1 - Ein stinknormaler Mittwoch

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Es war ein nebeliger Morgen im dicht bebauten New York, Manhattan. Die Sonne stieg langsam hinter den riesigen Wolkenkratzern hervor und spiegelte sich in den zahlreichen Scheiben der Bürogebäude und erzeugte dadurch ein breites Glitzern in den Straßen, auf welchen langsam aber sicher die strömenden Mengen an Menschen zunahmen. In einer dieser Menschenmengen lief ein junger Mann. Er war etwa zwanzig Jahre alt, vielleicht etwas älter. Mit seinen 1.95m stach sein Kopf mit seinen dunklen Haaren aus dem Trubel heraus und suchte nach dem nächsten Straßenschild. Rechts unter seinem Arm hatte er eine schwarze, lederne Umhängetasche. Er hielt diese Tasche zusätzlich mit einer Hand am Griff fest, sodass sie ihm nicht in diesem Strom vom Körper gerissen werden konnte.

Es wurde grün und er überquerte die Straße, umgeben von dutzenden Menschen. Es war 6:48, jeder war auf dem Weg zur Arbeit, genau wie James. Er bog nach links in eine schmale Gasse ein, um seinen Weg zur Arbeit etwas abzukürzen. Kaum hatte er die Gasse durchquert, bog er nach rechts ab und lief dort in die Bank rein. „Guten Morgen, Mister Litero!", grüßte ihn die Dame am Empfang. „Einen schönen guten Morgen wünsche ich Ihnen, Miss Sawyer!", antwortete James und lief lächelnd an der Dame vorbei. Miss Sawyer war bereits Ende 70 und damit technisch reif für die Rente. Ihre Arbeit und die Menschen in der Bank waren ihr aber zu sehr ans Herz gewachsen, um ihren Job zu kündigen. Da sie noch immer alle an sie gestellten Ansprüche erfüllte sah der Bankleiter auch keinen Grund, um Miss Sawyer zu kündigen.

„Ding!", machte der Fahrstuhl und die Tür öffnete sich und James schritt heraus. Sein Büro lag im siebten Stock des insgesamt 52 Stockwerke hohen Bank-Gebäudes. Sein Büro hatte eine große Fensterseite, von der aus er den unter ihm vorbeifahrenden Straßenverkehr beobachten konnte. Eine ältere Dame lief gerade über die Straße, jedoch war sie zu langsam, um vor grün die Straße überquert zu haben. Einem Autofahrer konnte es nicht schnell genug gehen und er wollte hinter der Dame vorbeifahren, drängte dabei aber das Auto neben ihm in den Gegenverkehr und es kam zu einem Unfall. „Ein Glück, dass sie gerade erst losgefahren sind und sie nicht schon etwas schneller unterwegs waren.", dachte James und setzte sich an seinen Schreibtisch. Sein Schreibtisch war vom Fenster weggedreht, da er sonst viel zu oft von den Geschehnissen auf der Straße abgelenkt werden würde.

Er öffnete seine Tasche und holte seinen Laptop heraus, legte diesen auf den Tisch und klappte ihn auf und startete ihn. Prinzipiell könnte er seine Arbeit auch daheim erledigen, jedoch musste er minimal 3 Tage pro Woche im Büro arbeiten. James arbeitete also Montag bis Mittwoch im Büro, arbeitete daraufhin am Donnerstag zuhause ganze 16 Stunden, sodass er sich Freitag immer frei nehmen konnte und sein Wochenende damit um einen Tag verlängerte. In der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag fuhr James immer zu seinem kleinen Haus in High Breeze. High Breeze ist ein kleines, familiäres Dorf inmitten eines Waldes, welches etwa 90 Kilometer von James' Appartement in Manhattan entfernt liegt. Nachts war der Verkehr in New York angenehm ruhig, sodass James es innerhalb einer Stunde schaffte, um nach High Breeze zu gelangen.

Die Uhr schlug 12 und leitete damit die Mittagspause ein. Wie gewohnt begab James sich ins dritte Stockwerk, wo eine der insgesamt 8 Kantinen des Gebäudes war. Heute entschied er sich für zwei Schokoladen-Croissants, ein belegtes Brötchen mit Thunfisch, Tomaten, Gurken und Salat, sowie eine Flasche Orangensaft. Er setzte sich auf seinen Stuhl, rollte mit diesem ans Fenster und aß und trank sein Mittagessen vor dem großen Fenster, sein Blick irrte wie gewohnt draußen umher. Der Nebel hatte sich gelichtet, die Sonne hatte sich deutlich weiter nach oben bewegt und in der Stadt brach der Mittags-Trubel aus. Gegenüber befand sich eine Shopping-Mall. Aus ihr liefen zwei junge Damen mit jeweils drei prall gefüllten Taschen heraus. „Wer das wohl für die beiden bezahlen mag.", dachte James und runzelte die Stirn.

Er hatte selbst mal eine Freundin gehabt, jedoch nahm die Beziehung kein gutes Ende. Nach insgesamt drei Jahren stellte sich heraus, dass sie ihn von Anfang an mit jemandem betrogen hatte und nur auf James' Geld aus war. Er hatte sogar für sie das besagte Haus in High Breeze gekauft, sodass sie nicht auch unter dem Stress der Stadt leiden musste. Nun nutzte er es als privaten Zufluchtsort. Das Haus war geräumig, schon eher eine kleine Villa. Es war bewusst so groß gewählt, weil er mit seiner damaligen Freundin von Kindern träumte. Dieser Traum war jetzt jedoch wieder weiter entfernt, als je zuvor. James schob das letzte Stück seines Brötchens in den Mund und griff direkt nach dem Croissant. Er wollte nicht zu viel Zeit mit dem Essen verschwenden und lieber weiterarbeiten.

James arbeitete in der Bank als Investor. Er kaufte und verkaufte täglich also zahlreiche Häuser und Grundstücke, wobei er hierbei viel Gewinn schöpfte. Er zählte zu einem der Top-Investoren seiner Bank und hatte sich so also in weniger als sechs Jahren die er nun schon bei der Bank arbeitete den Weg vom Auszubildenden bis zur Spitze hinter sich gelegt. Ein höheres Ziel als Top-Investor zu sein hatte er sich am Beginn seiner Karriere nicht gesetzt und wollte es auch jetzt nicht tun. Er war voll und ganz zufrieden mit seinem Leben. Drei Tage im Büro, einen Tag noch im Garten an frischer Waldluft arbeiten und danach erst mal drei Tage entspannen, im Wald spazieren, mit Nachbarn grillen oder auch mal eine Unternehmung mit Freunden starten.

Er trank den Rest aus seiner Flasche Orangensaft und setzte sich wieder an den Laptop. 12:30, perfektes Timing. Seine Schicht heute ging bis 18:00. James arbeitete aber dank seiner Motivation und einem Fünkchen Talent besonders schnell, weshalb er meistens schon zwischen 17:00 und 17:30 nach Hause gehen durfte. Eine Villa in Florida, großes Grundstück, sieben Schlafzimmer, drei Bäder, Pool, Heimkino im Keller, ... und das für nur 3.500.000$. Die Villa war hier und dort nur minimal heruntergekommen, aber nichts, was von Grund auf erneuert werden müsste. Blick aufs Meer, Palmen im Garten, Garage für vier Autos. Gekauft!

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