Zwanzig // Die Bilder in meinem Kopf

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Ein paar Sonnenstrahlen ließen meine Augen blinzeln. Es ist lange her, dass ich so geweckt wurde. Als wir noch in Köln lebten, hatte ich ein Zimmer mit riesigen Fenster, kurz gesagt meine Mutter hat sich mit ihrem neuen Freund ein luxuriöses Leben aufgebaut. Und das alles auf Grundlage des Geldes, was sie durch die Scheidung von meinem Vater erhielt.
Ich stellte fest, dass die Bettseite neben mir leer war und stand umgehend auf. Ich tapste zu einem Stuhl, auf dem meine Sachen lagen und zog mir schnell mein Shirt über, bevor ich mich auf die Suche nach Robbert machte. Ein prüfender Blick durch die riesige Suite bestätigte mir, dass ich im Bad nach ihm suchen muss. Als ich die Badezimmertür langsam öffnete, grinste mich das Spiegelbild von Robbert an, dessen Mund mit Zahnpastaschaum gefüllt war. Er war schon süß. Robbert hielt mir eine Zahnbürste hin, die ich dankend annahm und mich dann im Spiegel musterte. Meine typischen Augenschatten, die sich immer bildeten wenn ich lange wach war, wild zerzauste Haare - also alles normal und ich fing an mir die Zähne neben Robbert zu putzen.

„Alles ist normal, aber trotzdem putze ich mir grad die Zähne, als wäre es das unnormalste der Welt. Liegt vielleicht an meiner Gesellschaft."

Als Robbert den Raum wieder verließ, bürstete ich meine Haare und zähmte mich wieder von meinem wilden Ich zu meinem normalen Ich. Dann blickte ich zufrieden in den Spiegel und musterte darin die Ablage neben dem Waschbecken. Ich blickte auf ein kleines Bürstchen, was ich daraufhin hochhielt, als wäre es etwas heiliges. Dieses Bürstchen identifizierte ich eindeutig als ein Augenbrauenbürstchen und musste kurz auflachen. Das Robbert seine Augenbrauen bürstet ist ja wirklich lustig. Damit kann man ihn bestimmt aufziehen. Schmunzelnd bürstete ich mir meine Brauen und verließ dann auch das Bad.
Das war heute wirklich der allerletzte Tag und ehrlich gesagt, war es vielleicht einer der schlimmsten Tage seit langem. Die Magie von letzter Nacht ist wie verflogen und mir wurde die knallharte Realität vor die Nase gesetzt. Robbert und ich gingen aus der Suite zum Fahrstuhl und ich bedauerte während der Fahrt nach unten, dass ich diesen Fahrstuhl nie wieder in meinem Leben betreten werde. Und vorallem nicht mit Robbert. Über die letzte Nacht will ich überhaupt erst nachdenken, wenn ich im Flieger sitze, denn ich weiß nicht, was ich jetzt für ihn bedeute. Oder besser, was er für mich bedeutet. Als wir durch die Lobby zu einem großen modernen Saal gingen, erblickte ich an einem großen, runden Tisch einige bekannte Gesichter: Als erstes rannte Martjin zu mir, gab mir ein High-Five was ich völlig verfehlte und wurde dann in eine warme Umarmung von ihm versetzt. Niemand sonst begrüßte mich so wie Martjin, aber trotzdem alle mit einem Lächeln. Es waren drei leere Plätze, von denen Robbert und ich jeweils einen besetzten. Noch bevor ich mich setzen konnte, wurde ich in die Seite gestupst und quietschte kurz auf. Die Herren des Tisches lachten tief, doch ich schnellte sofort herum. Tiësto grinste mich mit seinem reichlich befüllten Teller an und sprach ein liebes „Guten Morgen" aus.
Etwas ungewohnt war es schon, an einen solchen Tisch zu sitzen. Aber mittlerweile hatte ich mich daran gewöhnt inmitten von Berühmtheiten zu sein. Eigentlich war es sogar ein bisschen peinlich, da vielleicht alle denken, ich wäre Robberts One Night Stand. Wieso ich auch immer denken solle, ich wäre mehr als das..für ihn. Tiësto zur Linken und Robbert zu meiner Rechten schlangen ihr Frühstück regelrecht hinein, nur ich stach etwas im Rührei herum oder knäuelte ewig lang an einer kleinen Erdbeere. Ich war einerseits viel zu aufgeregt hier zu sitzen und gleichzeitig tieftraurig, sogar deprimiert, dass es für mich vorbei ist. Nie wieder werde ich wahrscheinlich an einem Tisch wie diesem sitzen.

Als wir vorm Hotel auf ein Taxi warteten, blickte ich mich andauernd um. Ich wollte soviel Erinnerung wie möglich im Kopf behalten. Als Kind habe ich mir nämlich mal etwas einprägen können, an das ich mich bis heute noch erinnern kann. Es war eine Silhouette eines Waldes und darüber war das Sternbild Großer Wagen, das war als ich mit meiner Mutter und ihrem Lover von einem dieser typischen Familienausflüge zurückfuhr. Deshalb versuchte ich mir einzuürägen, wie diese Autos auf dieser Straße vorm Hotel fuhren und im Hintergrund sich die Stadt auftürmte. Sie war friedlich, ungefähr so wie Amsterdam. Ich sprach kein Wort mit Robbert, der einfach nur stumm neben mir stand und auf sein Handy starrte. Doch dann gesellte sich Martjin und Tiesto mit zu uns raus und darüber war ich wirklich dankbar, ich hätte wahrscheinlich keine Sekunde länger ausgehalten, schweigend und so nachdenklich neben Robbert zu stehen. "Wenn du in Amsterdam gelandet  bist, dann schreibst du mir sofort. Ach und mach mal eine Roomtour durch deine Wohnung!", forderte mich Martjin grinsend auf. Ich lächelte ihn als Antwort an, musste dabei aber sogar an den Kuss mit Martjin denken. Dann hupte ein schwarzer, edler Wagen auf, dessen Scheiben verdunkelt war. Robbert drehte sich zu mir und bedeutete mir so, dass ich jetzt einsteigen sollte. Ich wusste nicht, wieso er so emotioslos war, wieso die Magie zwischen uns eben einfach verflogen ist. Martjin schloss mich wieder in eine seiner warmen und festen Umarmungen, die ich wahrscheinlich auch sehr vermissen werde. "Danke Martjin, für alles. Ohne dich hätte ich bestimmt nicht so viel Spaß gehabt", sagte ich zu ihm ganz ruhig, obwohl ich eigentlich in Tränen ausbrechen hätte können. "Ich werde den Kontakt zu dir auf jeden Fall halten, du bist jetzt sowas wie meine beste Freundin", grinste Martjin mich an. Ich lachte glücklich auf, weil ich das garnicht so richtig glauben konnte. "Jackie!", rief Robbert hinter mir und ich seufzte laut auf. Ich wollte mich gerade umdrehen, als mich Tiesto am Arm festhielt und mich zu sich hin zog. Er war ein ca einen Kopf größer als ich und sein Blick war so ausdrucksvoll. "Jackie, du hast Talent für die DJ-Karriere und das weißt du auch. Du schaffst das, auch alleine wirst du es packen. Wenn was ist, hier ist meine Nummer alles klar, Süße?" Tiesto sprach ganz ruhig,  er flüsterte aber nicht. Aber trotzdem kam es mir vor, als würde er so reden, dass nur ich es verstehen kann. Dann steckte er mir einen kleinen Zettel in die Jackentasche. Ich verharrte mich in seine Augen, in diese blaugrünen Augen, die quasi mich wiederspiegelten. Dann kehrte ich wieder zurück in die Realität und verabschiedete mich schnell. Genauso hastig ging ich auf das Auto zu, vorbei an Robbert, der es mir schulterzuckend gleichtat. Ich atmete einmal tief durch und konnte meinen Blick nicht von der Fensterscheibe lassen, ich wartete nur darauf, dass sich das Auto Richtung Flughafen in Bewegung setzte. Dann kullerte sogar eine dicke, heiße Tränen meiner Wange herab, die ich in der Fensterscheibe gespiegelt sehen konnte.

"Tears fall like rain and I can see your pain."

Just Jackie's weird WorldWo Geschichten leben. Entdecke jetzt