Schon nach ein paar Metern bereue ich es bitter, die neuen Louboutins angezogen zu haben, ohne sie vorher einzulaufen. Der dünne und mörderisch hohe Absatz übt einen konstanten Schmerz auf meine Ferse aus. Fluchend stöckele ich durch die noch menschenleeren Flure meiner High School. Der Boden ist gerade erst gewischt worden und dementsprechend glatt. Ich klammere mich an dem Trageriemen meiner Handtasche fest und bete nur, dass es mich jetzt nicht auf die Nase legt. Kurz bin ich von meinem Handy abgelenkt und natürlich - wie soll es auch anders sein? - sitze ich kurze Zeit später mit dem Hintern auf dem Schulflur und gucke ziemlich dumm aus der Wäsche. Bitte, bitte, lass das niemanden gesehen haben! Ungeschickt richte ich mich auf den hohen Absätzen auf und starre urplötzlich in zwei schokobraune Augen. Erschrocken zucke ich zurück. "Süße Unterwäsche. Allerdings ein bisschen zu kindisch für die zwölfte, findest du nicht auch?" Ich mustere den Typ aus schmalen Augen. Heute ist definitiv nicht mein Tag. Warum muss ich meine neuen High Heels und das kurze Sommerkleid anziehen und dann auch noch direkt vor einem Typ auf die Nase fliegen, sodass er einen freien Blick auf meine Unterwäsche hat? Warum nur? "Allemal besser als deine Unterwäsche, vorausgesetzt du trägst überhaupt welche", zische ich sauer. Ich mustere ihn flüchtig, ehe ich weiter Richtung Klassenzimmer gehe. Ich kenne diesen Typ nicht und er nervt mich jetzt schon. Obwohl er zu allem Übel zum Anbeißen heiß ist. Im Klassenzimmer setze ich mich auf meinen Stammplatz und genieße die kurze Ruhe vor dem Sturm. Dann setze ich wieder mein Pokerface auf und werde zu der Dawn Carter, die von der gesamten High School gefürchtet und angebetet wird. Reich, clever und unverschämt hübsch. Ich krame den himmelblauen Nagellack aus meiner Tasche und widme mich meiner Maniküre, bis sich zwei schlanke Arme um meinen Hals legen. "Harper!", quieke ich erfreut. Sie hat die ganze letzte Woche gefehlt, weil sie eine Magendarmgrippe hatte und ich habe sie tierisch vermisst. "Diesen Nagellack riecht man schon meterweit entfernt." Sie rümpft angeekelt die Nase. "Wann entwickeln sie endlich einen Nagellack mit Apfelduft?", quengelt sie wie ein Kleinkind. Harper hat einen Apfeltick. Sie futtert sie tonnenweise und auch sonst ist alles bei ihr Apfel. Von ihrem Haarshampoo bis zu ihrem Waschmittel. "Du und deine Äpfel!", grinse ich. Harper zieht einen Schmollmund. "Immerhin komme ich nicht jeden Tag früher als nötig in die Schule." Sie schüttelt sich wie ein nasser Hund. "Jeder hat einen Fehler", murmele ich mehr zu mir selbst. Ich höre das mechanische Klackern von Harpers Fingernägeln auf ihrem Handy. Es macht mich verrückt. "Ich habe meine Louboutins angezogen ohne sie einzulaufen", brumme ich mürrisch. Das Klackern verstummt, wahrscheinlich werden meine Schuhe gründlich unter die Lupe genommen. "Dawn, seit wann machst du so einen Anfängerfehler?" Ich kann die Belustigung in ihrer Stimme hören. "Aber sie sind absolut göttlich!", fügt sie hinzu und seufzt verzückt. Ich gebe ein undefinierbares Grunzen von mir und pinsele den nächsten Fingernagel an. Plötzlich rammt Harper mir ihren spitzen Ellenbogen zwischen die Rippen und fast hätte ich den Nagel versaut. "Harper!", sage ich säuerlich. "Dawn, da gibt's was für die Augen", zischt sie leise. Ich tunke gelassen den Pinsel in das Nagellackfläschchen, ehe ich kurz aufblicke. Dieser kurze Moment reicht, um mich einem halben Herzinfarkt auszusetzen und zu meinem größten Entsetzen verteilt sich der himmelblaue Lack auf meiner Hand, als ich zusammengezucke. Der? Das war eine absolute Katastrophe! Der Typ von vorhin sieht sich suchend im Klassenzimmer um. "Dawn, was hast du gemacht?", schreit Harper laut auf, sodass seine Aufmerksamkeit sich auf uns richtet. Grinsend schlendert er zu unserem Tisch. Ich kann hören, wie Harper die Luft anhält. "Du heißt also Dawn?" Ich stehe auf und stelle mich gerade hin, soweit das in diesen Schuhen möglich ist. "Ja, und nach deinem Namen frage ich nicht, denn du bist ein Niemand!", fauche. Dann packe ich Harper am Handgelenk und zerre sie hinter mir her auf die Mädchentoilette. "Woah Dawn, was hat er dir angetan?" "Eine kleine Auseinandersetzung heute morgen." Ich presse die Lippen aufeinander und schrubbe den Nagellack von meiner Hand, bis sie feuerrot ist. "Alles okay?", fragt Harper misstrauisch. Bitte lächeln! Ich strahle sie an, obwohl ich eigentlich sehr durcheinander bin. "Alles bestens."
DU LIEST GERADE
Am Abgrund *slow updates*
Teen Fiction"Plötzlich herrscht Stille. Dann kann ich förmlich spüren und hören, wie mir das Herz in einem grausamen Akt aus der Brust herausgerissen wird und anschließend in tausend Bruchstücke auf den italienischen Fließen zerschellt. Dieser Scherbenhaufen is...