Kapitel 5 - Abenteuerlust

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Durch die Lücke in den Vorhängen fielen die Sonnenstrahlen des Sonntagmorgens in den Schlafsaal der Ravenclawerstklässler und ließen die Staubkörner in der Luft einen wilden und verrückten Tanz aufführen. Noah beobachtete ihr Treiben einige Zeit lang, wie sie wie frischer Schnee von der Decke rieselten und dann von einem jähen Luftzug wieder hinaufgewirbelt wurden und es wirkte beinahe so, als würden sie einem gewissen Muster folgen. Fast, als wollten sie, dass man ihrem Auftritt zusah und sich selbst darin verlor.

Er schüttelte energisch den Kopf und streckte seine Arme über den Kopf. Er hatte eindeutig zu wenig geschlafen, wenn er bereits über die poetische Bedeutung von Staub nachdachte. Seine Klassenkameraden schliefen alle noch tief und fest, er konnte auf dem Wecker, der ruhig auf Edwins Nachtschrank stand, die Zeit ablesen. Wenigstens hatte der junge Ravenclaw dieses Mal daran gedacht, ihn auszustellen, dachte Noah und erhob sich langsam. Die Nächte schienen Hogwarts anders zu vergehen, überlegte Noah nachdenklich, als er aus dem Bett stieg und auf Zehenspitzen zu dem kleinen Schrank tapste, den er am Abend noch befüllt hatte. Als er und Jade noch bei ihrer Großmutter gelebt hatten, war er des Öfteren in der Nacht aufgewacht und hatte dann wach gelegen, doch bisher hatte er die beiden Nächte komplett durchgeschlafen. Es war eine schöne Abwechslung, stellte er fest, auch wenn er dadurch recht früh aufwachte.

Nach einer morgendlichen Wäsche zog er sich die Hogwartsuniform an und verließ den Schlafsaal, darauf bedacht, keine zu lauten Geräusche zu machen. Der große Gemeinschaftsraum war bereits mit einigen Schülern besetzte, die in den Sesseln lümmelten oder die morgendliche Ausgabe des Tagespropheten lasen. Noah konnte niemanden entdecken, dem er Gesellschaft leisten konnte – Eileen und Olivia mussten wohl auch noch schlafen – deshalb verließ er den Gemeinschaftsraum, ohne noch einmal auf den schnarchenden Türknauf zu achten.

Er lief die schmale Wendeltreppe hinunter, die von gelegentlichen Aussparungen in der Wand beleuchtet wurde und blieb dann ungefähr bei der Hälfte stehen. Die Ländereien sahen am Morgen so still und ruhig aus; die Oberfläche des Schwarzen Sees wirkte wie ein frisch polierter Spiegel, das dunkelgrüne Gras wellte sich leicht und die Wipfel des Verbotenen Waldes schwankten bedrohlich. Noah starrte auf die Bäume und einer plötzlichen Eingebung folgend rauschte er die restlichen Treppen hinunter. Er bog nach rechts, genau wie am vorigen Tag mit Eileen und Olivia und erreichte die Treppen. Einige in den unteren Geschossen bewegten sich gerade. Noah blieb plötzlich stehen, als ihm einfiel, dass er nicht wusste, wo Jades Schlafsaal war, sodass er sie überhaupt nicht mitnehmen konnte, um zum Wald zu gehen.

Er würde sie unbedingt fragen müssen, wenn er sie sah, sagte er sich, als er die erste Treppe herunterlief. Ein Gemälde an der Wand rief ihm nach, er solle nicht so rennen, dann war er schon in der Eingangshalle angekommen. Er ignorierte die aufgestoßenen Pforten zur Großen Halle, aus der Stimmen von Schülern und andere Geräusche wehten, und lief direkt auf das eichene Eingangstor zu. Es ließ sich, entgegen seiner Erwartungen, relativ einfach aufstoßen und er konnte auf einen steinernen Innenhof treten. Die Luft roch nach Gras und frischer Erde, als er auf einen Pfad trat, der auf die Ländereien führte. Er kam an den Gewächshäusern vorbei, in denen einen pummlige Hexe stand, flauschige, rosafarbene Ohrschützer auf dem Kopf und etliche Blumentöpfe in den Händen. Neben ihr stand ein Mädchen mit stechend, hellgrünen Haaren, die anscheinend sehr schnell auf die Freu einredete. Sie hatte einen leicht genervten Gesichtsausdruck aufgesetzt, als sie sich umwandte.

Der taufrische Rasen benetzte seinen Umhang mit feinen Wassertropfen, als er die Ländereien vollends betrat. Noah lief bis an den Rand des Verbotenen Waldes, vorbei an einer einfachen, aber großen Holzhütte, aus dessen Schornstein Rauch drang. Er wusste, dass der Halbriese Hagrid dort wohnte. Noah hatte sich seinen Namen eingeprägt, da Hagrid einen doch recht bleibenden Eindruck bei ihm und den anderen Erstklässlern hinterlassen hatte, der keineswegs negativ war. Im Gegenteil: Hagrid wirkte wie ein freundlicher Geselle. Trotzdem ging er an der Hütte vorbei weiter auf den Wald zu.

Definitiv nicht Harry Potter! (1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt