Tyler
Blind vor Wut hatte ich nach meinem Autoschlüssel gegriffen und war losgefahren. Ich wusste genau, was ich jetzt tun würde. Zur nächstbesten Bar oder einem Club fahren, etwas trinken, mit einem Mädchen flirten und zu ihr nach Hause gehen. Eine tröstliche Routine, die mich gleichermaßen anekelt. Aber ich kann mich nicht stoppen, ich bin schon längst in dem Sog verloren. Dawn. Immer wieder schwirrt dieser Name in meinem Kopf herum. Reiner Selbsthass auf mich strömt durch meinen Körper. Anscheinend bin ich zu nichts anderem imstande, als dieses Player-Dasein zu führen. An einer roten Ampel schlage ich meinen Kopf so lange gegen das Lenkrad, bis der Schmerz alles verdrängt. Noch mehr Hass auf mich. Ich gebe Gas, fahre an einem LKW vorbei und biege auf einen Parkplatz ein. Mit zitternden Fingern ziehe ich den Schlüssel raus. Ich benehme mich wie ein Süchtiger. Einfach nur ekelhaft. Mit ein wenig Bestechungsgeld bin ich drinnen. Die Bar ist dunkel, dichte Rauchschwaden schlagen mir entgegen und vernebeln meinen Verstand. Zielgerichtet steuere ich die Theke an und bestelle erst einmal Schnaps. Ich brauche jetzt etwas starkes. Dawn, Dawn, Dawn. Nach drei Shots steige ich auf Bier um. Ich will mich besaufen, ja, aber ich will immernoch Herr meiner Sinne sein. Rechts von mir sitzt ein blondes Busenmonster. Ich zögere kurz, ehe ich mich ihr zuwende. Sie verwickelt mich in eine Konversation, dank dem Alkohol in meinem Blut bekomme ich davon Recht wenig mit. Immer wieder lehnt sie sich vor, sodass ich einen Einblick in ihren Ausschnitt habe. Wie von selbst landet ihre Hand auf meinem Knie, wandert langsam aber stetig aufwärts. Ich bekomme von dem Gespräch rein gar nichts mit. Sie schnattert weiter auf mich ein, ich weiß noch nicht einmal ihren Namen. Gekonnt zwirbelt sie eine Strähne ihres Haars um ihren Zeigrfinger und lächelt mich lasziv an, während sie unaufhörlich mit ihren langen Wimpern klimpert. Dawn. Warum ist sie so anders als alle Mädchen, die ich je getroffen habe? Warum hat sie so eine Abneigung mir gegenüber? Was ist ihr Problem? Die Geräusche der Bar sind zu einem angenehmen Rauschen im Hintergrund verebbt. Ich lasse es zu, dass das Mädchen meine Hand nimmt und mich in einen spärlich erleuchteten Flur zieht. Immer wieder wirft sie mir einen vielsagenden Blick über die Schulter zu. Es ist klar, worauf sie aus ist. Sie schließt die Tür der Abstellkammer hinter sich und mit einem Mal fällt ihre pinkes Kleid zu Boden, während sie ihre Lippen auf meine presst.
Dawn
"Bitte", wiederholt Jessica. Für einen kurzen Moment schließe ich meine Augen, dann öffne ich sie wieder. "Okay." Jessica quiescht auf und zieht mich zur Haustür. "Wir müssen uns beeilen. Tyler ist vor circa einer dreiviertel Stunde losgefahren." Sie drückt mich auf den Beifahrersitz ihres Autos und als sie losfährt wird mir die Kuriosität dieser Situation bewusst. Ich soll Tyler helfen. Ausgerechnet ich, die so gar nicht mit ihm klarkommt. Die keine Ahnung hat, wie sie mit diesem Typ umgehen kann, der sie so verwirrt. Leise murmelt Jessica etwas vor sich hin. "Irgendwo hier muss es doch sein!" Fluchend schlägt sie auf das Lederlenkrad ein. "Helf doch auch mal!" Vorwurfsvoll sieht sie mich kurz von der Seite an. Ich werde aus Familie Brown einfach nicht schlau. "Was für ein Auto fährt er?" Ich bekomme keine Antwort, stattdessen stößt Jessica einen spitzen Schrei aus. "Da ist es!" Hysterisch deutet sie auf einen silbernen Porsche. Kaum hat sie ihr eigenes Auto in eine Parklücke gequetscht, reißt sie die Fahrertür auf und stürmt zur Bar. Schneller als ich gucken kann, ist sie verschwunden. Kein Wunder bei den langen Beinen. Fluchend folge ich ihr in das Innere der Bar und sehe mich suchend um. Für die Uhrzeit ist noch recht wenig Betrieb. Schließlich entdecke ich Jessica an der Theke, wo sie auf den Barkeeper einredet. Kopfschüttelnd wendet sie sich ab und kommt zu mir. "Angeblich hat er Tyler nicht gesehen. Er lügt, das weiß ich mit Sicherheit." Frustriert wirft sie die Arme in die Luft. "Und was machen wir jetzt?" Ich lasse noch einmal meinen Blick über die Besucher schweifen. Zwei einsame Biergläser stehen auf der Theke nebeneinander. Auf einem prangt der pinke Abdruck eines Lippenstifts, eine ebenfalls pinke Handtasche steht am Fuß des Hockers. "Komm mit." Ohne Jessicas Antwort abzuwarten, ziehe ich sie hinter mir her in den schummrigen Gang zu den Toiletten. "Hier sind sie also nicht", murmele ich mehr zu mir. "Wie bitte? Was redest du da, Dawn? Und was machen wir hier?" Genervt bleibt Jessica stehen und stemmt abwartend die Hände in die Hüften. "Vertrau mir." Ich führe sie weiter zu der Tür, dir zur Abstellkammer führt. Was wenn ich rechthabe? Will ich das Spektakel hinter der Tür dann sehen? "Dawn, ich bin in irgendwas klebriges getreten", jammert Jessica von hinten. "Ich gehe jetzt", blökt sie dann, als sie von mir keine Antwort bekommt. Ich gebe mir einen Ruck und drücke die Klinke herunter. Problemlos taste ich mich an den Regalen entlang. Diesen Raum als Abstellkammer zu beschreiben ist eine glatte Untertreibung. Es ist eher eine Lagerhalle mit allerlei Krims Krams. Ich folge den Geräuschen, obwohl ich mir am liebsten die Ohren zuhalten würde. Etwas klirrt leise unter meinem Absatz. Innerlich stoße ich eine Batterie von Flüchen aus. Wehe in meinen Schuhen stecken Glassplitter! Als ich um eine weitere Ecke biege, bekomme ich trotz dem gedimmten Licht beinahe Augenkrebs. Die Tussi, die Tyler gerade die Zunge in den Hals steckt, besteht aus nichts außer pink und übergroßen Brüsten. Ihre pinkes Kleid liegt zu ihren Füßen, der BH pusht ihre ohnehin schon riesige Oberweite hoch. Ihre langen pinken Krallen fahren über Tylers nackte Brust und - oh Gott! Jetzt muss ich mich beherrschen, dass ich dank meiner weichen Knie nicht umkippe. Einige Jungs an meiner Schule haben trainierte Körper, aber das ist mehr als das. Das ist Kunst. Ich muss mich zusammenreißen, um mich nicht von diesen Bauchmuskeln ablenken zu lassen. "Du bist so heiß", haucht Pinkie leise und vor Entsetzen schlage ich mir eine Hand vor den Mund. Ihre Stimme ist mit Sicherheit drei Oktaven höher als die von Minnie Mouse. Sie schiebt eine ihrer Finger unter den Bund seiner Hose. "So heiß, so heiß", wiederholt sie wie im Fieberwahn. Mit einem Mal habe ich meinen Körper und meine Gedanken wieder vollends unter Kontrolle. Ich trete auf sie zu und verpasse ihr eine schallende Ohrfeige. "Na, fühlt sich deine Wange auch schön heiß an?" Ich kann mir ein gehässiges Grinsen nicht verkneifen. "Los, hau ab du Flittchen. Und besorg dir eine andere Stylistin." Als sie mich nur perplex anstarrt, deute ich zur Tür. "Muss ich es buchstabieren? T-S-C-H-Ü-S-S." Beleidigt zieht sie Leine und hätte mir wahrscheinlich am Liebsten mit ihren langen Fingernägeln die Augen ausgekratzt. "Wie viel hast du getrunken?", frage ich Tyler, weiche jedoch zurück, als er den Mund aufmachen will. "Warte, sei lieber ruhig. Du riechst so schon streng. Schnaps und Bier, hab ich Recht? Hast du wenigstens etwas gegessen?" Er schüttelt den Kopf. Ich halte meinen Atem flach und mustere ihn prüfend. "Na los, ich will sehen, wohin du kotzt, damit ich nicht beschmutzt werde." Wie eine Marionette zieht er sein Shirt an. Ich muss ihn stützen, weil er schwankt. Jessica steht mit fragender Miene vor der Tür. "Was war das denn für eine billige Schlampe?" Als sie Tyler sieht, ändert sich ihr Gesichtsaudruck von angeekelt in besorgt. "Oh Gott, oh Gott, was machen wir nur mit ihm? Soll ich den Notarzt rufen?" Sie zückt ihr Handy und wedelt damit vor meiner Nase rum. "Er muss jetzt erstmal an die frische Luft, damit er kotzen kann. Und anschließend braucht er eine Portion Schlaf." Mit offenem Mund starrt sie mich an, hilft mir dann aber mit Tyler nach draußen. "Woher weißt du das alles?" "Das würde ich auch gerne wissen", meldet sich Tyler zum ersten Mal zu Wort. Seine Zunge ist schwer und die Worte klingen rund aus seinem betrunkenen Mund. Er hat viel Alkohol im Blut, wird sich aber trotzdem noch an den Abend erinnern können. "Erfahrung", gebe ich nach kurzem Zögern zu. Ehe Tyler noch etwas erwidern kann, krümmt er sich auf dem Parkplatz zusammen und würgt. Nach ein paar Minuten richtet er sich wieder auf. "Jetzt geht es mir besser", verkündet er. "Und mir würde es besser gehen, wenn du endlich deine Klappe hälst. Du hast nämlich eine ordentliche Fahne", brumme ich. Mit Jessicas Hilfe verfrachte ich ihn in sein Auto. "Wo sind deine Hausschlüssel?", fragt sie Tyler. "Keine Schlüssel", gibt er erschöpft von sich. "Na super. Und was sollen wir jetzt mit ihm machen? Ich war auf dem Weg nachhause und kann keinen betrunkenen Jugendlichen im Haus gebrauchen." Bittend sieht sie mich an. "Na gut. Aber solltest du nochmal kotzen, fliegst du raus, verstanden?" Tyler nickt nur. Von ihm bekomme ich die Schlüssel seines Autos in die Hand gedrückt und Jessica gibt mir noch ihre Handynummer, damit ich sie anrufen kann. Seufzend lasse ich mich auf den Fahrersitz fallen und starte den Motor. Seit wann bin ich so verdammt nett zu fremden Menschen?
--
Ich schreibe gerade so wahnsinnig viel an der Geschichte und es macht mir so riesigen Spaß *-* Dawn und alle anderen wachsen mir immer mehr ans Herz :o
Oh Gott, es sind schon über 600 Reads und über 70 Votes. Thaaank youuu ❤
Und auch danke für eure lieben Kommentare <3Emma xoxo
DU LIEST GERADE
Am Abgrund *slow updates*
Teen Fiction"Plötzlich herrscht Stille. Dann kann ich förmlich spüren und hören, wie mir das Herz in einem grausamen Akt aus der Brust herausgerissen wird und anschließend in tausend Bruchstücke auf den italienischen Fließen zerschellt. Dieser Scherbenhaufen is...