Berlin

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D R E I

Es dauerte einige Stunden, bis wir in Berlin ankamen. Der Bahnhof war überwältigend - zumindestens das, was ich gesehen hatte. Die Männer und Hauptmann Schwarz hatten es anscheinend eilig, denn vom Zug aus ging es gerade wegs zu zwei parkenden Fahrzeugen. Diese mussten wohl auf unsere Ankunft gewartet haben. Die Soldaten kamen nicht mit, dafür hatten sie nicht den erforderlichen Dienstgrad und waren abgesehen davon, einfach zu viele, als das wir sie hätten mitnehmen können. So blieben neben meiner Wenigkeit nur noch der Hauptmann und Jemand, der eine Art Berater für ihn zu sein scheint.

Während der Fahrt durch Berlin erübrigte sich mir eine Frage: ,,Und wo genau soll ich befragt werden?". Hauptmann Schwarz blickte auf. ,,Ah, da spricht da das kleine Vögelchen, " grinst er und sah hinüber zu seinem Begleiter, ,,der Mann hier ist Untersturmführer Heinrich Röthke. Er wird sich darum kümmern, dass das Verfahren gegen sie glatt und ohne Probleme läuft.".

Dieser Name kam mir bekannt vor. Auch beim näheren Ansehen des jungen Mannes neben mir, bekam ich ein flaues Gefühl im Magen.  Am Zielort angekommen, wurde ich auch direkt wieder von Soldaten ins Gebäude begleitet. Wir gingen unzählige Treppen hinauf und die Gänge schienen endlos zu sein, bis wir  vor einer großen Holztür stehen blieben. Auf dem dort befestigten Metallschildchen stand folgendes:
Kriminaloberassistent - Wilhelm Jäger.
Was dies genau bedeutete, wusste ich nicht. Und auch erst recht nicht, was auf mich zu kam.

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Einanhalb Stunden saß ich nun hier im Büro, wo dieser Wilhelm Jäger mit mir sprechen wollte. Jedoch ist der besagte Herr kein einziges Mal hier aufgetaucht. Ich hoffte, dass dies kein schlechtes Zeichen war. Nervös zupfte ich an einem losen Faden meines Mantels. Das Ticken der Uhr machte mich fast wahnsinnig und erinnerte mich gleichzeitig an die Hütte, wo ich vor zwei Tagen bei Saul aufgewacht war. Plötzlich wurde die Tür aufgerissen und mit lauten Schritten kamen Personen herrein. Zwei davon kannte ich. Hauptmann Schwarz und Röthke. Der dritte Mann setzte sich hinter den großen Schreibtisch gegenüber von mir. Das musste dieser Kriminaloberassistent sein. ,,So, dann wollen wir die Dame nicht noch länger warten lassen, hm?", lächelte mich Herr Jäger fast schon freundlich an, ,,Also, kommen wir zur Sache. Ihr Name ist?". Ich erinnerte mich an den Namen, den Saul mir gab.
,,Anna...Ich heiße Anna."
,,Und weiter?"
,,Winter."
,,Gut, Frau Winter. Woher kommen sie?"
,,Äh... Wilhelmshaven. Die Hafenstadt."
Wilhelm Jäger zog die Augenbrauen zusammen. ,,Und dann sind sie von dort aus ganz in den Osten gekommen? Allein?".  Ich hatte ein schlechtes Gefühl, wie das Gespräch seinen Verlauf nahm. Er hinterfragte meine so spontan ausgedachte Geschichte so akribisch, dass ich verdammt aufpassen musste, was ich denn da erzählte. Er schrieb Einiges auf und nach einer gefühlten Ewigkeit, war das Gespräch - was mehr einem Verhör ähnelte - beendet. ,,Das wars dann auch schon wieder, Frau Winter. Wir drücken nochmal ein Auge zu und...nächstes mal verlieren sie ihre Papiere nicht. Bitte schön, gehen sie damit zur Stadtverwaltung und lassen sich einen neuen Arierausweis ausstellen.".

Ich glaube, ich habe noch nie so viel an einem Tag gelogen. Mein Name war jetzt Anna Winter, ich komme gebürtig aus Bremen und bin nach Wilhelmshaven gezogen. Von dort aus sollte es eigentlich Richtung Dresden gehen, doch irgendwie kam ich vom Weg ab. Natürlich fragten sie mich auch, was ich mit "dem Juden", also Saul, zu tun hatte. Ich tischte ihnen eine Geschichte auf, die ihre Gedanken bezüglich Juden bestätigte. Im Inneren tat es mir weh, Saul als Täter dar zustellen, der mich einfach angefallen und niedergeschlagen hatte. Nach dem Gespräch wurde ich wieder aus dem Gebäude geführt. Draußen wurde es windig, der kalte Novemberwind zog sich durch jede Naht meiner Kleidung. Aber wo sollte ich hin? Meiner eigenen Sicherheit wegen, sollte ich als erstes zur Stadtverwaltung.

Es war bereits dunkel, als ich an dem Gebäude der Verwaltung ankam. An der großen Uhr, die knapp unter dem Dach hing, standen die Zeiger auf halb sieben. Ich ging zur Tür, wollte hineingehen, aber diese war verschlossen. Verdammt. Der Wind wurde nicht weniger und die breite Türzage bot keinen Schutz. Jetzt war ich aufgeschmissen. Was sollte ich nur tun?















Wieder ein sehr kurzes Kapitel, aber dafür kommt eventuell heute noch eine kleine Charakter Vorstellung von:  Anna Winter, Hauptmann Schwarz, Heinrich Röthke und Wilhelm Jäger.

Ah, noch was ganz Wichtiges, bevor ich es vergesse!
Es geht um die Dienstgrade.

Beispiel: Hauptmann Schwarz ist ebenfalls bei der Gestapo. Sein Dienstgrad - was man halt heute als Hauptmann oder Oberleutnant bezeichnen könnte - ist eigentlich Kriminalinspektor oder Kriminalrat. Aber um da keine Verwirrung zu stiften, versuche ich so "einfach" wie möglich zu bleiben. Außerdem klingt "Hauptmann" einfach cooler als Kriminalinspektor xD

Im Feuer der ZeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt