Einundsechzig // Eid schwören und brechen

45 1 0
                                    

„Schwören Sie, die volle Wahrheit und auch nur die Wahrheit zu sprechen?", fragte mich die Richterin, als würde Sie den ganzen Tag nichts anderes sagen. Ich nahm sinnlos meinen Arm hoch und hielt Zeige- und Mittelfinger zusammen und sagte deutlich ihre Worte nach. „Euer Ehren, Jackie Quin ist die letzte Freundin vom Angeklagten, dass gab er selbst an", faselte der Staatsanwalt. „Frau Quin, stimmen Sie der Aussage zu?", fragte mich dann die Richterin. Ich nickte eifrig.

Robbert hat das zwischen uns also doch als Beziehung wahrgenommen.

„Gut, sonst wären Sie ziemlich nutzlos", fügte die Richterin hinzu.

Robbert starte nur auf mich, oder auf seinen Tisch, aber immerhin hatte er jetzt schon Varianz in seiner eintönigen Tätigkeit.

„Sie sind während des Prozesses mit der Situation vertraut geworden. Ich möchte gerne wissen, wie sie Robbert beschreiben würden."

Ich überlegte kurz, um Begriffe wie gutaussehend, attraktiv und Arschloch aus meinem Kopf zu verbannen. „Robbert ist eine interessante Person, die man erst ein Stück kennen lernen muss. Seine äußere Hülle oder sein Auftreten mag vielleicht etwas anderes sagen, aber innerlich, so wie ich ihn kennen gelernt habe, ist er ein freundlicher, aufgeschlossener Mensch. Er brennt für seine Musik und hat sie auch in mir neu entflammt."

Selbst nach meinem kurzen Vortrag, wo ich eigentlich zusätzliche Wahrheit über ihn rausgelassen hatte, überlegte ich erneut, ob ich gerade etwas sinnvolles gesagt hatte. Ich schweifte durch den Raum, während die Richterin irgendwas mit dem Staatsanwalt beredete. Sharon saß unmittelbar neben dieser Anne und sie tuschelten zudem die ganze Zeit. Ohne mich aus dem Fenster lehnen zu wollen, sahen die beiden ziemlich fröhlich aus, für dass was Anne eigentlich erlebt haben müsste.

„Robbert war ihr Mentor. Hat er Sie fair behandelt, trotz dass sie in einer Beziehung waren?", fragte mich dann die Richterin.
Ihr blondes Haar hatte sie nun in einen strengen Pferdeschwanz gebunden. Ich bejahte die Frage.

„Ist Ihnen aufgefallen, dass er sich aggressiv gegenüber anderen verhalten hat oder gewisses Potential für Aggression und Gewalt gezeigt hat?", fragte nun der Staatsanwalt.

Hatte Robbert sich nicht mal betrunken und eine Scheibe eingeschlagen? Hat er sich nicht immer extra an sein Limit getrieben? Aber er war ja nicht wirklich aggressiv dabei. „Nein, Robbert hat nie auch nur ansatzweise Potenzial gezeigt, er hatte gute persönliche Möglichkeiten, Frust abzubauen", antwortete ich brav.
So ging das ewig weiter, ich saß gefühlt schon seit einer halben Stunde auf dem Stuhl und sie versuchten jedes Detail aus mir heraus zu kitzeln.

Manchmal saß ich nur da und beobachtete Robbert. Es war besonderes eine Genugtuung, wenn auch er den Blick erwiderte. Sein Blick hatte mir so viel zu sagen und doch waren wir wenige Meter innerhalb eines Gerichtssaales getrennt.

„Wieso sind Sie getrennt vom Angeklagten?"
Mein Blick schweifte wieder zur Richterin. „Ich weiß nicht, ob wir jemals wirklich zusammen waren, noch ob wir nun getrennt sind. Ich glaube wir haben zurzeit mit unserer Karriere zu tun", sagte ich.

Dabei verzog sich alles in mir, die Erinnerung, wie wir eigentlich auseinander gegangen sind, war wirklich nicht prickelnd.

Die letzte Frage, so formulierte es die Blondine, wäre eine stark persönliche. Ich konnte mir aber es nicht noch persönlicher vorstellen, als es ohnehin schon war.

„Ist der Angeklagte Ihnen gegenüber handgreiflich geworden oder hat Sie gezwungen zu etwas? Oder hat er sie jemals geschlagen?"

Die Worte der Richterin waren wie Eisen, kalt und schwer knallten sie auf den Boden. Schüttelfrost und Gänsehaut gefolgt von schwitzigen Händen machten mich noch wuschiger als so schon.

Just Jackie's weird WorldWo Geschichten leben. Entdecke jetzt