★ Kapitel 9 ★

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"Na großartig", Taehyung schloss die Kabine auf und trat an ein Waschbecken. In seinem Mundwinkel hing etwas halbverdautes Milchbrötchen, und schnell wischte er es weg. Sein Magen hatte ihm nicht allzu viele Scherereien gebracht, und das meiste seines Frühstück hatte er behalten. Wahrscheinlich lag es vor allem an dem seelischen Wahnsinn, den Tae gerade verarbeiten musste. Außerdem musste er noch immer Würgen, als er an die Pancakes dachte. Wie konnte sich eine Süßspeise als so ekelhaft herausstellen?
Mehrmals hintereinander spülte sich der Koreaner den Mund aus und klatschte sich kaltes Wasser ins Gesicht. Seine Stirn und Wangen waren heiß wie von Fieber, außerdem begannen sich Kopfschmerzen auszubreiten. Er würde Hoseok oder so fragen wo sein Handy geblieben war, damit er Seokjin anrufen konnte. Tae wollte nach Hause in sein Bett, und diese verrückten Vorkommnisse vergessen.
Aber irgendwie war es ja schon spannend, Dämonen, Vampire, er selbst ein Werwolf.
Er lachte leise, und obwohl es befreiend und befriedigend hatte wirken sollen, hallte es von den gefliesten Wänden wieder und verursachte ihm eine Gänsehaut.
Das war alles real, realer als er wollte aber das war nicht zu ändern.
"Du bist ein Werwolf", sagte er laut zu seinem Spiegelbild, "du bist ein Werwolf." Er lehnte sich vor und betrachtete sein Gesicht. Im Grunde waren da keine Unterschiede zu erkennen, aber man sah Jimin ja auch nicht an dass er ein Vampir war. Zum Glück. Taehyung hatte keine Lust mit einem rotäugigen, spitzzahnigen Ungeheuer im Frack zu essen. Und Guhle? Tae musste zugeben, dass er sich kaum etwas darunter vorstellen könnte. Hoseok sah recht normal aus, aber zu seiner Nahrung gehörte jedenfalls auch Mensch.
Dass Yoongi ein Phantom war, war schon wesentlich leichter zu erkennen. Dieses geisterhafte Aussehen und das merkwürdige, abgedriftete Benehmen - ja das passte.
Der Rothaarige entfernte sich wieder vom Spiegel und trocknete sich die Hände, dann trat er auf den Flur.
Da er nicht wusste ob Jihope wieder aus dem Frühstücksraum gegangen waren oder nicht, machte er sich allein auf den Weg zu der kleinen Wohnung, in die er hoffentlich problemlos rein kam, denn er wollte ja Yoongi wegen seinem Handy fragen. Und am besten auch nach dem ganzen Theater im Gang.
Taehyung wankte etwas als er durch das Hotel stromerte, und kurz vor der richtigen Tür blieb er stehen um den Schwindel abzuschütteln. Ob das normal war? Irgendwie Nebenwirkungen oder so?

Die Tür war verschlossen, und seufzend verzog er das Gesicht, dann klopfte er. Wenn Yoongi da war, könnte er es sich zwar abschminken hereingelassen zu werden, aber Jimin oder so würden ihm schon aufmachen.
Tatsächlich öffnete ihm jemand, es war Jungkook. "Wo sind die anderen?", war das erste was er sagte. Wie ein Türsteher blieb er im Türrahmen stehen, und machte keine Anstalten Taehyung reinzulassen. "Wahrscheinlich noch beim Frühstück, ich bin früher gegangen weil es mir nicht so gut ging", antwortete Tae wahrheitsgemäß, und blickte seinem Gegenüber in die dunklen Augen. Es war, als würde er die Nacht persönlich darin antreffen, und ihm wurde mulmig, sodass er den Blick abwandte.
"Okay, komm rein", Jungkook versuchte ein kleines Lächeln bevor er zur Seite ging und die Tür wieder hinter Taehyung zumachte und verschloss. Wirklich wie ein Torwächter, irgendwann verlangt er noch Zoll, dachte Tae, und sah sich im Raum um. Yoongi war nirgends zu sehen. Die Zeitung lag auf dem Tisch neben einem halbvollen Glas Wasser, aber die Couch war leer.
"Wo ist denn Yoongi?", Tae wusste nicht recht wie er den Dämonen einschätzen sollte, aber unfreundlich wollte er auf jeden Fall nicht sein. Es war nur so, dieser Koreaner schien mehrere Persönlichkeiten zu haben. Er erinnerte sich nur zu gut daran, als dieser ihn so erschreckt hatte, dass er aus dem Bett gefallen war. Im Flur wurde er dann zu einem Monster dass von komischen Zauberformel hatte gebändigter werden müssen, was Putzfrauen dazu veranlasste Vampire anzugreifen. Und jetzt war er einfach ganz normal, ein bisschen zu hübsch und vielleicht auch zu misstrauisch, aber dann wäre er normal.
Jungkook deutete auf Taes Frage hin auf die Küche, hinter der sich wohl das Bad befand: "Duschen. Wieso?" Er setzte sich aufs Sofa und schaute Tae an, mit einem Blick der neugierig aber auch misstrauisch gleichermaßen war.
"... Ich suche mein Handy."
"Und er hat dein Handy?"
"Ja, nein, ich glaube nur er könnte wissen wo es ist."
"Du könntest auch mich fragen."
"Um, weißt du denn wo es ist?"
"Hai", er lächelte etwas und stand auf, "warte hier, ich hole es, Hobi wollte es reparieren weil es ein bisschen was abgekriegt hat. Wahrscheinlich als du auf den Boden geworfen wurdest."
Taehyung nickte und sah Jungkook nach, der schnellen Schrittes ebenfalls in Richtung Küche verschwand. Was gab es denn da noch für Räume?
Er tat ein paar Schritte in die Küche hinein, und betrachtete die Schränke. Ob er da irgendwo etwas gegen Kopfschmerzen finden würde? Auf gut Glück zog er eine Schublade auf, aber darin war nur Besteck. Gerade als Taehyung das Fach wieder geschlossen hatte, kam ein solcher Schwindelanfall in ihm hoch, dass er sich stöhnend gegen den Schrank lehnte und die Augen schloss. "Fuck", mit dem Rücken zum Mobiliar versuchte er, sein Gleichgewicht wiederzufinden, aber sein Kreislauf verabschiedete sich gerade und sein Magen wollte auch wieder Ärger machen. Tae sah nur noch Sternchen, und irgendwas packte ihn am Oberarm. Kraftlos blinzelte er immer wieder, aber er war wie blind. Etwas zwang ihn in die Knie, und widerstandslos ließ er sich eine Backpfeife geben.
"Hey! Komm wieder zu dir Kim-san!", eine laute Stimme und ein weiterer Schlag in sein Gesicht holten Taehyung schließlich wieder langsam zurück. Er murmelte: "Was ist los... ugh... diese Kopfschmerzen." Endlich erkannte er wieder etwas, und auch die Übelkeit ließ nach. Jungkook kniete vor ihm auf dem Boden: "Hatte ich nicht gesagt 'warte hier'? Maaan." Er strich sich durch die Haare und musterte Taehyung, der sich die Schläfen massierte und dabei das Gesicht verzog. "Ich wollte etwas gegen Kopfschmerzen suchen", sagte er schuldbewusst, "und ich wollte wissen was da noch so für Räume sind." Jungkook lachte kurz und freudlos: "Was da noch für Räume sind? Suchst du eine Schatzkammer?" er hielt kurz inne, "tut mir Leid das hat sich fies angehört. Klar kann ich dich rumführen, du wohnst ja jetzt hier mit uns." Tae sah ihn an: "Ich wohne jetzt hier!?"
"Klar, was dachtest du? - Ach ja, hier dein Handy. Und ich geb dir was gegen das Kopfweh."
Taehyung nahm sein Smartphone entgegen und schaltete es ein. Während er darauf wartete dass es hochfuhr, blickte er zu Jungkook hoch, der Wasser in ein Glas füllte und eine Tablette aus einem Regal holte, das Tae nicht einmal bemerkt hatte. Er hätte wahrscheinlich ewig gesucht. Er stand auf und unterdrückte ein Stöhnen, wieder erschienen schwarze Flecken in seinem Sichtfeld, aber nur kurz.
"Ist das normal solche Kopfschmerzen zu haben?", Tae warf sich die Tablette in den Mund, die der Schwarzhaarige ihm reichte, und leerte das Glas in einem Zug.
Jungkook nickte: "Ja, die Anfangszeit ist immer eher unangenehm, weil sich dein gesamter Körper verändert, und das eben ziemlich schnell. Aber so nach höchstens einer Woche geht's normalerweise wieder." Taehyung nickte und wandte sich seinem Handy zu, wo ihm sofort etwas auffiel: "Warum hat mich Seokjin blockiert?"
"Dein Bruder?"
"Ja."
"Naja, er denkt du wärst tot, und will nicht mit einem Zombie schreiben was weiß ich?"
"Ich ruf ihn an."
"Aber wunder dich nicht wenn er komplett ausrastet..."
"Jaja, warum habt ihr auch gesagt ich sei tot!"
"Ich dachte das wurde dir schon erklärt...?"
"Ja. Aber ich verstehs einfach nicht. Ich kann mich doch nicht einfach so von all meinen Freunden und Verwandten lossagen! Aber das verstehst du ja wahrscheinlich gar nicht. Ihr lebt hier zusammen wie eine Familie und macht euch keine Gedanken über sowas. Ihr seid ein Haufen kranker Leute, die nur Angst haben anderen ihre Probleme mitzuteilen!" - Jungkook packte Taes Schultern und knallte ihn gegen den Schrank, dass man das Geschirr klappern hören konnte. Seine Stimme war leise und bedrohlich: "Du weißt nichts, rein gar nichts. Das Leben ist kein Zuckerschlecken Kim Taehyung, sieh das ein. Und wenn du nicht zu unserer Familie gehören willst, dann verschwinde", er lehnte sich vor, sodass ihre Gesichter nur noch ein paar wenige Zentimeter trennten, "und noch so als Info: Wir sind mal Menschen gewesen und hatten Eltern, so wie du. Und wenn du die deinen schützen willst, dann vergiss sie! Verdammt vergiss sie einfach. Lass sie in Ruhe, lass sie in dem Glauben die Welt sei schön und heil. Keiner hat es verdient die Wahrheit zu erfahren, denn sie ist nicht so erfreulich, wie man denkt."
Taehyung schluckte und starrte unentwegt in die dunklen braunen Augen, in denen Anzeichen von Tränen schimmerten. Das hatte er nicht gewollt. Scheiße er wünschte sich, das niemals gesagt zu haben.
Der warme Atem des Dämons strich fast beruhigend über sein Gesicht, er spürte wie Jungkooks Körper zitterte, vor Wut?

"Ja... Hallo? Tae? Wer ist da...?", das Handy lag auf dem Boden, Seokjin war dran.

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