perfect

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„Die liebe Frau Kersten holt uns doch erst am Bahnhof in Dresden ab, oder?" Verwirrt blickte ich in die Runde. Unsere Klasse sollte heute ein Konzert in Dresden besuchen. Thema war das Sinfonieorchester und seine Bestandteile, die wir uns heute live und in Farbe genauer ansehen sollten. Meine Klassenlehrerin, Frau Kersten, war unsere Begleitung, die in Dresden wohnte und uns deshalb erst dort antreffen wollte.
„Ich denke schon, die hat sicher einfach keine Lust extra hier her zukommen.." Paul, mein bester Freund konnte sie, wie eigentlich unsere gesamte Klasse, nicht unbedingt gut leiden. Ihre aufgesetzte Art ging uns ziemlich auf die Nerven.
„Guten Morgen!" , sprach plötzlich jemand hinter uns. Wie? Sie war doch gekommen? „Einen wunderschönen guten Morgen!" antwortete ich ihr prompt, meine Standardbegrüssung.. Sie ging ohne ein Wort an mir vorbei und begrüßte einzig und allein Sina noch einmal persönlich. Sina meint zwar, sie könne Frau Kersten ebensowenig leiden wie wir, jedoch hing sie ihr wie eine Klette am Bein und schleimte sich ein, wo es nur ging.
10 Minuten später saß der gesamte Kurs im Zug. Anna,Sarah,Paul und ich teilten uns einen Viersitzer. Neben uns nahmen Frau Kersten und Sina Platz und der Rest verteilte sich im restlichen Abteil.
„Oh, zu uns möchte sich wohl keiner setzen.." , meinte Frau Kersten mit traurigem Unterton, den sie jedoch mit einem Lächeln zu verstecken versuchte.
Irgendwie tat sie mir leid, aber das konnte ich vor meinen Freunden schlecht zeigen.
Stillschweigend stöpselte ich mir meine Kopfhörer in die Ohren und lauschte der Melancholie meiner Lieblingsplaylist.
Ich hatte das Gefühl beobachtet zu werden. Fragend sah ich mich um und blickte verwirrt die mich anstarrende Frau Kersten an. Sina laberte sie gerade zu, aber sie schien sie völlig ausgeblendet zu haben.
Ich sah einfach weg und lauschte weiterhin meiner Musik.
In Dresden angekommen begaben wir uns schleunigst in Richtung des Konzertsaals,in welchem das Konzert stattfinden sollte.
Wir waren spät dran und kamen deshalb als letzte Gruppe im Konzertsaal an.
Frau Kersten hielt links neben sich den Platz für Sina frei, während Anna und ich rechts von ihr Platz nahmen.
Das Konzert an sich war wirklich wunderschön. Zwischendurch haben wir mit geklatscht, alle, nur nicht Frau Kersten. Die Arme verschränkt und den Blick stur vor sich gerichtet, sass sie da,  bis sie sich irgendwann dazu durchrang auch mitzumachen. Anfangs klatschte sie im falschem Rhythmus mit bis sie es wieder aufgab und Sina irgendwas zuflüsterte..
Als es dann irgendwann zu Ende ging, verliessen wir als letzte den Saal.
„Ich gehe nur kurz auf Toilette, dann können wir zurück zum Bahnhof!", sagte Frau Kersten und zeigte auf die Toilettentür hinter sich.
Wartend stellte ich fest, dass ich lieber auch nochmal gehen sollte und begab mich ebenfalls zu den Toiletten.
Ein leises Seufzen drang aus eine der Kabinen. Sie war nicht verschlossen,jedoch war ich mir unsicher was ich tun sollte. Zögernd stiess ich die Tür etwas auf und sah nur den roten Lockenkopf meiner Lehrerin.
„Frau Kersten?" fragte ich vorsichtig. Sie sah nicht auf, hatte die Knie nah an sich gezogen und umschlang diese mit ihren Armen.
