Drei Wochen später, nachdem wir die Flüge gebucht hatten und auch die lästigen Dinge mit dem Visum geklärt worden waren, sollte ich am Nachmittag nach Japan fliegen. Die letzten drei Wochen verbrachte ich in der Villa. Weder Dom, Brian oder Mia ließen mich aus den Augen. Mir sollte bis zu meinem Abflug nichts passieren und vor allen Dingen sollte ich nicht auf Diego treffen. Wenn ich an die letzte Begegnung mit ihm dachte, kam die Angst immer noch in mir hoch. Vielleicht sollte ich wirklich nicht so sehr mit dem Feuer spielen. Aber würde ich das in Japan wirklich durchhalten? Ein Mensch konnte sich doch nicht von heute auf morgen komplett ändern.
Dom kam in mein Zimmer und unterbrach meine Überlegungen. „Hast du alles soweit gepackt Serena?" „Ja habe ich. Weißt du, ich werde dich und die anderen wirklich vermissen. Es tut mir leid, dass ich dir so einen Stress verursacht habe." Dom schaute mich liebevoll an und setzte sich zu mir auf mein Bett. „Serena, ich war auch einmal jung, habe viel Scheiße gebaut. Selbst heute habe ich noch genug Dreck am Stecken. Ich liebe dich wie meine eigene Tochter. Es fällt mir nicht leicht dich gehen zu lassen, aber es muss sein. Ich muss dich und dein Leben schützen, auch wenn ich mir sicher bin, dass du in Japan nicht ohne Männerprobleme leben wirst. Ich kenn doch meine Nichte", sagte Dom und lächelte dabei.
„Suki wird dich vom Flughafen abholen. Du wirst bei ihr wohnen und wenn du Fragen hast, kannst du dich immer an sie wenden. Sie gehört zu meiner Familie... Du gehst dann ab jetzt ein Jahr lang in eine Vorbereitungsklasse für die Universität." Das war aber jetzt nicht sein Ernst? Ich sollte wirklich noch einmal die Schulbank drücken? Ich schaute Dom mit einem Schmollmund an, doch es half nichts er blieb stur. „Du brauchst mich gar nicht so anzusehen Serena. Du gehst zu diesem Vorbereitungskurs. Basta! Denk dran, ich hab immer Kontakt mit Suki. Eines Tages stehe ich sonst in Japan und schleife dich zu diesem Kurs." Ich lächelte Dom an und sagte: „Ai Ai Sir". Wir hörten wie Brian, gefolgt von Mia die Treppe hoch kam. Es wurde ernst. Meine letzten Stunden in Rio gingen schneller vorbei als gedacht. Es wurde Zeit zum Flughafen aufzubrechen.Ich fuhr ein letztes Mal mit Dom und seinem 1970er Plymouth Roadrunner. Heute durfte sogar ich fahren und ich genoss die letzte Fahrt in vollen Zügen. Brian und Mia folgten uns in einem 2008 Subaru Impreza WRX STi. Wir lieferten uns eine wilde Verfolgungsjagd, die ich für mich entscheiden konnte.
„Der letzte Aufruf für alle Passagiere der Transairline von Rio de Janeiro nach Tokyo. Bitte kommen sie nun zu Gate A32.", dröhnte die Ansage aus den Lautsprechern. Es war so weit. Länger konnten wir den Abschied nicht hinauszögern. Zuerst verabschiedete ich mich unter Tränen von Mia und Brian. Mia gab mir als kleines Geschenk ein kurzes rotes Strickkleid. Es war ihr Lieblingskleid, welches ich oft an ihr bewundert hatte. „Aber Mia, das kann ich nicht annehmen. Das ist doch dein Kleid." Ich war wirklich gerührt von dieser Geste. Mia lächelte mir aufmunternd zu und sagte: „Doch, du kannst es annehmen. Ich möchte das du es in Japan trägst und an unsere gemeinsame Zeit hier denkst." Ich umarmte sie noch einmal fest. Mein Blick fiel nun auf Dom. Zum ersten Mal in meinem Leben sah ich, dass mein Onkel mit den Tränen kämpfte. Erst jetzt, in dieser Situation wurde mir bewusst, was ich mit meinen Männergeschichten angestellt hatte. Doch ich konnte es nicht mehr Rückgängig machen, musste versuchen den Teufel in mir in Japan zu unterdrücken, um Dom stolz zu machen. Doch es würde mir wahrlich schwer fallen. Ich ließ mich mit vom weinen geröteten Augen in Doms Arme gleiten. Er sagte nichts und streichelte mir nur beruhigend über den Kopf. Plötzlich fing er an etwas in mein Ohr zu flüstern: „Serena, das einzige was ich mir für dich in Japan wünsche, ist das du endlich die wahre aufrichtige Liebe kennen lernst." Ich konnte darauf nichts antworten. Dieser eine Satz traf mich bis ins Mark und ich würde ihn mir zu Herzen nehmen. Was er in seiner vollkommenen Gänze bedeuten sollte, würde ich erst viel später verstehen...
Mein Onkel schien aber noch nicht fertig zu sein. Denn nach einer kurzen Pause redete er mit einem breiten Lächeln im Gesicht weiter. „Vergiss aber vor lauter Liebe nicht die Rennen. Dafür bist du zu gut. Du bist eine Toretto. Vergiss das nie. Wir Torettos verlieren keinen Kampf und kein Rennen." Ich hörte auf zu weinen und lächelte zurück. Ja ich war eine Toretto, war stark, würde alle Hürden meistern und mein Leben genießen. Ich gab ihm einen Kuss auf die Wange. „Danke für alles!". Nach diesen kurzen Worten drehte ich mich um und ging. Ich schaute nicht mehr zurück. Konnte es nicht mehr...Es hätte den Schmerz den ich eh schon empfand nur noch vergrößert.
Die Stewardess begrüßte mich freundlich als ich ins Flugzeug einstieg. Mit Doms Geld hatte ich einen schönen Platz in der First Class bekommen. Manchmal hatte es Vorteile, wenn man Geld besaß. Meinen Eltern wussten nichts von Tokyo. Wir hatten ihnen gesagt, dass er mir gut gehen würde und dass in Rio alles in geregelten Bahnen verlief. Sie sollten nie etwas über das Geschehene erfahren. Ich begann in eine der Zeitschriften vor mir zu blättern und sofort stach mir eine Überschrift ins Auge. „Tokyo - eine Stadt die ihre neue Welt werden könnte."Nach einem viel zu langem Flug kam ich spät abends endlich in Tokyo an. Der Flughafen war riesig. Ich brauchte wirklich lange bis ich mich ansatzweise zurechtfand. Mein Koffer hatte bestimmt schon seine zwanzigste Runde auf dem Laufband hinter sich, dachte ich mir und musste grinsen. Endlich, fand ich dann auch das richtige Band mit meinem Koffer, kam schnell durch den Zoll und wurde vom Regen begrüßt. Na das fing ja schon mal toll an. Da war mir die Sonne in Rio schon mal lieber gewesen. Ich zog meinen grauen langen Strickmantel enger um meine Schultern. Suki stand an einem Geländer und tippte irgendetwas in ihrem Handy ein. Sie hatte sich kein bisschen verändert, nachdem ich sie vor 5 Jahren das letzte Mal zusammen mit Dom und Brian gesehen hatte. Wir verstanden uns damals gut, obwohl wir nie viel miteinander zu tun gehabt hatten. Sie weißte immer noch die gleichen blonden Haare, den verrückten Kleidungstil und diese bemerkenswerte dünne Figur auf. Es würde mich nicht wundern, wenn sie auch noch ihren geliebten Pinken Honda S2000 besitzten würde.
Ich ging einige Schritte auf sie zu und kurz bevor ich bei ihr ankam erkannte sie mich. Wir umarmten uns zur Begrüßung, danach verbeugte ich mich, wie es sich in Japan gehörte. Sie grinste mich an und sagte: „Kon'nichiwa. Donna choushi desu ka?" Ich antwortete ihr: „Watashi wa genki desu!" (Hallo, wie geht es dir?-Mir geht es gut). „Du kannst also immer noch japanisch sprechen?" „Ja, aber lange nicht mehr so gut. Ich bin schon ein bisschen aus der Übung, also lass uns besser auf Englisch umsteigen". Sie tat mir dann auch den Gefallen und wir gingen in Richtung Parkhaus. Sie erzählte mir, dass sie hier in Tokyo eine eigene Tuningwerkstatt besaß, die sehr gut lief, da die Szene in den letzten drei Jahren stark gewachsen war. Ich freute mich ehrlich für sie und siehe da, als wir das Parkhaus betraten sah ich schon von weitem den Honda S2000. Jedoch war er nicht mehr in diesem knalligen Pink sondern in Lila Tönen gehalten mit Pinken und weißen Blumenornamenten. Für mich eigentlich viel zu kitschig aber zu Suki passte es perfekt. „Du hast ihn ja immer noch. Das finde ich klasse." „Ja, ich kann mich einfach nicht von ihm trennen", antwortete die blonde Japanerin.
Wir fuhren in einem Affenzahn durch Tokyo. Die Stadt empfing mich mit tausenden von Lichtern und ich war einfach nur überwältigt. Sukis Haus lag in einer ruhigeren Ecke. Es war eines von diesen typischen kleinen japanischen Häusern. Von innen, war es jedoch modern eingerichtet.
In meinem Zimmer stand ein richtiges Bett mit Federkernmatratze und kein Futon. Auch sonst war es sehr nach meinem Geschmack. Die Wände waren in einem hellen weiß gestrichen und an ihnen waren Kreise in verschiedenen Blautönen aufgemalt. Mein Schrank sowie mein Schreibtisch waren aus dem gleichen hellen Holz, wie mein Bett. Ein großer Spiegel hing an der Wand, in dem sich das Licht der Lampen spiegelte. Kurz gesagt, es war perfekt. „Das Zimmer ist wirklich schön Suki. Vielen lieben Dank das du mich bei dir aufgenommen hast." „Das habe ich sehr gerne gemacht. Morgen, wenn du ausgeschlafen bist, zeige ich dir ein wenig die Stadt und stelle dich meinen Freundinnen vor. Neela und Du werdet euch bestimmt gut verstehen. Dein Vorbereitungskurs fängt erst in zwei Wochen an. Du hast also noch genügend Zeit dich hier einzuleben. Die Tuning-Szene und die illegalen Straßenrennen werden dich sowieso am meisten interessieren nicht wahr?" als sie das sagte, musste Suki lachen. Sie kannte mich einfach zu gut. „Ja damit hast du vollkommen Recht. So ich gehe jetzt schlafen. Wir sehen uns ja dann morgen früh. Schlaf gut. Gute Nacht." „Ja das wünsche ich dir auch", antwortete sie mir noch und verschwand in ihrem Zimmer.
Ich schrieb Dom noch schnell eine SMS, das alles gut geklappt hatte und ich heil in Tokyo angekommen war. Fassen konnte ich immer noch nicht alles. Doch ich war zu müde zum Grübeln und schlief schnell ein.
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Tokyo, where the world turns into light
RandomDie einundzwanzigjährige Serena, sieht aus wie ein typisches amerikanisches Girlie, hat jedoch eine dunkle Seite. Eine Seite, die sie nicht nur einmal in Gefahr bringen wird. Doch es gibt Menschen wie ihren Onkel Dominic in ihrem Leben, die sie besc...