Zweiundfünzig // Am allertiefsten Punkt meines Lebens

46 2 2
                                    

Am Flughafen von Amsterdam standen wir drei draußen. Beide haben mir mehrmals angeboten, dass sie mich mitnehmen würden. Aber aus irgendeinem Grund wollte ich mit dem Taxi alleine nach Hause. Das Problem bei mir ist nämlich immer, dass ich nie anderen zur Last fallen möchte, wenn ich selbst mal ein Problem habe. Dabei sehnte sich mein Inneres Ich nur nach Robberst Nähe und nach Martijns beruhigende Worte. "Also gut, hör zu, ich komme dich heute Abend besuchen. Komm erstmal in Ruhe zuhause an, ok?", sagte dann Robbert zu mir, als er bemerkte, dass sich sein schickes Taxi näherte. "Alles klar", gab ich kurz und knapp wieder und er drückte mir einen liebevollen Kuss auf die Stirn.

Dann drehte ich mich zu Martijn um und schaute ihn nichtssagend an. "Ich habe mit ihm geredet Jackie", sagte er. "Er hat seine Gründe, wieso er dir nichts sagte davon." Ich nickte und schaute gen Boden. "Und er wusste wirklich sein fast gesamtes Leben über, dass er eine Tochter hat?", hakte ich nach, allerdings sehr kühl. "Er meinte, es wäre immer zu deinem eigenen Schutz gewesen, er wollte dich nicht in der Öffentlichkeit haben, da es sonst zu gefährlich für dein Leben gewesen wäre und es immens beeinflusst hätte." Ich wurde wütend, denn das begründete noch lange nicht alles. "Martijn, bitte hör auf mir das zu erzählen, sonst bin ich wütend auf dich, obwohl ich eigentlich wütend auf Tiesto sein sollte", sagte ich dann.

Ich umarmte ihn dann, so fest ich konnte. Manchmal machten Gesten doch mehr aus, als es Worte taten. "Jackie, noch eins. Er ist unheimlich stolz auf dich und auf das was du alles geschafft hast. Er liebt dich." Den letzten Satz nahm ich einfach so hin und kommentierte ihn nicht. Ich gab Martijn einen Kuss auf die Wange und stieg in das Taxi ein, was schon bereit stand.

Einerseits war ich heilfroh, dass ich diesmal nicht im Taxi saß und Kummer hatte wegen Robbert, nein diesmal hatte ich Kummer wegen meinem Vater. Ob das eine Steigerung oder Senkung des Kummers ist, wusste ich allerdings nicht.

Zuhause angekommen stellte ich mir erst auf den Balkon, die Sonne war schon auf ihrer Laufbahn um unter zu gehen. Ich musste einfach mal tief durchatmen, denn ab jetzt hatte ich unglaubliche Angst. Vor meiner Zukunft, sie wirkte so wirr. Tomorrowland war diesmal unbeschreiblich, denn ich bin nun endlich ein bekannter DJ. Ich würde jetzt mithilfe von Antonio und Revealed Records weiter aufstreben und mir immer anschauen, wie er seine Augen verdrehte.

Dann seufzte ich und ging wieder rein, schließlich musste mein Koffer noch ausgepackt werden und ich wollte das noch abends erledigen.


„I am feeling like I am a lost soul swimming in a fish bowl."


Als ich schon fast alles ausgeräumt hatte und mir meine Festival Klamotten vor Augen hielt, klingelte es.

Schlimme Berfürchtungen breiteten sich in mir aus. Also quasi stieg Panik in mir auf, dass vielleicht Tiesto vor der Tür stand. Ich wüsste gar nicht, wie ich handeln sollte.
Zögerlich öffnete ich meine Wohnungstür und wurde sofort nach hinten geschubst.

Kein Tiesto, kein Martijn, nein es war Robbert.
Doch nicht der Robbert der mich gestern liebevoll im Arm tröstete oder der mir einen sanften Kuss auf die Stirn gab, sondern ein Robbert, der völlig in Rage ist.

Er stürmte so wütend in meine Wohnung, dass ich gar nicht wusste, was er wollte. Nach „Ich schau später noch mal nach dir" sah es jedenfalls nicht aus.

„Wieso?", fragte er laut, während er auf und ab lief. „Wieso was?", hakte ich nach. Da platzte ihm aber scheinbar sofort der Gedulsfaden. Wütend baute er sich vor mir auf. „WIE KONNTEST DU MIT MARTIJN SCHLAFEN VERDAMMT?"

Ab diesem Punkt, spürte ich wie alles in mir nachließ. Das durfte nicht sein, wieso wurde mein zufriedenstellendes Leben mit einem mal so zerstört. Ich konnte gar nicht antworten, wo geschockt war ich.

„ANTWORTE MIR DOCH MAL VERFLUCHT. TREUE HAST DU NOCH NIE GEHÖRT! UND AUCH NOCH MIT MEINEM BESTEN FREUND!"

Alles strömte wie Luft an mir vorbei. Es tat mir leid, es war nie Absicht. Es war alles so schwer für mich, immer das Richtige zu tun.

Tränen liefen still meinen Wangen herab, als wären sie in Zeitlupe versetzt. Antworten konnte ich nicht, er schrie und schrie, schmiss irgendwas zu Boden. Doch mein Level der psyschischen Belastung war überschritten. Ich hatte überhaupt keine Zeit das eine Ereignis zu verarbeiten, schon kam das nächste.

"Es tut mir leid, dass war doch nicht gewollt, wir waren betrunken...", murmelte ich vor mir hin, aber eher so, als würde ich mit mir selbst sprechen. Doch dann wurde ich aus der Trance gerissen.

Robberts kalte Hand klatschte mit Schwung gegen meine Wange und hinterließ brennenden Schmerz darauf. Ehrlich gesagt durchzog sich der Schmerz quer durch meinen Körper und hinterließ vorallem in meinem Herzen ein tiefes Ziehen. Ich merkte wie sich Robberts Mimik käseweiß und erschrocken darstellte. Dann fluchte er und verließ verwirrt, aber zügig meine Wohnung.

Ich blieb alleine mit Schmerz zurück, unbeweglich, von dem was passiert ist. Ich hatte keine Fragen im Kopf, nicht mal, woher er das erfahren hatte, das mit mir und Martijn. Ich wollte jetzt auf keinen Fall Martijn ansteuern, vielleicht weiß er gar noch gar nichts davon. Außerdem hatte ich das Gefühl, dass es jetzt unangebracht wäre, zu ihm zu gehen.

Luna war zurzeit verreist, mit meiner Mutter wollte ich nicht reden und jemand anderes blieb mir nicht wirklich übrig. Außer einer.

~~

Im Dunkeln stieg ich ins Auto ein und verfolgte den Weg bis nach Breda, damit nahm ich auch die eine Stunde Fahrt auf mir. Zwar könnte ihn mir gerade psyschisch alles durchbrechen, dass ich vielleicht gar nicht zum Fahren mehr tauglich wäre, aber ich konnte alles verdrängen. Ich dachte einfach nicht drüber nach, ich hatte keinerlei Gedanken im Kopf, was mir aber sonst unmöglich erschienen hätte.

Das große Gebäude, wohl besser Villa, schien enorm gut bewacht. Nicht mal Robbert hatte Security vor seinen Türen stehen, aber über den Schutz einer öffentlichen Person hatte ich mir sowieso noch nie Gedanken gemacht. Erst recht nicht jetzt. Die Villa stand auf einem Hügel und war von Zaun umrundet, eine Auffahrt führt hoch zur beleuchteten Eingsangstür.

Fast wie hypnotisiert lief ich auf das große Tor zu, dass zur Auffahrt führte und blendete alles aus. "Was machen Sie hier, Misses?", fragte mich der Securitymann, der als einziger vor dem Tor stand. "Ich muss zu ihm", gab ich knapp zurück. "Sind Sie angemeldet? Werden Sie erwartet? " Ich atmete tief durch.

"Wissen Sie überhaupt, wenn Sie hier bewachen?", fragte ich. "Natürlich." Ich nickte und gab ihm dann meinen Ausweis. "Falls Sie nicht dumm sind, dann können Sie hier Parallelen sehen", sagte ich. Der Mann blickte zwar auf meinen Ausweis, aber reagierte eher auf meinen Ausdruck. "Wie reden Sie bitte mit mir? Ich werde Sie gleich vom Gelände verbannen!" Das Tor stand zum Glück offen, sonst wäre der Mann nicht heraus gekommen. "Wissen Sie noch was? Leck mich!", sagte ich schnell und sprintete durch das Tor der langen Auffahrt nach oben zur Tür. Das alles war riskant, was ist wenn er gar nicht zuhause ist, dann bringt mich der Securitymann wahrscheinlich eigenhändig um.

Ich klingelte wie verrückt und sah wie schnell der Typ näher kam und wilde Zurufe machte. Dann endlich öffnete sich die riesige Tür.

"Gehen Sie dann weg, sonst mache ich von meiner Schusswaffe gebrauch!", schrie er. Wehleidig und vorallem panisch schaute ich ihn die selben Augen wie die meine. Nämlich in die von Tiesto, aber mit purer Angst vor dem Typen hinter mir, der mich gleich anschießen wird und mit einem innerlichen Zusammenbruch.

Tiesto hielt seine Hand so hin, dass der Securitymann seine Aktion abbrach. Mit Tränen in den Augen stand ich da wie ein Häufchen Elend. Eine Tochter, die ihren Vater, den sie nicht kannte, erst schlägt und dann bei ihm angekrochen kam. Aber ich brauchte jetzt einen Vater, bei dem ich mich ausheulen konnte und der mir Schutz vor der Welt bot.

Just Jackie's weird WorldWo Geschichten leben. Entdecke jetzt