wasser nach den Strähnen, doch sie sanken immer tiefer. Ich rutschte ab und fiel in das unberechenbare Nass. Es war kein normaler Fluss. Er verschlang mich regelrecht! Ich versuchte krampfhaft, mich aus der plötzlich so starken Strömung zu retten, aber meine Arme lösten sich von selbst von den Steinen am Flussbett, obwohl ich noch genug Kraft hatte, um mich herauszuziehen.
Der Wolf saß noch immer auf der kleinen Lichtung und verblasste allmählich, sein Blick so unbeholfen und schmerzerfüllt. Das eiskalte Wasser durchweichte meine Kleidung und ich schnappte krampfhaft nach Luft.
Ich:"Hilfeeee!"
Das Wasser grummelte und gurgelte nur so in meinen Lungen und ich fühlte langsam, wie ich starb.
,,Denke stets über deine Taten nach,sei stets aufmerksam und wach..."

Auf einmal öffnete ich die Augen.
Ich hatte große Atemnot und setzte mich erst einmal auf. Nicolae saß neben mir, ein besorgtes Gesicht. Er hielt einen feuchten Lappen in der Hand.
Nicolae:"Elena! Du bist endlich wach!"
Ich röchelte noch immer.
Ich:"Ich hatte eine Vision!"
Nicolae:"Noch eine?"
Ich atmete schnell und flach.
Nicolae:"Beruhige dich erst einmal!!!"
Ich:"Nein, ich muss es dir erzählen, sonst verschwindet sie wieder!"
Nic wollte mir wiedersprechen, doch ich redete einfach los und erzählte ihm alles... Dann schlief ich tief ein.

Ich fand mich in einem unbekannten Raum wieder.
Vorsichtig öffnete ich die Augen und sah Nicolae.
Ich:"W-Was ist passiert?"
Nicolae fiel mir um den Hals.
Nicolae:"Du lebst!!!"
Ich:"Wieso sollte ich auch nicht leben?"
Nicolae:"Es stand in den Sternen, ob du jemals wieder aufwachen würdest, weißt du..."
Ich:"Was ist denn passiert?"
Nicolae schaute mich ernst an.
Nicolae:"Elena... Erinnerst du dich nicht mehr an deine Worte?"
Ich:"Was für Worte?"
In dem Moment bemerkte ich eine Frau rechts neben mir. Sie war etwas älter, sah aber sehr weise aus.
Nicolae:"Es ist schon wieder passiert."
Frau:"Es wird Zeit, das Bartholy Geheimnis endlich zu lüften..."
Ich:"Könnte mich Mal bitte jemand aufklären! Und wieso habe ich solche Kopfschmerzen?"
Nicolae:"Schatz... Seit einem halben Jahr hast du diese starken Visionen aber kurz nachdem du mir davon erzählst verlierst du immer das Bewusstsein und wenn du wieder aufwachst, kannst du dich an nichts erinnern!"
Ich:"Wie lange habe ich geschlafen?"
Frau:"Genau 29 Tage, 12 Stunden und 44 Minuten..."
Nicolae:"Es war uns klar, dass du heute wieder aufwachst. Denn heute ist der 29. Tag. Das ist das letzte halbe Jahr fast jeden Monat so gewesen."
Ich:"Wie bitte?"
Ich schluckte.
Ich:"Ich kann mich an gar nichts erinnern!"
Nicolae küsste mich sanft und versuchte mich zu beruhigen.

Nicolae:"Wir haben einige Visionen aufgezeichnet, wir sind nahe dran, mehr zu erfahren."
Ich:"Das kann doch nicht der Sinn meines Lebens sein!"
Ich umarmte ihn und weinte. Nicolae streichelte mir beruhigend über den Rücken.
Ich:"Bitte... Bitte mach, dass es aufhört!"

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Na, habt ihr schon ein paar Vorahnungen, was hier passiert? Schreibt's gerne in die Kommis!

Nicolae BartholyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt