Kapitel 3

5 0 0
                                    

Wir standen da und warteten. Ich verfolgte Greta und den linkischen Jungen mit skeptischen Blicken. Sie hatten Ausdauer, das musste man ihnen lassen. Dann aber verließen sie zusammen die Tanzfläche und Greta lief zum Tisch, an dem ihre Familie saß – etwas abseits, sodass jedem gleich klar war, dass Störungen seitens des gemeinen Volkes nicht erwünscht waren.

Der Junge wagte es nicht, ihr dort hinzu folgen und stand nun etwas verloren zwischen Tanzfläche, Musikbühne und einer kleinen Feuerstelle, an dem gerade ein Spanferkel zerlegt wurde.

Ich musste sofort an mein potenzielles Ferkel und das Festmahl, das es abgeben würde, denken und raffte allen meinen Mut zusammen. Jetzt war die Gelegenheit. Eine solche kam vielleicht nie wieder.

Also schritt ich herüber zu dem Jungen und sagte: „Hallo."

Zu meiner Überraschung antwortete er mit einem „Hallo", das kein bisschen seltsam wirkte, sondern lediglich ein wenig schüchtern.

„Ich hab dich tanzen sehen", sagte ich.

„Ja."

„Mein Name ist Helen Peterson."

„Meiner ist Vincent Davies", sagte er und machte eine kleine, lächerliche Verbeugung. Ich hielt es für eine Parodie und vollführte im Gegenzug die Verballhornung eines Knickses. Aber er verstand die Ironie darin nicht.

„Tanzt du gerne?"

„Ist mein erstes Mal", sagte er, „Ich glaube, ich bin nicht sehr gut."

„Ach was. Ein Mann ist nur so gut, wie die Frau an seiner Seite und glaub mir, Greta Brighman ist eine furchtbare Tänzerin."

„Findest du?"

Es machte mich wahnsinnig, wie unbeholfen er war. Ich konnte ihm an den Augen ablesen, dass er in seinem Kopf einen Kampf mit sich selbst austrug, um zu entscheiden, ob mit mir zu reden, einem Betrug an Greta gleichkam und ob er ihr überhaupt irgendetwas schuldete.

Ich merkte, dass ich so nicht weiter kam. Er würde mich niemals fragen, eher würde er morgen früh noch hier stehen und darüber nachdenken, was er tun sollte. Dabei hatte Greta ihn längst vergessen. Sie saß neben dem Fräulein Charlotte und schaufelte sich ein Stück von dem Spanferkel in den Mund.

„Willst du mit mir tanzen?", fragte ich schließlich, denn der Duft von gegrilltem Schweinefleisch ließ mich alle Hemmungen verlieren.

„Ich...", begann Vincent.

Aber ich konnte diese Wette nicht verlieren, indem ich ihn jetzt moralisch argumentieren ließ. Also fiel ich ihm ins Wort: „Nur einmal. Ich zeig dir, wie es geht. Dann kannst du es Greta zeigen und ihr macht euch nicht mehr so zum Gespött."

„Also ich..."

„Na komm schon. Schlimmer als mit ihr kann es nicht werden."

„Ich weiß nicht. Ich meine, willst du wirklich mit mir... gesehen werden?"

Ich starrte ihn an: „Wieso denn nicht?"

„Naja, weil das vielleicht die anderen Jungs abschrecken könnte. Du bist ja nicht hier, um mit jemandem wie mir zu tanzen, oder? Sie werden dich vielleicht auslachen."

„Woher willst du wissen, weswegen ich hier bin?", fragte ich.

„Du hast dein bestes Kleid angezogen und stehst am Rande der Tanzfläche herum", stellte Vincent fest, „Und deine Haare sind extra in Locken gelegt. Dafür hast du bestimmt..."

„Die ganze Nacht wach gelegen, ja", beendete ich den Satz, „Aber das ist doch egal. Wenn jemand nichts mit mir zu tun haben will, weil ich tanze mit wem ich will, dann hätte ich eh nicht mit ihm reden wollen. Also was ist jetzt?"

Im SchattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt