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„Und du bist Max.", sagte Suna und schenkte ihm ein kleines Lächeln. Max nickte und gesellte sich zu ihr in den Sand. Suna packte ihr Büchlein weg und betrachtete ihn. Er tat es genauso.

Max war schlicht gekleidet. Keine auffällige Kleidung. Irgendwie genau das Gegenteil von ihrem besten Freund T. Aber darauf kam es auch nicht an. Weder auf die Klamotten, noch das Aussehen. Es ging um die gleiche geistliche Wellenlänge. Zumindest in ihrer Familie.

„Wieso bist du ohne Sebastian da?", fragte Suna interessiert und erkundete seine Augen. Auch sie waren braun, wie Sebastians. Augen gaben so viel über einen Menschen preis. Sie konnten der Schlüssel zur Seele sein. Konnten immer verraten, wann eine Person glücklich, traurig oder verletzt war. Es gab Freudentränen. Und es gab die Tränen des Schmerzes. Von letzteren hatte Suna in ihrem Leben viel zu viele vergossen.

„Er hat noch zu tun. Videos und so.", antwortete Max und blickte hinab auf den Rhein.

Videos und so. Das wunderte Suna nicht. Sie wusste, dass die Brüder Max und Sebastian Videos auf YouTube veröffentlichten. Sie hatte sich noch nie eines der Videos angeschaut. Suna wollte ihre Familie selbst kennenlernen. Nicht über einen Bildschirm. Genauso wie sie mit den anderen Musik produzierte und damit ihr Geld verdienten, taten Max und Sebastian das über YouTube. Jeder hatte sein eigenes Kreuz zu tragen.

Die Zeit verging. Keiner von beiden, weder Max noch Suna, sagten ein Wort während dieser Zeit. Sie beide genossen die Stille, welche an dieser einen besonderen Stelle herrschte. Am Rand des Flusses schwamm eine Entenfamilie. Auch sie genossen die Ruhe.

‚Wir würden dann ins Studio fahren. Kommst du mit?'

Suna blickte auf ihr Handy. Eine Nachricht von T.

Ohne Worte stand sie auf und schulterte ihren Rucksack. Max sah ihr zu und verabschiedete sich von ihr. Mit einem entspannten Lächeln drückte Suna sich an den Büschen und der Mauer vorbei.

Ihr Kopf war leer. Die Gedanken geordnet. Max war ein toller Geselle. Er verstand es, einfach ruhig zu sein und die Welt flowen zu lassen. Auch wenn er vielleicht nicht so aussah. Suna mochte ihn. Sie wusste, dass sie beide auf der gleichen Wellenlänge waren. Und dieses Gefühl wollte sie nicht missen.

Bei ihrer Wohnung angekommen wartete ihre Familie bereits vor dem Auto. Marley setzte sich ans Steuer, Luna auf den Platz des Beifahrers und T, Ardy und Suna quetschten sich auf den Rücksitz. Suna saß am Fenster und lehnte ihren Kopf an das kühle Fenster. Sie beobachtete, wie sich dicke Wolken vor die strahlende Sonne schoben. Regentropfen benetzten die Fenster des Autos und sorgten nach kurzer Zeit für erschwerte Sicht. Max kam in ihre Gedanken. Sie konnte sich vorstellen, dass er trotz des Regens am Rhein blieb.

„An was denkst du?", fragte Ardy neben ihr. Suna blickte ihn an und sah kurz darauf hinunter zu seinen Tattoos. Sie faszinierten sie immer wieder. Suna kannte die Bedeutung nicht. Aber das brauchte sie nicht. Einzig und allein Ardy kannte seine Geheimnisse und seine Vergangenheit.

„An Max. Ich hab ihn getroffen.", sagte sie leise und blickte wieder verträumt aus dem Fenster. Suna hörte Ardy leise lachen.

Im Studio angekommen setzte Luna sich auf eines der Sofas und zog ihre Kamera heraus. T und Ardy nahmen auf zwei Stühlen platz und Marley setzte sich an seine Mischpulte. Suna allerdings setzte sich ans Klavier und strich vorsichtig über die Tasten. Für sie war es eine Ehre, dass sie auf diesem Klavier spielen durfte, wo es doch Marley gehörte.

Das war ihr Job bei Dat Adam. Zusammen mit Marley produzierte sie die Beats. Es hatte lange gedauert, bis Suna ihr Instrument gefunden hatte. So wie es bei manchen die Gitarre war, waren es bei Taddl und Ardy ihre Stimmen, bei Marley einfach jedes Instrument und bei Suna war es das Klavier.

Allerdings hatte jeder seine eigenen Geheimnisse. Und so hatte Suna das Geheimnis, dass die hervorragend singen konnte. Nur hatte sie es noch nie jemandem erzählt. Sie fand, dass man beim Singen verletzlich sein konnte. Und das wollte sie nie wieder sein. Nicht, nachdem eine ganz bestimmte Person diese Verletzlichkeit schamlos ausgenutzt hatte.

Der Tag im Studio verging sehr schnell. Die kleine Familie war weit gekommen. So produktiv waren sie lange nicht an einem Tag gewesen. Keiner wusste, woran das lag. Aber man musste es nicht herausfinden. Sie alle waren einfach glücklich, dass alles so gut funktioniert hatte. Meistens vergeht eine schöne Zeit schneller. Die Zeit, in welcher man Schmerzen erleidet, möchte nie enden. Manchmal möchte man die Zeit anhalten und den Moment genießen. Aber manchmal soll die Zeit einfach nur vergehen.

An ihrer Wohnung angekommen, machte sie Suna wieder auf den Weg in die Stadt. Sie ließen sie gehen. Suna brauchte ihren Freiraum und handelte meist, wie ihr Gefühl es gerade wollte. Oft ließ sie ihre Gedanken einfach aus dem Spiel um den Moment zu genießen. Die Sterne leuchteten am Himmel. Die Regenwolken hatten sich verzogen. Der Mond schien hell auf Suna hinab. Sie hatte das Gefühl, seine Energie spüren zu können. Die Kraft, die ihr der Mond gab. Was eigentlich witzig war. Denn ihr Name Suna bedeutete eigentlich Sonne.

Als sie an der ruhigen Rhein-Stelle ankam, stockte sie. Dort stand eine Person. Ein junger Mann. Er hatte Suna noch nicht bemerkt. Sie betrachtete ihn in voller Ruhe. Er trug ein weißes T-Shirt. Seine Muskeln am gesamten Oberkörper wurden dadurch betont. Er hatte eine kräftige Statur. Kurze Haare. Seine Arme waren vor seinem Oberkörper verschränkt. Tief in Gedanken blickte er auf den Rhein. Er stand nahe am Wasser, aber es berührte seine Schuhe noch nicht. Für Suna war dieser Anblick etwas besonderes. Dieser Moment hatte etwas magisches. Dieser junge Mann... Für Suna sah er aus wie ein Engel. Wie seine Haare im Mondlicht schimmerten und seine Muskeln sich unter seinem Shirt abzeichneten. Es war perfekt.

Langsam machte sie ein paar Schritte auf ihn zu. Suna wusste, dass er sie nun doch bemerkt hatte. Und sie wusste auch, dass es sich bei dem Mann um Sebastian handeln musste. Sie hatte sein gesamtes Aussehen noch im Kopf.

"Endlich lernen wir uns kennen.", sagte er leise, als Suna neben ihm stand. Er löste seine verschränkten Arme und ließ sie nun schlaff neben seinem Körper hängen. Sein Kopf drehte sich nach links. Er erkannte ein wunderschönes Mädchen. Türkise Haare. Ein hübsches Gesicht. Ein Körper wie von einer Elfe. Ein Blick in die Ferne, welcher so unergründlich war. Sebastian konnte nicht ahnen, dass er sich mit der Zeit immer mehr in diese Frau verlieben würde.

Sun • Eskay | KrancrafterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt