Neunundfünzig// Unangenehmer Milchschauer

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Verschlafen öffnete ich die Augen und brauchte sagenhafte 20 Minuten um zu Bewusstsein zu kommen. Normalerweise bin ich jemand, der sofort nach dem Weckerklingeln aufsteht, aber nach letzter Nacht sind die 20 Minuten durchaus verständlich.

Während ich mein Glas vom Fußboden aufräumte, dass ich gestern dort stehen gelassen hatte, hörte ich Martijn draußen vor der Tür, wie er sich mit jemanden unterhielt. Schnell lief ich zur Tür und öffnete diese.

„Guten Morgen", begrüßte mich Martijn und lächelte mich sanft an. „Straffe Nacht, hm?", sagte er noch hinterher. Ich verdrehte schmunzelnd die Augen. „Nächstes Mal kannst du auch auf mich aufpassen."

Wieder lachte er. „Übrigens hier sind ein paar Briefe dabei und ein kleines Päkchen." Martijn ist echt ein Schatz und nimmt sogar meine Pakete an. Obwohl, wenn er immer meine Post annimmt, muss ich wirklich aufpassen, was ich bestelle...
Ich bedankte mich und legte alles auf die Bartheke. Ein kräftiger Kaffee und Nougat Bits-Müsli sollten mich wieder fähig machen, immerhin war heute Dienstag. Während andere arbeiten gehen, verbringe ich sinnlos meine Nacht. Mein Gott was ist nur aus mir geworden.

Mit Brennan Hearts Musik mampfte ich gemütlich mein Müsli und schweifte über die Post. Irgendwas vom Amt und Newsletter, die sich über meinen Umzug erkunden wollen, hatte ich schon erwartet. Doch vom Amtsgericht? Hatte ich irgendwas vergessen zu bezahlen? Irritiert öffnete ich den Brief mit einem Löffel voller Milch im Mund.

Und dann schlief mir das Gesicht ein und weil es eben einschlief fiel mir der Löffel aus dem Mund. Gut, vielleicht auch weil meine Kinnlade herunter geklappt ist.

In fetter schwarzer Schrift wurde mein piepsiger Name eingeladen, als Nahestehende beim Prozess gegen Robbert van de Corput im Fall der Vergewaltigung von...
Weiter kam ich nicht und ehrlich gesagt war mir der unbekannte Name auch egal.

Fakt war, dass ich irritiert und fast schon apathisch vor mich hin starrte auf den amtlichen Zettel.

Es würde ein verdammter Prozess stattfinden, weil Robbert jemanden vergewaltigt haben soll? Immer wieder überflog ich die gedruckten Zeilen und konnte mir nichts, aber auch gar nichts zusammen reimen.

Ich wusste nicht wer Anne van Leeuwen war, die angeblich von Robbert vergewaltigt wurde noch weshalb ich eingeladen wurde am Prozess teilzunehmen. Und jetzt kommt es. Als Ex-Freundin wäre ich die Nahenstehenste, die ihn in letzter Zeit erlebt hat.

Woher wissen die das?

Tatsächlich sollte ich ein paar Aussagen machen, um beim Prozess beizutragen, dabei hatte ich keine Ahnung, worum es wirklich dabei ging. Robbert könnte wegen Vergewaltigung in den Knast kommen? Mir lief es wortwörtlich eiskalt den Rücken runter. Dabei ist mir eigentlich nur die Schüssel mit der übrigen Milch auf den Schoß gekippt. Also eher eiskalt der Beine hinunter...

„Ein Milchschauer am Morgen vertreibt Kummer und Sorgen. [nicht]"

Zuerst wusste ich gar nicht, was ich machen sollte, also krachte ich direkt in Martijns Appartement und knallte ihm den flattrigen Zettel vor die Nase.

„Was zur...", auch er kam nicht weiter, da er nun den Zettel laß. „Ich weiß nicht, aber das ist doch unglaublich krass, oder täusche ich mich?", fragte ich ihn leicht aufgebracht. „Ach du scheiße. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Robbert sowas nötig hätte?" Ich seufzte und begann meine Stirn zu massieren, um mich zu entspannen.

Ich weiß wirklich nicht, wie mein Leben immer wieder aus dem Ruder laufen kann. Quasi jeder Tag hat ein potenzielles Risiko, dass irgendwas auftritt, was die Achterbahn rauf oder runterfahren lässt.

„Mein Leben - die Achterbahn."

„Ich weiß gar nicht, ob ich da schon wieder zurück bin. Nächste Woche Donnerstag fliege ich nach Dallas und komme voraussichtlich Samstag Mittag wieder", sagte Martijn nach einer Weile. „Ich meine, ich will dir ja psychischen Beistand leisten", ergänzte er.
„Es beginnt 10:30 Uhr, wer weiß wie lang der ganze Prozess dauert. Außerdem ist es ja ein privater Prozess, wer weiß, ob du überhaupt mit rein darfst", antwortete ich nachdenklich und hektisch auf und ab laufend.

„Keine Sorge, ich mach denen schon klar, dass ich dort ohne Wenn und Aber rein muss. Zur Not verkleide ich mich als dein Blindenhund. Oder als dein normaler Hund, wie auch immer."
Ich lachte etwas entspannter auf und streifte meinem Gesicht entlang. Gut, dass Martijn immer wieder Spaß machte, sonst wäre ich echt nur noch ein depressiver Trauerkloß.

Schnell verabschiedete ich mich vorerst wieder. Vor der Tür im Treppenhaus wählte ich die Nummer von Tiesto.

„Jackie was gibt es?", kam es sofort, nachdem das Klingel verstimmte. „Ich glaube ich muss dringend mit dir reden. Wo bist du?", fragte ich. Es war kurz ruhig am Ende der Leitung, bis Tiesto seufzte und mir verkündete, dass ich doch einfach in seine Wohnung in Amsterdam kommen sollte. Natürlich, bestimmt hat er noch ein Sommerhaus auf Ibiza oder was?
[...]

Ich stand seit wenigen Minuten vor einem modernen Appartementhaus und wartete geduldig, bis mein Vater zu seinem Geheimversteck kam. Immer noch eigenartig, ihn so zu nennen.
„Hey Jackie", ertönte es hinter mir. Mir bleibt es natürlich ein Rätsel, wie er dort auftauchen konnte, aber dass erwähnte ich gar nicht.

„Ich sollte gar keine Fragen mehr stellen. Es endet sowieso immer in einem riesigen Chaos."

Tiesto bedeutete mir, ins Haus zu gehen und schnell waren wir in seinem Studio hier in Amsterdam.

Wirklich, ich weiß einfach zu wenig über meine Mitmenschen, die in jeder Stadt mindestens ein Appartement habe, währende diese wiederum gefühlt alles über mich wissen.

„Ich hab einen Brief vom Gericht erhalten", sagte ich ernst. Tiesto hob eine Augenbraue. Schnell zog ich den bereits leicht zerknitterten Zettel heraus und hielt ihn erneut jemanden vors Gesicht. „Robbert soll jemanden vergewaltigt haben!" Tiesto schien den Zettel nur zu überfliegen. „Ich weiß, ich wurde ebenfalls eingeladen", sagte er dann.

Ich verzog mein Gesicht, da ich es mir nicht sofort erklären konnte. „Als sein ehemaliger Mentor habe ich Charakterkenntnisse von ihm, so zumindest das Gericht", erklärte er mir dann. Angespannt fuhr ich durch meine Haare. Wie soll das denn bitte jetzt weiter gehen? Wenn Robbert im Knast sitzt, komm ich ihn dann immer besuchen? Will ich ihn dann überhaupt noch sehen, wenn er wirklich jemand vergewaltigt haben sollte?

Ach Quatsch, Robbert würde sowas einfach nicht tun. Mein Bauchgefühl sagt das und das lügt nie, zumindest bis jetzt....

Tiesto nahm mich herzlich in den Arm, scheinbar war es unübersichtlich, wie sehr ich wieder grübelte. Dankbar verfiel ich Tiesto und klammerte mich fest an ihn. Gott sei dank, war er mit eingeladen, ich wüsste nicht, was ich dort alleine getan hätte.

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Ich weis, das mit dem gerichtlichen Verfahren ist vielleicht nicht Gang und Gebe in der juristischen Welt, aber ich hielt es für das Beste, Jackie und Tiesto per Brief als Nahestehende einzuladen. ;D

Falls jemand Jurist ist oder sich zumindest gut auskennt, kann er ja mitteilen, wie das ist bei einem solchen Strafprozess. 🙆🏼‍♀️

Just Jackie's weird WorldWo Geschichten leben. Entdecke jetzt