39✔️

7.4K 346 61
                                    

    Jin verbrachte den restlichen Tag mit tödlicher Langeweile. Jimin war mit Yoongi unterwegs und seinen Bruder durfte er auch nicht sehen. Hoseok hatte zu tun und Jungkook, mit dem wollte er nichts zu tun haben. Jin sah sich ein paar DVDs an oder versuchte zu lesen. Jimin hatte ihm bei Gelegenheit ein paar Bücher besorgt. Auch ein Mittags-Schläfchen gönnte er sich. Zwischendurch brachte ihm jemand das Mittags- und später das Abendessen. Trotzdem zog sich der Tag unglaublich in die Länge. Aus Trotz hatte er eine Boxershorts und ein Shirt von sich angezogen und legte sich gegen zweiundzwanzig Uhr ins Bett. Lange konnte er nicht einschlafen und wälzte sich wiederholt von einer Seite auf die andere. Unruhig schlief er schließlich doch noch ein.

    Am frühen Morgen stellte Jin fest, dass er alleine geschlafen hatte. Missmutig stand er auf und ging ins Bad. Dort entschied er sich zu Duschen, was er dann auch tat. Danach zog er sich, die Tatsache ignorierend, dass er eigentlich nur ein Hemd tragen durfte, eine Jogginghose und einen Kapuzenpullover an. Er spielte mit dem Gedanken, das Zimmer zu verlassen, wollte aber dann doch nicht zu aufmüpfig sein, also wartete er ungeduldig. Eine knappe Stunde später holte ihn Jimin zum Frühstück ab. Erleichtert atmete er auf. Er hatte schon gedacht, er müsse den Tag wieder alleine verbringen. Im Esszimmer stellte Jin enttäuscht fest, dass sein Entführer nicht anwesend war. 
    „Namjoon ist heute Morgen ganz früh los und hat Yoongi mitgenommen. Er muss seine Verhandlungen wieder aufnehmen, die er wegen dir unterbrochen hatte. Wahrscheinlich dauert das länger“, klärte Jimin ihn auf, nachdem er dessen Blick zum leeren Stuhl am Kopf der Tafel gesehen hatte. 
    „Wen interessiert das denn?“, gab Jin schnippisch von sich und stopfte sich wütend einen Muffin nach dem nächsten in den Mund. Dieser verdammte Kerl hatte sich nicht einmal von ihm verabschiedet! Als er beim fünften Muffin angelangt war, bemerkte er Jimins erschrockenen Blick. Beschämt wandte er den Kopf ab und nuschelte mit vollem Mund eine Entschuldigung. 
    „Jin, was ist los mit dir?“ Jimin griff nach einem Croissant und aß es gemütlich auf. Währenddessen sah er seinen Freund abwartend an.
    „Nichts.“ Jin trank in einem Zug seinen Tee leer und stellte abrupt seine Tasse ab. Immer wieder glitt sein Blick zu dem leeren Stuhl des Mafia-Bosses. 
    Jimin kicherte. „Das sieht aber nicht danach aus, als wäre es nichts“, meinte er schließlich und lehnte sich interessiert vor.
    Jin zögerte und atmete ein paar mal tief durch. Er wollte nicht wütend sein, allerdings konnte er nicht wirklich etwas dagegen machen. „Ach, ist doch egal“, sagte er aufgebracht und zwang sich zu einem Lächeln, welches völlig daneben ging. 
    Der Arzt sah ihn entsetzt an. „Lass das bitte. Du machst mir Angst, wenn du mich so gruselig anlächelst.“ 
    Das brachte Jin schließlich doch noch zum Lachen und er umarmte den Grauhaarigen spontan. „Ich bin so froh, dich als meinen Freund zu haben, Jimin. Du glaubst gar nicht,  wie froh!“ 
    Jimin erwiderte die Umarmung, dann schob er Jin von sich und stand auf. „Komm, lass uns einen Spaziergang machen.“ Mit diesen Worten lief er ins Foyer, gefolgt von einem begeisterten Jin. 
    Draußen war es noch frisch, weshalb sie erst ihre Jacken holen mussten. Kurz danach traten sie ins Freie. Langsam machten sie sich auf den Weg zum See. Sie umrundeten den Teich ein mal, während sie sich unterhielten. 
    „Jin, geht es dir hier bei uns gut?“ Jimin war stehen geblieben und blickte gedankenverloren über das Wasser. 
    „Ja, schon. Warum fragst du?“ Stellte dieser eine Gegenfrage.
    „Na ja. Wenn man bedenkt, dass du hier mehr oder weniger gefangen gehalten wirst. Der Boss mit dir nach Lust und Laune schläft und auch dein Bruder nicht mehr wegkann.“ Jimin zuckte mit den Schultern und starrte weiterhin auf das glitzernde Wasser. Jin schlang die Arme um den Grauhaarigen und drückte sich an dessen Rücken. 
    „Möchtest du immer noch, dass ich dir von Kibum erzähle?“ Jin hatte die Worte nur geflüstert, aber Jimin hatte ihn gehört. Er löste die Hände des Braunhaarigen vor seiner Brust und drehte sich in dessen Umarmung um. Dann sah er ihn ernst an. 
    „Natürlich möchte ich das. Der Boss hat mir von Seokjin erzählt und Yoongi von einem weiteren Jin, der ziemlich Selbstbewusst und Angsteinflößend sein soll. Du hast eine Persönlichkeitsstörung und ich möchte nicht, dass du daran zerbrichst.“ 
    Jin schwieg für einen Moment. „Drei Persönlichkeiten? Wirklich? Ich meine, von zwei wusste ich bereits, aber drei?“ Er sprach leise. „Kann man das heilen?“ 
    Jimin nickte. „Ja, aber du musst über deine Vergangenheit sprechen. Erst, wenn du das schaffst, kann sich deine Seele erholen.“ Er wirkte ziemlich sicher und Jin vertraute ihm, also fing er an zu sprechen.
    „Vier Monate wurde ich in einem kalten Kellergewölbe festgehalten. Jeden Tag hat er mich gewaschen, als ich an das Bett gefesselt da lag. Er hat mich gefüttert und mir mehrmals täglich einen Katheter gelegt, damit ich nicht zur Toilette musste. Nur manchmal durfte ich zur Toilette und dabei beobachtete er mich.“ Jin hielt inne und atmete zitternd ein. Jimin legte beschützend seine Arme um ihn, was ihn tatsächlich tröstete. „Nach ungefähr einer Woche fing er an, mich zu quälen. Zuerst waren es nur kleine Schnitte, die er überall auf meinem Körper verteilte. Dann folgten Schläge, Peitschenhiebe und Brandwunden. Alle auf meinem Rücken.“ Erneut machte er eine Pause. „Damit kam ich noch zurecht. Ich hatte zwar Schmerzen, aber ich lebte. Irgendwann streute er Salz oder Zitronensaft auf meine Wunden, was mich manchmal ohnmächtig werden ließ. Das machte ihn wütend und er fing an, mich zu vergewaltigen. Er stieß immer ohne Vorbereitung und mit aller Gewalt in mich. Oft blutete ich, was ihn noch erregter werden ließ. Dann fing er an, Dinge in mich zu rammen. Wenn ich schrie, spritzte er auf mich ab. Täglich verlangte er von mir einen Blowjob. Er schob sich dabei ganz tief in meinen Hals und wenn ich würgte, lachte er.“ Jin hielt inne. Er hatte nicht bemerkt, dass er angefangen hatte zu weinen. Jimin streichelte ihm ununterbrochen beruhigend über den Rücken.
    „Jeden Tag verlangte er von mir, ich solle ihm sagen, dass ich ihn liebe. Er meinte, ich müsse es nur einmal sagen, dann hätten die Qualen ein Ende. Doch ich konnte es nicht. Ich habe ihm nicht getraut. Im Nachhinein habe ich erfahren, dass ich nicht sein erstes Opfer war und er meine Vorgänger jedes Mal tötete, sobald sie gesagt hatten, was er hören wollte. Essen bekam ich nur unregelmäßig und wenn doch, dann brachte ich nichts runter. Ich merkte, wie ich immer schwächer wurde und ich dachte immer öfter daran, ihm einfach zu sagen, was er hören wollte. Irgendwann zwang er mich zum Essen und Trinken, aber ich konnte nichts mehr bei mir behalten, also ernährte er mich künstlich. Er legte mir einen Ernährungsschlauch, worüber ich Flüssignahrung erhielt. Außerdem bekam ich Infusionen mit Elektrolyten und Vitaminen. Irgendwann hörte ich Tumult. Nur vage wurde mir bewusst, man hatte mich endlich gefunden. Das habe ich Tae zu verdanken. Keine Ahnung, wie er das geschafft hat. Er gab einfach nicht auf und suchte ununterbrochen nach mir.“ 
    Jin hörte auf zu sprechen. Er hatte mit vielen Schluchzern gesprochen und krallte sich an dem Arzt fest, der ihn eng umschlungen hielt und bisher kein Wort gesagt hatte und dies auch immer noch nicht tat. Er schien zu spüren, dass sein Freund noch nicht ganz fertig war mit seinem Bericht. 
    Nachdem Jin sich etwas beruhigt hatte, hob er den Kopf. „Versteh mich nicht falsch. Ich bin froh, dass ich noch lebe. Aber manchmal denke ich darüber nach, ob es nicht doch besser gewesen wäre, wenn ich ihm gesagt hätte, was er hören wollte.“
    „Himmel, Jin. Nein! Du bist so ein wundervoller Mensch und ich bin wirklich froh, dich zu kennen. Du bist mir in dieser kurzen Zeit so sehr ans Herz gewachsen, mit deiner sanften, liebevolle Art. Sogar Yoongi und Hoseok mögen dich. Glaube mir, ich werde alles dafür tun, damit es dir wieder gut geht und du glücklich werden kannst.“ Jimin hatte ebenfalls Tränen in den Augen, die er versuchte wegzublinzeln, was ihm jedoch nicht wirklich gelang. Der erste Tropfen verließ sein linkes Auge und weitere folgten. So standen beide eng umschlungen beisammen und schluchzten um die Wette. Es dauerte lange, bis sie sich endlich beruhigt hatten, trotzdem blieben sie weiterhin so stehen. 
    Irgendwann löste Jin sich aus Jimins Armen und trat zurück. Der Arzt wirkte ziemlich verheult und er sah bestimmt nicht besser aus. Mit einem schiefen Lächeln hob er die Hand und wischte seinem Freund die letzten Tränen aus dem Augenwinkel. 
    „Oh, Mann. Dir ist aber schon klar, dass man uns beiden sofort anmerkt, dass wir Bottom sind, so weibisch wie wir uns gerade verhalten“, sagte Jin leise kichernd. Jimin fiel mit ein und am Ende lachten beide lauthals los. Auch jetzt hatten sie Tränen in den Augen, aber dieses Mal aus einem ganz anderen Grund. Arm in Arm gingen sie schließlich zurück zur Villa. Den restlichen Tag verbrachten sie zusammen und Jin vergaß zeitweise den Mafia-Boss. Abends machten sie einen Filmabend, diesmal mit Komödien und Jimin blieb dann auch über Nacht. 
    Jin war in diesem Moment tatsächlich glücklich. Er spürte, wie sich etwas in ihm veränderte, aber er konnte nicht sagen, was es war. Er wusste nur, dass es in eine positive Richtung ging. Das Gespräch mit Jimin über seine Vergangenheit hatte ihm wirklich eine schwere Last von den Schultern genommen, stellte er erleichtert fest. Allerdings hatte er sich diesem nur öffnen können, weil er ihm vertraute, wie er schon lange niemandem mehr vertraut hatte. Auch seinem Bruder konnte er nie erzählen, was er bei Lim Kibum wirklich hatte durchmachen müssen. 
    Kurz bevor Jin einschlief, er lag an Jimin gekuschelt und sie hielten sich umarmt, dachte er an Namjoon. Mit dessen Gesicht vor Augen schlief er endlich ein.

    Der Mafia-Boss hatte unterdessen einen anstrengenden Tag hinter sich und lag, nach einer langen Dusche, ebenfalls im Bett. Er dachte an sein Kätzchen, das er ohne sich zu verabschieden zurückgelassen hatte. Er musste zugeben, er vermisste Jin. Unruhig wälzte er sich hin und her. Ein Blick auf die Uhr zeigte ihm, dass es bereits kurz vor zwei war und er seit drei Stunden versuchte, einzuschlafen. 
    „Fuck“, schimpfte er und drehte sich auf die Seite. Er schnappte sich ein Kissen, das er sich zwischen die Arme klemmte und schloss die Augen. Sein letzter Gedanke war dabei immer noch bei seinem Gefangenen. Nach dem Aufwachen musste er unbedingt zu Hause anrufen und sich nach ihm erkundigen. Dann fiel er endlich in einen unruhigen Schlaf.

**********

So. Dieses mal ein etwas melancholischeres Kapitel.
Jin hat sich endlich Jimin anvertraut. Hilft es ihm dabei, wieder gesund zu werden und seine Persönlichkeitsstörung zu heilen?
Sorry, das ich trotz Urlaub nicht so oft Update. Aber ich möchte einfach nicht irgendetwas schreiben, sondern meine Geschichte richtig fortführen.

Mafia: Gefangene Unschuld (Namjin) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt