Entsetzen

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Sie hatte wellige, braune Haare, genau wie Leah und im ersten Moment dachte ich, sie wäre es. Aber dieses Mädchen war kleiner. Gott, das wäre das Sahnehäubchen der Torte gewesen.
Ich stürzte zur Toilette, aber es kam nichts. War ja auch nichts mehr da. Ich hockte eine Weile würgend vor der Toilette, dann ließ ich mich schwach zu Boden sinken. Ich war wie betäubt. John und ich waren zwar noch nicht zusammen gewesen, aber jeder wusste. dass wir eigentlich ein Paar waren. Tja, irgendwie dann wohl doch nicht. Jetzt konnte ich die aufsteigenden Tränen nicht mehr zurück halten. Ich lehnte mich schluchzend an die Wand.
Es schmerzte, zu sehen, dass es ihn nicht im geringsten kümmerte, dass ich krank war. Nein, im Gegenteil. Er knutschte direkt mit einer anderen rum.
Weitere Tränen flossen übet meine Wangen und hinterließen eine salzige Schicht.
Nach einer Weile dachte ich mir, dass ich auch im Bett weiter heulen konnte.
Als ich im Bett lag, kam Mum herein. Ich rieb mir absichtlich lange die Augen, damit sie nicht sah, wie geschwollen sie waren.
"Ich muss noch mal weg, Schatz", sagte sie und war weg. Anscheinend war es dringend, denn ich hörte schon nach ein paar Sekunden das Auto starten.
Ich rief Leah an, vielleicht war ihr Klavierunterricht zu Ende. Aber sie ging nicht ran. Ich probierte es bei Jackie, sie nahm ab.
"Hallo? Em, was gibts?"
"Hi Jackie", schluchzte ich.
Anscheinend hatte sie den Ton in meiner Stimme gehört, denn sie war sofort aufmerksam.
"Em, was ist los?", fragte sie sanft.
"Weisst du", jetzt kamen mir schon wieder die Tränen. "Ich hab grad gesehen, wie John mit ner anderen rum geknutscht hat."
"Och Em, das tut mir so leid. Ich bin sofort da", sagte sie knapp, damit legte sie auf.
Ein paar Minuten später klingelte es unten.
Ich öffnete die Türe, Jackie sah mein Gesicht und nahm mich sofort in die Arme. Ich dachte daran, dass John das auch immer früher gemacht hatte und fing wieder an zu weinen.
"Ist ja gut", murmelte Jackie. Sie ließ mich los. "Ich mache dir jetzt erstmal eine heiße Milch und dann erzählst du mir alles."
Zehn Minuten später saßen wir auf meinem Bett.
"Und du bist sicher, dass das nicht eine Halluzination von deiner Grippe war?", fragte sie zum zehnten Mal.
"Ja, bin ich."
"Weißt du was? Wenn du wieder in die Schule kommst funkelst du John erstmal in Grund und Boden. Jungs sind nämlich in dem Alter echte Mistkerle. Und spätestens nächste Woche kommt er wieder zurück, weil er merkt, was für ein tolles Mädchen bist."
"Danke, Jackie,", lächelte ich. Mir ging es schon wieder besser.
Jackie blieb noch ein Weile, dann verabschiedete sie sich.
Ich lag nun alleine da und dachte zum tausendsten Mal, was dieses Mädchen hatte, was ich nicht hatte. Wahrscheinlich stand John einfach nur auf Brünetten nicht auf blonde Mädchen.
Mum kam nach Hause, ich wollte nicht, dass sie etwas davon mitbekam. Also stellt ich mich schlafend, als sie den Kopf in mein Zimmer steckte.
Ich schlief erst um zwei Uhr ein. Mit Rückenschmerzen, weil ich mich die ganze Nach hin und her gewälzt hatte.
Am nächsten Morgen wachte ich mit einem Bärenhunger auf. Ich ging hinunter in die Küche, nicht bevor ich in den Spiegel geschaut hatte und mit Genugtuung festgestellt hatte, dass meine Augen kein bisschen rot waren.
Mum stand schon in der Küche und machte Frühstück.
"Möchtest du auch etwas, Em?", fragte sie.
"Ja, bitte." Mein leerer Magen musste unbedingt wieder aufgefüllt werden.
Mum stellt mir eine Schüssel Haferbrei vor die Nase.
"Haferbrei?!", fragte ich entsetzt. Ich war doch nicht auf dem Bauernhof!
"Du solltest noch leichte Kost zu dir nehmen, Em", sagte sie ruhig.
"Kann ich wenigstens normales Müsli haben?"
"Iss erstmal. Vielleicht schmeckt er dir ja. Nachher kannst du dann von mir aus Zwieback haben."
Brummelnd probiert ich einen Löffel und spuckte ihn sofort wieder in die Schüssel.
"Mum! Das ist ja ekelhaft!"
Sie seufzte. "Na gut, du bekommst Müsli, aber nur weil es dir nicht so gut geht."
Sie machte mir schnell Müsli.
"Kann ich noch einen Tag hier bleiben, Mum?", fragte ich als ich fertig gegessen hatte. Ich hatte wirklich keine Lust, John schon heute unter die Augen zu treten.
"Ja, das fände ich auch besser", stimmte sie mir zu. "Aber du musst alleine bleiben, ich muss heute den ganzen Tag ins Büro." Mum arbeitete als Sekretärin bei einem Rechtsanwalt.
"Ja, schon okay. Ich mach es mir hier gemütlich."
"Gut. Ich muss jetzt auch schon los." Sie räumte die Küche auf, zog sich ihren Mantel über und war auch schon weg.
Ich seufzte. Langsam ging ich wieder in mein Zimmer. Heute war mir nicht mehr übel, aber ich fühlte mich noch sehr schwach. Ich legte mich ins Bett und schlief noch eine Stunde. Ich wurde von dem Vibrieren meines Handys geweckt.
Leah hatte mir eine Nachricht geschickt. Sie schrieb, dass es ihr furchtbar leidtue, mit John, sie hatte es von Jackie erfahren. Sie schrieb auch, dass sie nachher noch vorbei kommen würde, wenn der Unterricht vorbei wäre.
Ich lehnte mich zurück, doch ich bemerkte, dass dann meine Gedanken an John zurückkamen. Ich musste etwas tun.
Ich ging nach unten und zog meine Jacke an. Hoffentlich musste ich mich nicht auf dem Weg übergeben, das wäre beim Einkaufen nicht hilfreich.Ich nahm den Schlüssel und Geld mit, dann saß ich auch schon im Auto und fuhr zum Supermarkt.
Ich war gerade vor einem Monat achtzehn geworden und durfte nun endlich Autofahren.
Ich kaufte für das Abendessen ein und noch ein bisschen für die nächsten Tage.
Nur leider kam ich auf dem Rückweg an John vorbei, nicht, dass das so schlimm wäre, nein, aber jetzt sah ich auch, wer das Mädchen war, es war Celine, Nicoles Freundin. Die beiden und ihre Freundin Zoe bildeten die Gucci-Tussen, wie Leah, Jackie und ich sie immer nannten. Das kam daher, dass sie fast nur Gucci und Prada trugen und ziemlich damit angaben, dass ihre Eltern so viel Geld hatten.
Nun hielt ich mit quietschenden Reifen vor John, es war mir egal, dass Celine mich sah.
Nein, sie sollte mich sogar sehen.

FayrityWo Geschichten leben. Entdecke jetzt