Kapitel 73

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Tessa

Etwa eine Stunde später werden wir von überall her mit der typischen Weihnachtsmusik beschallt. Der Weihnachtsmarkt ist in diesem Jahr so groß wie in den vergangenen, doch dieses Mal kommt mir alles viel besser vor. Als hätte dieser Markt noch mehr an Zauber gewonnen.

Kaum kann ich meinen Blick von den Ständen lösen und Elijah muss mich immer mitziehen, damit ich nicht stundenlang beim Lebkuchen stehen bleibe.

Bei den gebrannten Mandeln kann ich allerdings nicht an mich halten und zerquetsche Elijahs Hand fast. "Aua", beschwert er sich, doch ich ziehe ihn einfach mit mir, bis wir an dem Stand angekommen sind. Dort stelle ich mich in eine bereits entstandene Schlage und sehe der Verkäuferin gespannt bei der Arbeit zu. "Warum hast du mir nicht gesagt, dass du so ein krasser Weihnachtsmarkt Fan bist", tadelt er mich, kann sich ein Grinsen aber nicht verkneifen. "Warum? Weil du dann nicht mitgekommen wärst?", nun sehe ich ihn doch an und betrachte ihn schmunzelnd.

Er hat sich einen grauen Schal umgelegt, der ihm irgendwie merkwürdig gut steht, und ist in eine schwarze Winterjacke geschlüpft, bevor wir losgegangen sind. Seine Handschuhe hat er allerdings vergessen. Dass das ein Fehler war, merkt er aber mit der Zeit auch, da sich seine Finger bereits leicht rot färben.

Nachdem er mir die Wahrheit über meine Gefühle im Bezug auf meinen Vater entlockt hat, hatte ich erst Angst, dass er sich über mich lustig machen würde. Doch er hat mich einfach in den Arm genommen und das hat viel mehr getan als tausend Worte. Außerdem hat das Gespräch mein Vertrauen zu ihm nur noch mehr gestärkt. Mit meiner Mutter oder den meisten meiner Freundinnen – eigentlich allen außer Jil – hätte ich niemals so ehrlich darüber reden können.

Zwar hätte ich im letzten Jahr nie damit gerechnet, dass er jemals ein Vertrauter von mir werden würde. Andererseits hätte ich aber auch nie daran gedacht mich in ihn verlieben zu können. Aber Wunder existieren wohl wirklich noch.

Mit einer Handbewegung bedeutet mir meine Mom, dass Cole und sie schon mal weiter gehen wollen und ich nicke. Die beiden müssen ja nicht die ganze Zeit auf uns warten. Dazu habe ich schließlich Elijah bereits verpflichtet und außerdem herrscht, seitdem ich meiner Mutter sagt habe, dass etwas zwischen Elijah und mir läuft, eisige Stimmung zwischen uns.

"Richtig erkannt. Ich steh nicht auf Schlangen", trotzdem ist ihm seine gute Laune noch anzusehen. "Ach echt, ich steh auf Schlangen", ich schenke ihm ein dreckiges Grinsen. Von ihm kassiere ich dafür erst nur einen Augenroller, doch dann beugt er zu meinem Ohr herunter und flüstert: "Ja, und besonders auf meine."

Zeit um zu antworten hat er nicht mehr, da ich in diesem Moment dran bin. Ich teile der Verkäuferin meine Bestellung mit und sie beginnt diese augenblicklich zu bearbeiten. Bei dem Anblick der Mandeln läuft mir regelrecht das Wasser im Mund zusammen und ich nehme die fertige Tüte wenige Sekunden später entgegen. Dabei lächele ich wie ein kleines Kind, das seine Lieblingssüßigkeiten zum ersten Mal seit Jahren wieder Essen darf. Schnell reiche ich ihr einen fünf Dollar scheint und bitte sie den Rest zu behalten.

Dann gehe ich zu Elijah zurück, der ein wenig abseits auf mich gewartet hat. Ich schlinge einen Arm um ihn und schaue dann zu ihm nach oben: "Möchtest du eine Mandel?" Er kneift die Augen kurz zusammen, zuckt dann aber mit den Schultern: "Keine Ahnung, schmecken sie denn gut?" Ich lege den Kopf verwundert schief: "Hast du etwa noch nie welche gegessen?" Als er verneinend den Kopf schüttelt, klappt meine Kinnlade hinunter und ich starre ihn für einige Sekunden ungläubig an.

"Ja, wenn das so ist, wird es langsam mal Zeit", ich ziehe eine Mandel heraus und halte sie ihm vor den Mund. Er rollt zwar mit den Augen, öffnet dann aber ergiebig den Mund, sodass ich ihn mit der kleinen Süßigkeit füttern kann.

Er beginnt mit einem forschenden Blick zu kauen und wirkt dabei so als würde er jedes einzelne Aroma besonders stark auskosten wollen. "Und?", frage ich vorsichtig. Langsam schluckt er die zerkauten Reste hinunter und presst die Lippen dann für einige Sekunden fest aufeinander. Kaum kann ich meinen Blick abwenden, so gespannt bin ich auf seine Antwort.

"Schmeckt ganz gut", das scheint allerdings deutlich untertrieben zu sein, da er seine Hand dieses Mal selbst in meine Tüte steckt und eine ganze Hand voll Mandeln stibitzt. "Aha", ich sehe ich grinsend an. Die Tatsache, dass ihm mein Essen so gut schmeckt, ist irgendwie schön. Wahrscheinlich liegt es nicht an der Tatsache, dass es sich um Essen handelt – obwohl Essen echt großartig ist -, sondern viel eher daran, dass es schön ist immer wieder Gemeinsamkeiten zwischen uns zu finden.

"Und? Gibt es etwas, was schon oft auf einem Weihnachtsmarkt gesehen, aber noch nie probiert hast?", dreht er nun den Spieß um. Ich spüre, wie ich rot werde. "So peinlich?", fragt er sofort verwundert. Ich nicke: "Ja, schon ziemlich." "Jetzt machst du mich aber neugierig", er nimmt meine Hand in seine und zieht mich mit sich durch die Masse der New Yorker, die sich auf dem Markt tummeln: "Was ist es?" "Ich sage es dir, wenn du versprichst nicht zu lachen", ich starre fest auf den Boden. Dadurch entgeht mir sein enthusiastisches Nicken und ich vernehme lediglich seine Antwort: "Natürlich, nicht. Was wäre ich denn für ein mieses Arschloch, wenn ich sowas machen würde."

Ich sehe ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an und schenke ihm einen zweifelnden Blick. Schließlich war er in der Vergangenheit ein ziemliches Arschloch. Auch er scheint zu merken, dass er sich mit dieser Aussage gerade ins Knie geschossen hat: "Okay, vergiss das bitte wieder."

Zustimmend nicke ich: "Also, es gibt tatsächlich nur eine Sache, die ich bisher noch nie probiert habe. Warum ich es noch nie gemacht habe, ist mir nicht klar, aber ich habe es noch nie." "Jetzt mach es nicht so spannend", drängt er mich. "Es ist Kakao", platzt es mir heraus. "Wow", er sieht mich mit schiefem Blick an: "Dann sollten wir uns auf schnellstem Weg zum Getränkestand begeben." "Okay", stimme ich zu und folge ihm.

Den Weg nutze ich allerdings, um ein Thema anzusprechen, das mich schon länger beschäftigt: "Sag mal, schenken wir uns eigentlich was zu Weihnachten?" "Wenn ja, wäre es eigentlich zu spät dafür, aber ich bekomme es noch irgendwie hin, wenn dir das wichtig ist", sagt er schnell. "Beruhig dich", ich küsse ihn sanft auf die Wange: "Ich wäre nämlich dafür, dass wir uns nichts schenken und stattdessen einfach schöne Sachen zusammen machen." "Das klingt gut", er haucht mir einen Kuss auf die Stirn: "Ich liebe dich." "Ich dich auch", erwidere ich sofort, während wir uns gemeinsam am Getränkestand anstellen. Schon jetzt ist mir klar, dass die Feiertage nur großartig werden können. 


East Kids - Tessa & Elijah | ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt