Kapitel 2

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Unter anderen Umständen hätte ich gelacht. Ich hätte mich selber ausgelacht, wie man das eben so tut, wenn man sich in einer bescheuerten, aber ungefährlichen Situation befindet. Ich hätte mich vom kurzen Schock erholt, angefangen, in die Erde hineinzulachen und mich schließlich auf den Rücken gerollt, um herzhaft weiterzulachen. Aufgestanden wäre ich erst eine ganze Weile später, wenn ich mich wieder eingekriegt hätte, und selbst dann wäre ich noch kichernd weitergelaufen.
Und zugegeben, es ist wirklich sehr komisch, wenn man mit dem Gesicht voran flach in den Dreck fällt. Wirklich. Wie gesagt, unter anderen Umständen...
Nur, die Sache ist die, dass ich eine kalte, harte Hand auf meinem Rücken spüre, die mich mit einer enormen Kraft und festem Druck auf den Boden presst und mir nicht erlaubt, auch nur an ein Aufstehen zu denken. Und eine zweite, ebenso kalte und harte Hand drückt meinen Kopf nach unten.
Meine Augen können kein Licht mehr wahrnehmen, ich sehe im wahrsten Sinne des Wortes schwarz. Ich beginne zu zappeln, oder versuche es zumindest, denn das Ergebnis fällt, dank der unbarmherzigen Hand, eher kläglich aus. Die anfänglich noch starke Angst erweitert sich durch diese bedrohliche Ausweglosigkeit der Situation zu einer heftigen Panik; hustend und spuckend versuche ich, die kühle Erde in meinem Mund loszuwerden, doch dies wirkt sich eher kontraproduktiv aus und führt dazu, dass ich noch mehr Dreck verschlucke.
Dies wiederum führt nicht zu einer Linderung meiner Aufregung. Meine Hilfeschreie, die meine Stimmbänder eigentlich produzieren wollten, verlassen meine Lippen aufgrund der ganzen Erde nur als unverständliche Laute, doch selbst wenn ich frei hätte sprechen können, mich hätte sowieso keiner gehört. Zumindest keiner, der mir geholfen hätte.
Ich bekomme immer weniger Luft, spüre mich am Rande einer Ohnmacht. Obwohl ich noch nie bewusstlos geworden bin (ich erinnere mich zumindest nicht mehr daran) , merke ich, dass ich mich an dem Punkt befinde, der die Grenze zwischen dem Wachen und dem Zustand, in dem man in einem unergründbaren Jenseits ist, markiert. Gerade, als ich mich ergeben und neben mir stehend für diesen Übertritt wappne, werde ich von der satanischen Hand am Kragen in die Höhe gezogen.
Schwach baumele ich in der Luft, während mich die Hand umdreht und mich ihrem Meister präsentiert. Ich blicke schielend und schwach in die zusammengekniffenen, bedrohlich musternden dunklen Augen, im Augenblick noch nicht fähig zu irgendeiner Reaktion oder einem Gedanken, nicht einmal in der Lage, zu identifizieren, ob die Person männlich oder weiblich ist; alles, was ich sehe, sind diese Augen, die mich anstarren.
Wörter prasseln auf mich ein, ich habe noch keine Chance, sie richtig zu verstehen, geschweige denn auf sie zu antworten, ich nehme sie lediglich als dumpfe Laute zu Kenntnis.
Das scheint die Hand zu ärgern. Sie schüttelt mich wie ein Spielzeug im Maul eines Hundes, schüttelt und schüttelt....
Schwärze.

-

Zum zweiten Mal an diesem Tag wache ich auf. Nur dieses Mal stürzen die Erinnerungen auf mich ein. Es ist wie eine Rückblende meines gesamten Lebens-nur dass dieses Leben allein aus den Ereignissen des heutigen Tages besteht. Ich erwache also mit einem scharfen Atemzug und richte mich mit meinem Oberkörper auf.
Wieder liege ich auf dem Boden, diesmal im saftigen, grünen Gras, und ich frage mich, ob ich diesem Albtraum jemals entfliehen kann oder ob ich jedes Mal nach einem schlimmen Ereignis auf dem Boden liegend aufwache. Und obwohl es "erst" das zweite Mal ist, habe ich davon schon die Nase voll.
Mir ist schwindelig, und so bleibe ich vorerst nur sitzen. Meine Ohren registrieren ein Gespräch, und nachdem ich mich darauf konzentriere, verstehe ich auch das Gesprochene.

"...im Alleingang?! Du hast solche Vorfälle zuerst deinem Alpha zu melden! Was hast du dir dabei gedacht, du kleingeistiger Idiot!"

"Aber... Sie... Sie hätte vom Ministerium kommen können... "

Es folgte das Geräusch einer starken Ohrfeige und ein dumpfer Aufprall, gefolgt von einem leisen Wimmern.

"Ein noch nicht erwachsenes Mädchen beim Ministerium?!"

27 DaysWo Geschichten leben. Entdecke jetzt