Ich ging in die Hocke und legte tröstend meine Hand auf ihr Knie.
„Kann ich irgendwas tun?" Sie sah auf. Ihre Augen sprachen Bände.. Diese tiefblauen Augen hatten einen leichten Glanz und man sah tiefe Betrübnis.
Wortlos setzte ich mich zu ihr auf den Boden und nahm ihre Hand.
„Was auch immer es ist, es tut mir leid.. Alles was meine Freunde, der Kurs und auch ich gesagt haben, tut mir leid. Sie sind ein toller Mensch und eine super Lehrerin!" Ich lächelte sie ehrlich an.
„Es wurde mir einfach alles zu viel.. Die Blicke, ihr und die Stimme die mir sagt, dass ich eine Versagerin bin.. Ich..ich kann das einfach alles nicht mehr." Tränen liefen ihr über die Wangen, ihr Make-up war verschmiert. Sie wirkte wie ein Häufchen Elend, so wie sie da auf dem Boden kauerte.
„Wollen Sie damit sagen, sie haben Depressionen?" Besorgt sah ich sie an.
Leise nickend wandte sie ihren Blick wieder ab.
Ich drehte ihren Kopf wieder zu mir, sah ihr tief in die Augen und schloss meine Arme um sie. Sie tat mir einfach nur leid.
„Das wusste ich nicht...Sie sind sonst so ein fröhlich wirkender Mensch." Ich liess mich wieder zurücksinken und nahm ihre Hand wieder in meine. Nachdenklich betrachtete ich diese. Hatte sie ihren Ehering abgelegt? Der sonst stark schimmernde Ring an ihrer rechten Hand fehlte wirklich.
„Darf ich Sie etwas fragen? Etwas persönliches?" Sie nickte.
„Hat Ihre Depression auch etwas mit ihrer Familie zu tun.. mit ihrem Mann?"
Zögerlich suchte ich ihren Blick.
„Exmann..." Sie wimmerte woraufhin ich ihre Hand drückte.
„Alles wird gut. Ich weiss nicht was vorgefallen ist, aber vertrauen Sie mir. Wir kriegen das schon hin." Ich schenkte ihr ein zuversichtliches Lächeln.
„Was auch immer vorgefallen ist, ihr Exmann verpasst etwas! Eine so hübsche, talentierte Frau gehen zu lassen.. das wird er bereuen!"
Sie lächelte. Ja, sie mag ein wenig verrückt sein, auch etwas verpeilt. Alles was ich bisher von ihr dachte, ist Geschichte. Das was ich heute, hier auf dem Boden dieser Toilette über sie gelernt habe, verändert alles!
„Du bist süss.." Verlegen wandte sie den Kopf zur Seite.
Ihr schönes Profil kam zum Vorschein, die langen geschwungenen Wimpern, die ihre Augen so verführerisch wirken liessen, die zarten rosa Wangen.. ihre vollen Lippen, die ein kleines Lächeln zeichneten.. und die lockigen, fuchsroten Haare. Sie war einfach wunderschön.
Sie sah mich wieder an und instinktiv küsste ich sie.
Etwas perplex erwiderte sie ihn, zog mich näher an sich heran.
Wir richteten uns auf und ich drängte sie an die Kabinenwand hinter ihr. Meine linke Hand umfassten ihren Hinterkopf, meine rechte ihre zarte Hüfte.
Ich spürte ihre verschränkt in meinem Nacken.
Dieser Kuss war himmlisch, weshalb ich glücklich, aber auch etwas enttäuscht nachgab, sobald uns die Luft ausging.
„Oh mein Gott.", war alles was sie sagte.
„Oh mein Gott", war alles was ich antworte.
Wir lächelten uns an, ich wischte ihr die letzte Träne aus dem Gesicht bevor wir uns wieder hinaus zum Rest des Kurses begaben und den Heimweg antraten.

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Okay, diese Story ist die Weiterführung eines Erlebnisses mit meinem teachercrush die so sicher nie geendet wäre haha.

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