Kapitel 4

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Lara Weber

Die Nacht war wie immer kurz für mich. Der erste Blick führte natürlich auf mein Handy, ich musste schließlich gucken was so los ist.

Danach stand ich auf und zog mir eine schwarze Hose an und eine etwas weitere Jacke über das T-Shirt. So konnte ich meinen sehr dünnen Körper vor den interessierten und spöttischen Blicken meiner Mitschüler verstecken.

Ich schleifte mich ins Badezimmer und kämmte mir mit mühe meine Haare durch, die gefühlt zu allen Seiten abstanden. Als ich sie gebändigt hatte, wusch ich mit kaltem Wasser mein Gesicht. Das Wasser pellte von meinen Wangen und es bildeten sich Tropfen.

Mein Blick fuhr hoch zum Spiegel und ich spürte wie die kalten Tropfen von meinem Gesicht rutschten und auf dem Beckenrand landeten.

Plötzlich hörte ich meine Mutter hoch rufen.

"Lara?! Bist du aufgestanden? Ist alles okay?" Schrie sie. Ich seufzte genervt und schluckte gerade meine Tabletten.

Ich lief wieder in mein Zimmer und nahm die Flasche Wasser vom Nachttisch um sie irgendwie runter zu bekommen.

"Ja! Ich komme gleich!" Antwortete ich ihr genervt. Während ich die Flasche wieder zu drehte, fuhr mein Blick zu einem Bild was über meinem Schreibtisch hing.

Darauf abgebildet war ich mit meiner Familie und meinem Opa. Wir standen vor einer kleinen Hütte in den Bergen.

Ich war noch klein, weshalb ich mich nicht mehr an alles erinnern kann. Ich weiss nur noch wie oft wir dort hoch gewandert sind in den Ferien.

Mein Opa ist mittlerweile tot und hat mir vorher die alte Hütte überschrieben. Seit dem waren wir nur noch einmal dort oben. Dann kam meine Krankheit. 

Ich lief die Treppen runter und kam im Esszimmer an. Meine Mutter saß zusammen mit meiner Oma daran und frühstückte gemütlich. Ich setzte mich seufzen auf einen Stuhl und betrachtete mein Müsli.

"Hey. Hast du kein Hunger, mein Schatz?" Fragte mich meine Mutter und legte eine Hand auf meinen Arm. Ich schüttelte den Kopf und sah die beiden kaum an.

"Bist du noch sauer auf mich?" Fragte meine Mutter während sie in ihr Brötchen biss. Sie guckte mich nicht mal an, anscheinend konnte sie mich immer noch nicht verstehen und war wohl eher sauer auf mich.

Mein Blick fuhr zu meiner Oma. Die sah mich nur lächelnd an und guckte dann zu meiner Mutter. Ich stand Kopfschüttelnd auf.

"Wo willst du denn jetzt hin?" fragte meine Mutter. Ich drehte mich um und guckte ihr tief in die Augen.

"Ich gehe zur Schule. Ist das okay oder willst du mich begleiten?" fragte ich meine Mutter und sah sie genervt an. Sie seufzte und ich ging. Als ich hinter der wand im Flur verschwunden war, hörte ich meine Mutter wie sie völlig fertig sagte, dass sie nicht mehr weiß was sie mit mir machen soll.

Plötzlich kam in mir ein ungutes Gefühl auf. Ich fühlte mich schlecht dabei meine Mutter so zu behandeln und mit ihr zu streiten.

Bevor ich weiter zuhörte, lief ich in mein Zimmer und nahm meine Schultasche.

Ich rannte aus dem Haus und lief mit Kopfhörern im Ohr zu meiner Bushaltestelle.
In Gedanken war ich bei meiner Mutter. Sie tat mir irgendwie leid, aber ich möchte einfach das sie mich versteht. 

Der Bus kam und öffnete für mich die Tür. Ich stieg langsam ein und blieb kurz auf der Treppe stehen um, wie jeden morgen einen kurzen blick durch den Bus zu werfen, damit ich mir einen Überblick über die freien und besetzten Sitzplätze schaffen konnte.

Als ich mir einen sitz ausgesucht und platz genommen hatte, fuhr der Bus weiter. Während der langen Fahrt dachte ich nochmal über die Hütte nach. Ich will dort so gerne hin. Ich meine es ist Freitag und dann sind Sommerferien, wenn nicht jetzt wann dann.

Außerdem wer weiß, vielleicht sind das die letzten Ferien die ich noch erleben darf. Wieso sollte ich nicht endlich mal anfangen so zu leben als wäre jeder Tag mein letzter und jeden Moment zu genießen.

Ich schnappte mir mein kleines Buch und schrieb, gedankenverloren hinein.

Liebes Tagebuch,

Ich glaube in meinem ganzen Leben war ich mir noch nie so sicher etwas so dringen zu tun. Endlich hatte ich wieder die Kraft und Lust etwas zu tun.

Mein Opa hatte eine Hütte, ganz weit oben in den Bergen, als er starb hat er mir diese überschrieben und er hat sich gewünscht das wir noch viele male dort hinauf wandern würden.

Jetzt werde ich seinen Wunsch und meinen Wunsch erfüllen. Es sind Ferien, wahrscheinlich die letzten für mich. 6 Wochen ist eine lange Zeit und wie du weißt, Zeit habe ich keine.

Ich habe endlich beschlossen all meinen Mut zu nehmen und auf eine reise zu gehen. Meine Mutter ist nicht so davon überzeugt. Doch trotzdem muss ich es machen. Für meinen Vater, für meinen Opa und vor allem für mich.

Wünsch mir glück. Diese Reise ist wahrscheinlich die verrückteste aber auch spannendste Idee, die ich jemals hatte.

Ich schloss das Buch wieder und beobachtete wie eine Gruppe von Mädchen in den Bus stiegen. Der Bus fuhr weiter und hielt vor der Schule.

Als ich den Bus verließ kam mir meine Freundin schon entgegen, sie war die einzige die von meiner Krankheit wusste und somit war sie auch meine einzige Freundin hier. Aber damit kam ich klar.

Wir begrüßten uns mit einer Umarmung. Dann liefen wir zu unserer Klasse. Bei uns in der Schule ist es üblich das wir am letzten Tag vor den Ferien nichts mehr machen. Wir haben heute nur ein großes Treffen in unserer Aula, wo alle Schüler und Lehrer hinkommen. Danach gucken wir bis 10:30 Uhr Filme.

Dann ist Schluss und wir fahren alle nach Hause, die meisten Schüler fahren sofort in den Sommerurlaub mit der Familie. Manche haben es zur Tradition gemacht, am letzten Tag zum Freibad zu fahren, um schwimmen zu gehen und ein Lagerfeuer zu machen. Ich nicht. Ich bin einfach nach Hause und habe nichts gemacht. So ist das heute aber nicht der Fall.

Hold Me Tight Until I Fly Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt