„Die Diva? Sie wollte sich an Dich ranmachen? Nichts für ungut, mein Freund. Bei deinem guten Aussehen kann man das nachvollziehen, aber... sie?... ich kann mir nicht vorstellen, dass sie Frauen mag.“ „Seh ich genauso, aber ich bin mir nicht sicher, ob sie das weiß...“ „Hahaha, du Schwerenöter du. Sie hat dich doch fast nackt gesehen, oder?“
„Ja, und mich angefasst... Allerdings nicht an den richtigen Stellen und da sie hinter mir stand... nun ja. Sie hat mir zwar das Hemd fortgerissen, aber angeschaut im Spiegel hat sie nichts, mich auch nicht dort berührt. Vielleicht weiß sie es ja und möchte es nur verdrängen... hm... aber andererseits wollte sie mir in die Hose fassen...“ Ein Prusten in der Runde. „Oho... das soll L'étoile gemacht haben? Unglaublich...“
„Ja, aber ich war erstaunt wie ich mich zurückhalten konnte, so genervt ich da war am Tag... ein Wunder.“ Gordy kommentierte: „Fürwahr... du sorgst immerhin außerhalb der Bühne für genug Unterhaltung.“ Ein Lachen machte die Runde. Philippe erklärte: „Ja, und dich zu zügeln war nicht gerade einfach, mein Guter! Was wäre wohl dem Mann geschehen, wenn wir nicht zufällig in der Nähe gewesen wären?“
„Hey, ihr vergesst, ich war auch da!“, warf Gerard ein, den wir das ein oder ander Mal Gerry nannten. „Oh ja eine große Hilfe warst du, Gerry. Du standst oben am Arbeitsplatz während unser Freund hier seine Meinung frei äußern wollte, wenn ihr versteht.“ „Ja, ist klar. Einer muss doch arbeiten, denn die Arbeit erledigt sich nicht von selbst.“ „Ja, feige Ausrede!“, brüllte Joseph. „Aber nun wieder zu dir Cel. Deine Abweisung war klasse, finde ich. So cool und beinahe gelassen.“ „Ich war nur ehrlich.“
„Oh ja unsere ehrliche Haut hier.“ Ich grinste breit. „Cel, Cel...“ „Och nee...!“ „Bist jetzt sein Aufpasser oder was?“ „Ach halt die Klappe... Der Kleine hatte sich mir aufgedrängt, nur weil ich ihn einmal... ach verdammt, was ist, Erik?!“ „Großer Bruder. Geht es deinem Bein besser? Es tut mir leid... hier, Onkel und ich haben was zusammen gebacken.“ „Awhh... der Kleine weiß was sich gehört, nicht wahr Cel?“
Obwohl ich nie ein Kinderfreund sein würde so musste ich mir eingestehen, dass diese süße Geste der Entschuldigung wirklich unwiderstehlich war. „Vielen Dank. Sag mal Erik... wie lange gedenkst du bei deinem Onkel zu bleiben? Deine Eltern machen sich sicherlich Sorgen...“ „Ach was. Es macht Spaß hier zu sein. Außerdem habe ich ja noch dich, großer Bruder.“ Ich verdrehte meine Augen. Selbst in meiner wohlvergönnten Pause fand ich keine Ruhe? „Hahaha ungewollter Familienzuwachs also?“ „Joseph!“ „Ja ja, ist gut.“
Eine Droschke deren Tür ein Wappenzeichen zierte hielt vor dem Opernhaus. Scheinbar jemand aus der oberen Schicht hatte es hierher verschlagen, was durchaus etwas seltsam war, da die Vorstellung erst gegen Abend lief. Für gewöhnlich zumindest, soviel wusste ich. „Nein. Papa wird mich abholen wollen...“, seufzte der Kleine traurig. Na umso besser für mich... für das Erste zumindest. Wie ich sah, stieg ein Mann mittleren Alters aus. Er sah elegant gekleidet aus, zurechtgemachte Haare und ein Oberlippenbärtchen.
Gewiss hatte er weibliche sanfte Züge an sich... aber das interessierte mich nicht. Das war also der Vater, der Vicomte de Chagny gewesen? Zu meinem Ungunsten kam er schlussendlich zu uns. Seines Kindes wegen. Natürlich. „Komm, Erik. Du hast genug herumgespielt...“ „Ich will noch nicht!“ „Erik!“ Ich erschrak, der Kleine hielt mich am Arm. „Ich will noch bei meinem großen Bruder bleiben!“ Der Vicomte beäugte mich skeptisch: „Großer... Bruder?“
„Ja! Er hat mir gestern das Leben gerettet.“ „So..? Du bist es also?“ Was ich beinahe weniger abhaben konnte als Kinder, waren die Adeligen, die sich immer so aufspielen mussten! Aus Höflichkeit stand ich auf und fixierte ernst seinen Blick. Über seinen Lippen huschte ein Lächeln. Arrogantes Arschloch... „Wenn dem so ist, dann bedanke ich mich dafür. Ich hoffe, dass mein Spross Ihnen nicht zu sehr... aufdringlich wurde oder gar etwas kindlich gemein zu Ihnen war. Eine schlechte Eigenschaft von ihm, die ich ihm dringend aberziehen möchte.“