4- You are not alone

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Sekunden vergingen wie Stunden, Minuten wie Tage.

Nachdem ich den Bersärker getötet und Scott dazu gebracht hatte, wieder zu Bewusstsein zu kommen, war er erneut ohnmächtig geworden.
Er ist vor mir zusammengesackt, doch ich konnte ihn abfangen und vorsichtig hinlegen.

Das einzige, das mich beruhigte war, dass ich aus seinem regelmäßigen Herzschlag schließen konnte, dass er nur ruhig schlief und in keinerlei Gefahr schwebte. Auch ein Blick auf seine Verletzungen bestätigte mir, dass er nur etwas Zeit zur Erholung brauchte.
Er sah in diesem Zustand so friedlich aus, wie ein kleiner Junge, der gerade von seiner Mutter ins Bett gebracht wurde und einnickte, nachdem sie ihm seine Lieblings-gute-Nacht-Geschichte vorgelesen hatte.
Sanfte Gesichtszüge, die Muskeln entspannt, welche sich jedoch über seinen scharfen Wangen- und Kieferknochen zogen, was wieder daran erinnerte, dass er ein starker, junger Mann war.
Das ging nun schon ca. eine Stunde so. Ich scannte ihn von oben bis unten ab und ich konnte nicht leugnen, dass es mir gefiel und er einer der gutaussehendsten Jungs war, die ich je zu sehen bekam.

Die anderen waren nun fast vollständig geheilt, aber trotzdem noch nicht ansprechbar. Ich habe auch nach ihnen gesehen und den Schmerz genommen, wodurch ich mir erhoffte, den Heilungsprozess zu beschleunigen. Dabei fiel mir auf, dass weder Stiles noch Lydia hier waren, also würden auch wirklich alle lebend nach Hause gehen können, denn obwohl die beiden sehr stark zu sein schienen, hatte keiner von ihnen die Heilfähigkeiten eines Werwolfs.
Doch es waren drei Personen, die dort lagen. Malia, Liam und...ein mir unbekannter Mann.
Er sah gut aus, schwarze Haare, drei-Tage-Bart und er musste Mitte 20 sein. Ich würde wohl noch erfahren, wer er war.

Was war nur los mit mir ?
Ich kannte diese Leute hier vor mir nicht, es war ein Rudel, nicht wie jedes andere, aber dennoch eines von vielen.
Das was ich dort gefühlt hatte, als Scott hilflos an den Füßen einer Kreatur lag, die ihn zu töten beabsichtigte, hatte ich noch nie zuvor erfahren.
Es war kein einfaches Mitgefühl, es war Wut, weil ich es nicht fassen konnte, wie man auch nur zu gedenken wagte, jemand unschuldiges das Leben zu nehmen, Trauer, weil ich den Anblick eines niedergehenden Rudels erneut vor die Füße geworfen bekam und dann war da...Rachsüchigkeit. Ich wollte mich rächen, für jemanden.
Doch so sehr ich mich auch anstrengte herauszufinden, für wen ich so fühlte, wer dieses Feuer in mir entflammte, ich wusste es nicht.
Zu groß war die Aufregung an diesem Nachmittag, als dass ich hätte weiter darüber nachdenken können.

Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als sich neben mir etwas regte.
Erschrocken sah ich neben mich, doch als ich sah was, bzw. wer es war, entspannte ich mich.

"Du bist noch hier."
Scott hielt sich mit schmerzverzerrtem Gesicht die Schulter, schaffte es aber dennoch aufzustehen. Keine gute Idee, denn er taumelte zur Seite.

"Hey, hey, hey...nicht so schnell junger Mann. Du bist noch nicht vollständig geheilt", bemutterte ich ihn.
Nicht so schnell junger Mann ?! Kam dieser Satz gerade aus meinem Mund ?
Er stieß nur ein erschöpftes Lachen auf und grinste.
"Mach dir keine Sorgen, mir geht es gut, ist nur ein Kratzer."

Wollte er mich verarschen?
"Wenn du von einem Kratzer für eine Stunde außer Gefecht gesetzt wirst, würde ich mir mal Gedanken machen, ob du tatsächlich ein wahrer Alpha bist oder einen anderen getötet hast und dich nur nicht mehr erinnern kannst", witzelte ich.

Er seufzte und sah mich an.
"Camille, es geht mir gut. Wir sollten nach den anderen seh-"

Genau in diesem Moment, was ehrlich gesagt wirklich seltsam war, fingen Malia, Liam und der mysteriöse Fremde an, vor sich hin zu murmeln.
Einer nach dem anderen richteten sie sich auf, was so ähnlich wie bei Scott ablief.
Wir warfen uns einen kurzen Blick zu und griffen ihnen unter die Arme, um sie zu stützen.
Die drei waren tatsächlich sehr schnell geheilt, sodass sie nur noch etwas geschwächt waren.

"Leute, alles in Ordnung?"
Scott sah sich jeden genau an um sicher zu gehen, dass es allen gut ging.

"Was ist passiert? Ich hörte ein Brüllen und danach wurde alles schwarz", begann nun Liam hektisch durch die Runde zu fragen.

"Ein Bersärker. Er muss uns aufgelauert haben. Ich weiß nicht wo er herkam, aber er schien die Absicht zu haben, uns zu töten", erklärte Scott seinem Rudel.
Was machte ein Bersärker überhaupt in Beacon Hills?

Die drei warfen sich fragende Blicke zu.
"Du hast den Typen ganz alleine besiegt ?! Und...ihm den Schädel zerschmettert? Wo hast du denn das gelernt? Und was macht Camille überhaupt hier ?", fragte Malia nun sichtlich verwirrt und deutete zum Ende hin in meine Richtung.

"Nein, das habe ich nicht", da sah er zu mir, er sah mich nicht nur an, er sah mir in die Augen.
"Ich lag am Boden, ergeben und wusste, dass ich es nicht schaffen würde. Bis dann...Camille auftauchte. Sie hat mir das Leben gerettet"

Da war sie wieder. Obwohl er nur wiedergab, was geschehen war, hörte ich diese unglaublich ehrliche Dankbarkeit aus seiner Stimme heraus.

Nun lagen alle Blicke auf mir.
Teils fragend, teils bewundernd.

"Du hast das getan? Du hast einem riesigen Bersärker den Schädel zerfetzt?", wunderte sich der Unbekannte mit einem Hauch Ungläubigkeit in seiner Stimme.

Ich verdrehte die Augen.
Mussten Kerle Mädchen immer mit Schuhen und Schminke in verbindung bringen ? Auch wir konnten kämpfen, und ich bin nicht die einzige.

"Ja, ich. Ich war eine Runde joggen, als ich auf euch aufmerksam wurde", erklärte ich, um auch auf Malias Frage von vorhin zurückzukommen.
"Und wer bist du überhaupt?"; jetzt war ich an der Reihe, Fragen zu stellen.

"Wie unhöflich von mir. Mein Name ist Derek, Derek Hale. Freut mich dich kennenzulernen, Camille", entschuldigte er sich, lächelte und reichte mir die Hand.

"Die Freunde ist ganz meinerseits. Wie sehr es mich auch freut, dass ihr alle wohlauf seid, ich muss jetzt los. Bekomme langsam echt Hunger von so viel Drama", meinte ich gleichgültig. Ja, ich hatte einen wirklich stumpfen Humor.

Es lag einfach nicht in meinem Interesse, weiterhin hier zu stehen und mir dieses ganze " Du hast unser Leben gerettet" und "Was tun wir jetzt"- Gehabe anzuhören.
Ich wollte nach wie vor nichts mit ihnen zu tun haben.
Sie sterben zu lassen kam nicht in Frage, und ich habe das getan was nötig war, aber mehr auch nicht.

Ich wollte mich versichern, dass es ihnen gut ging, und das tat ich auch.
Mein Teil war erledigt, also konnte ich gehen.

"Man sieht sich."
Ich setzte einen Fuß in die Richtung, wo ich gekommen war, als mich Scott am Handgelenk festhielt und daran hinderte, weiterzugehen.

"Das war nicht selbstverständlich, und das weiß ich auch. Ich werde dir das, was du heute getan hast, nicht vergessen.
Egal wie sehr du dich auch verschließen magst, egal wie sehr du dich auch dagegen sträubst, dich mir zu öffnen und dein wahres ich zu zeigen; ich weiß, dass viel mehr in dir steckt. Du hast ein Geheimnis, das du dich nicht traust zu offenbaren, aber ich werde nicht aufgeben zu versuchen dir zu helfen. Und ich werde dir helfen."

Dazu brauchte ich nichts zu sagen.
Ich wusste, dass er es ernst meinte und ich nichts dagegen tun konnte. Ihn zu versuchen umzustimmen wäre zwecklos.

Ich sah ihn an, er mich. Seine warmen, braunen Augen in meine kalten, blauen. Er blickte in meine Seele, in mein Herz. Er wusste, dass sich hinter der Fassade des einsamen Alphas mehr verbarg, als ich zugeben wollte.

Er ließ mein Handgelenk los, doch bevor ich mich auf den Weg nach Hause machen konnte, sagte er etwas. 4 einfache Worte, die aber so viel Bedeutung hatten, dass sie mir noch tagelang durch den Kopf gingen.

"Vergiss niemals", ich hielt inne,

"Du bist nicht alleine."



You are not alone (Teen Wolf FF-Scott McCall )Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt