★ Kapitel 1 ★

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Seine dunklen Augen waren geweitet vor fassungsloser Angst, sein Mund zu einem Hilferuf geöffnet, aber es drang nur ein zitternder Schrei aus seiner Kehle, die Panik hatte ihm jegliches Formen von Wörtern verboten.
Mit hochgezogenen Lefzen fuhr die Kreatur ihm seine Kralle ein weiteres Mal über die bleiche Wange, und neues frisches Blut quoll aus der Wunde. Fast schwarz schimmerte es im matten Licht des Mondes, die nächste Laterne war zu weit entfernt, und die Bäume des Parks grenzten die Lichter der Stadt ab. Niemand sah das Blutbad, keiner konnte zur Hilfe kommen. Die Schatten der Äste über ihnen tanzten wie neugierige Kobolde herum, die auch etwas von dem Festmahl abhaben wollten.

Voller Heißhunger schlug der Werwolf seine Klauen in den bebenden Brustkorb unter sich, riss die Rippen hervor und genoss die Schreie seines Opfers, das wild strampelnd versuchte den schweren Körper von sich zu rollen, aber es war zwecklos. Immer wieder schlug das Wesen seine Krallen und Zähne in das unschuldige Fleisch und genoss seine qualvollen Schreie. Das aufspritzende Blut zierte das graue Fell mit rostfarbenen Spränkeln.

Die Bewegungen des jungen Mannes wurden zunehmend schwächer, aber noch immer wehrte er sich. Sein Hemd war zerfetzt und sein Oberkörper aufgeschlitzt wie eine Chipstüte.
Tränen liefen ihm bereits aus Todesangst über die zerfurchten Wangen, und seine Schreie verhallten im Park.

Der Mann war gerade mal 23, und nur auf dem Nachhauseweg von einer Feier gewesen, als ihn das grässliche Wesen angefallen hatte. Jetzt lag er hier Blut hustend auf dem laubbedeckten Boden im Park und dachte seine letzten Worte, verfasste sein Testament im Stillen. Denn das Monster war begierig darauf ihn zu töten. Das konnte er zuversichtlich aus der wolfsartigen Fratze lesen.

Plötzlich tönte ein Schuss durch die Bäume, und Opfer wie Täter zuckten erschreckt zusammen, nur mit dem Unterschied, dass der Werwolf knurrend zurückwich und sich die Schulter hielt, während der Mann nur zitternd am Boden liegen blieb. Als das Monster ein weiterer Schuss traf, knurrte es böse und ging auf allen Vieren etwas tiefer in den Schatten, wohl um sich zu verstecken, und dann wieder zu kommen wenn die Gefahr vorüber war.
Der junge Mann versuchte sich hustend zu seinem Retter umzudrehen, aber er konnte sich nicht bewegen und lauschte lediglich den Schritten die sich rasch näherten. Starke, selbstsichere Schritte von vier Personen. Er wollte etwas sagen, sowas wie Vielen Dank, oder Seien Sie vorsichtig das Monster ist noch hier, aber er konnte nur den Mund öffnen, da war auch schon jemand bei ihm.
Ein makelloses Gesicht mit dunkelbraunen Augen beugte sich über ihn und eine ruhige warme Stimme redete beruhigend auf ihn ein. Aber er konnte die Wörter nicht verstehen, alles um ihn herum wurde dunkel und stumpf.
Er schloss die Augen und versank in einer sanften Schwärze, die ihn mit sich trug und umschloss wie eine weiche Decke.

"Ja er wird es überleben Park-san. Nochmal gute Arbeit, und bei dem was er durchgemacht hat, wird er das wohl leicht als Traum abtun können. Machen Sie sich keine allzu großen Gedanken."
"Wenn Sie es sagen Kim-hakase..."
"Komm schon Jimin-san, lass uns gehen."
"Ist gut Jungkook. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag Kim-hakase. Vielleicht komme ich später noch einmal vorbei."
"Auf Wiedersehen Park-san, Jeon-san."

Ruckartig schlug Taehyung die Augen auf. Sein gesamter Körper schmerzte, und er konnte sich kaum bewegen. Schweiß durchtränkte seine Kleidung, und er fühlte sich unglaublich miserabel. So als wäre er von einem LKW überfahren, dabei in der Mitte geteilt, wieder falsch zusammengebaut, wieder auseinandergenommen und neu zusammengesetzt worden. Kurz: Alles tat weh, zumindest das was er spürte.
Er sah sich im Raum um, aber da war nichts besonderes. Ein normales Krankenhauszimmer, weiß, steril und langweilig. Der junge Mann schloss die Augen wieder. Was war passiert? Hatte er einen Unfall gehabt? Vor seinem inneren Auge begannen sich einige mögliche Situationen abzuspielen, aber keine schien zu passen. Seine Erinnerungen waren schwach und zusammenhanglos, wirbelten wie angesengte Geldscheine durch seinen Kopf, zu schnell und unvollständig um sie genauer zu identifizieren.
Taehyung entfuhrt ein leises Stöhnen, als er gähnen wollte. Seine Lunge brannte wie sonstwas. Früher hatte er Feuerschlucker werden wollen, bis einer seiner Freunde bei lebendigem Leib vor seinen Augen verbrannt war. Seitdem hatte er eine Abneigung gegen jegliches Feuer, und auch Spirituosen vermied er wenn er konnte. Auch wollte er nicht mehr Feuerschlucker werden, und hatte stattdessen eine Ausbildung zum Journalisten angefangen.

Da hörte er Schritte und öffnete die schmalen Augen wieder leicht.
Die Schritte gehörten einem Mann mit Brille der an sein Bett trat, und einer blonden Amerikanerin mit einem Klemmbrett unterm Arm, die sich neben den Doktor stellte.
"Schön dass Sie wach sind. Wie fühlen Sie sich Kim-san?", fragte der Mann. Sein Gesicht war voller Lachfalten, und seine Stimme klang relativ freundlich. Ächzend antwortete Taehyung nur: "Mies." Die Krankenschwester lächelte ihn an: "Ach, das wird schon wieder." Er sah sie an, und brauchte etwas um ihr japanisch zu verstehen, denn sie redete mit starkem Akzent, und sein Gehirn lief noch längst nicht auf Normallevel. Außerdem verstörte ihn ihr Auftreten. Sie verhielt sich tapsig und naiv wie ein Schulmädchen, aber ihr Äußeres war durchaus so anziehend wie das eines Models. Entschieden sah er wieder zum Mann: "Was ist passiert?" Der räusperte sich kurz bevor er antwortete: "Sie sind wohl in eine Messerstecherei geraten, womöglich waren Sie betrunken oder wollten helfen, jemand hat die Polizei gerufen, und so sind Sie im Krankenhaus gelandet." Kim Taehyung stöhnte. Messerstecherei? Betrunken? Verdammt was hatte er wieder angestellt, er wollte doch nicht mehr trinken. "Sie können froh sein noch am Leben zu sein, Ihr Körper wurde übel zugerichtet, aber Sie scheinen einen starken Geist zu haben.", der Doktor blickte auf sein Klemmbrett. "Ich stimme Kim-hakase vollkommen zu! Schließlich waren Sie fast zwei Tage bewusstlos, sind jetzt fünf Minuten wach, und können bereits ganze Sätze bilden!"
Unwillkürlich wandte Taehyung der Dame wieder sein Gesicht zu. Zwei Tage? Leichte Panik brach in ihm aus, aber er spürte jedes Körperteil, und außer den zahlreichen Schürfwunden und Prellungen schien alles unversehrt. Wenn man die höllischen Schmerzen nicht mitzählte, die von seinem Brustkorb ausgingen.
"Jetzt beruhigen Sie sich wieder Mince-san", tadelte Kim-hakase seine Begleiterin, die daraufhin zerknirscht zu Boden blickte, "Wir haben Ihrem Bruder bereits Bescheid gesagt, er wird heute Nachmittag vorbeikommen. Allerdings werden Sie noch etwa eine Woche hier in der Klinik bleiben müssen, da ihr Körper noch immer absolute Ruhe braucht." Taehyung nickte leicht, und die beiden Besucher verabschiedeten sich, dann ließen sie den jungen Mann allein.

Nach einer Weile, in der er eigentlich seine Gedanken hatte ordnen wollen was aber nicht geklappt hätte, schob er die Decke zurück und zog das weiße Hemd hoch bis ans Kinn. Er mochte diese Krankenhauskleidung nicht sonderlich, und er fragte sich wer sich die Mühe gemacht hatte ihn umzuziehen.
Mit gemischten Gefühlen betrachtete er den dicken Verband, der seinen Körper vom Schlüsselbein bis zum Bauchnabel komplett verdeckte. An manchen Stellen war die weiße Bandage gelblich oder rötlich verfärbt.
Angewidert zog der Koreaner den kratzigen Stoff des Kittels wieder darüber, und dann die Decke bis zur Stirn hoch.

Den Rest des Tages verbrachte er schlafend, er bekam nicht einmal mit, wie sein Bruder Seokjin ihn besuchte.

Blood, Sweat And TearsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt