Kapitel 2

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Ahilea

Ruckartig stand ich auf und zuckte dann zusammen, da mein Stuhl durch den Schwung auf den Boden gekracht war. Das Geräusch war nicht zu überhören gewesen und beinahe alle Schüler drehten sich zu mir um. Blöderweise erweckte dieses Geräusch auch die Neugier, sowie die Aufmerksamkeit der Neuen. Sie starrten mich jetzt ebenso an, wie ich sie und als sie verstanden, wer oder besser was ich war, wechselte der Ausdruck auf ihren Gesichtern von freundlicher Neugier zu eiskalter Wut. Mist. Ich wollte hier drinnen keinen Kampf anzetteln. Plötzlich legte sich eine Hand auf meine angespannten Schultern und Rose fragte mich verwundert: „Ahilea, was hast du denn? Kennst du die etwa?" Schnell drehte ich mich wieder zu ihr um und zwang einen neutralen Ausdruck auf mein Gesicht. „Nein", musste ich zugeben, „ich kenne die nicht." Rose blickte mich zweifelnd an und auch Simon musterte mich mit seinen braunen Augen. Ich aber, ich drehte mich wieder zu den anderen um. Ich hatte, als sie die Kantine betreten hatten, instinktiv gewusst, dass sie ebenfalls Vampire waren. Aber keine von unserem Clan, dass hätte ich gewusst. Drei Stück waren es an der Zahl. Zwei Jungen und ein Mädchen. Sie waren, wie alle Vampire, mit grosser Schönheit gesegnet. Was manchmal aber auch ein echter Fluch sein konnte, da man somit auch alle Aufmerksamkeit auf sich zog.

Lils Stimme riss mich aus meinen Gedanken. „Ahi, willst du dich nicht wieder setzen? Alle starren uns an." Gesagt, getan. „Wer sind die?", wollte Simon von Logan wissen. Dieser sah kurz meine Schwester an, bevor er Simon notgedrungen antwortete. „Die sind gestern hier hergezogen. Aber ich kenne sie auch nicht." Rose schaute mich verwundert an. „Aber warum machst du denn hier so einen Aufstand, Ahilea? Du kennst sie ja auch nicht?"

Zum Glück blieb mir eine Antwort auf diese verzwickte Frage erspart, da ein Gong ertönte und damit ankündigte, dass die Pause vorbei war. Erleichtert stand ich auf und packte meine Sachen zusammen. Gefolgt von Rose trat ich den Weg zu unserem Geschichtszimmer an. Dieses trug die ganz persönliche Note unserer Lehrerin, welche ein wirklich grosser Geschichtsfanatiker war. Überall waren Plakate aufgehängt, auf denen sich die verschiedensten Sprüche befanden. Direkt über ihrem Lehrerpult hing beispielsweise eines, auf dem Abraham Lincoln zu sehen war.

Unsere Lehrerin war noch nicht anwesend und daher setzten wir uns in die letzte Reihe. Diese Chance musste man eben ergreifen, wenn sie sich einem schon bot. Pünktlich erschien dann auch Mrs. Hill, doch sie war nicht alleine. In ihrem Schlepptau war das fremde Vampirmädchen. Ihr Blick fiel natürlich sofort auf mich.

„Guten Morgen, Schüler", riss mich Mrs. Hills Stimme aus meinen unliebsamen Gedanken. „Ich möchte euch eine neue Schülerin vorstellen. Oder wollen Sie das kurz selbst übernehmen, meine Liebe?", wandte sie sich an die Neue. Diese riss ihren durchdringenden Blick von mir los und lächelte Mrs. Hill lieblich an. „Gerne", säuselte sie. „Also mein Name ist Ashley Westfall und ich bin erst gestern hier hergezogen."

Bei mir klingelten alle Alarmglocken. Westfall? Wie in Westfall-Clan? Konnte das sein? Das war der Clan, mit dem der meine schon seit Jahrhunderten verfeindet war. Mrs. Hill lächelte aufmunternd. „Ich bin sicher, Sie werden ganz schnell neue Freunde finden." Haha, aber ganz sicher nicht mich. „Wie wäre es, wenn Sie sich neben Ahilea setzen würden. Meine mit Abstand beste Schülerin in diesem Jahrgang. Sie hilft Ihnen sicher gerne mit dem Stoff, den Sie verpasst haben." Ich riss die Augen auf. Was? „Aber Mrs. Hill, Rose sitzt doch schon neben mir", protestierte ich. Doch das liess die dumme Kuh völlig kalt. „White, setzen Sie sich neben Williams. Und zwar jetzt." Rose stand stöhnend auf und packte ihr Zeug zusammen. Wütend biss ich die Zähne zusammen und verkrampfte mich, als Ashley sich neben mich setzte, auf den freien Platz von Rose. „Hey, entspann dich. Ich tu dir nichts.", flüsterte sie mir zu. Ich wendete mich ihr zu. „Das glaubst aber auch nur du", zischte ich. Ashley zuckte die Schultern und ich malte mir in Gedanken aus, wie ich sie langsam und quälend töten würde. Ach, jetzt gings's mir schon viel besser. Aber nun wurde Ashley doch noch wütend. „Pass auf, was du in meiner Gegenwart denkst." Meine Augen wurden gross. Konnte sie etwa..? „Gedankenlesen, ja.", beantwortete Ashley meine unausgesprochene Frage. Schnell fing ich mich wieder. „Keine Sorge, Westfall. Ich kenne die Gesetze."

Wortlos drehte diese sich wieder nach vorne und lauschte dem Unterricht von Mrs. Hill, der mittlerweile begonnen hatte.

Ende der Stunde stand ich blitzschnell auf und rannte förmlich aus dem Klassenzimmer.

Auf dem Flur traf ich Logan und zischte ihm zu: „Eine Gedankenleserin, das hat mir gerade noch gefehlt.' Logans Augen wurden gross. „Bist du dir sicher?" Ich verdrehte die Augen. „Ja, hundert Prozent. Sie hat meine Gedanken gelesen." Dann schwieg ich einen Augenblick lang. „Sie ist in meiner Klasse und sass neben mir. Es ist also ausgeschlossen, dass sie kein Vampir ist. Ich habe es gefühlt." Logan nickte, in seinen braun-grünen Augen konnte ich Zustimmung erkennen. «In meiner Klasse ist auch einer der neuen. Chris heisst er und er ist ebenfalls ein Vampir."

Da fiel mir noch etwas ein. „Logan, sie gehören zum Westfall-Clan." Seine Augen fielen ihm fast aus dem Kopf. „Nein...? Bist du sicher?" Ich nickte und sagte zynisch. „Ich hatte heute das ausserordentliche Vergnügen, Ashley Westfall kennen zu lernen."

Den letzten Satz hatte Lillian auch mitbekommen, die plötzlich an Logans Seite stand. Doch sie sah keineswegs überrascht aus. Nein, eher schuldbewusst. „Lil, hast du uns was zu sagen?", fragte Logan scharf. Sie sah auf den Boden. „Naja, ich wusste, dass sie dem Westfall-Clan angehören. Aber wie hätte ich es euch sagen sollen, wo doch Rose und Simon anwesend gewesen waren? Ich habe es selbst erst heute Morgen erfahren." Sie hob die Hände. „Mehr weiss ich nicht, dass schwöre ich." Flehend sah sie uns an und mit diesem Blick aus ihren blauen Augen, die so gross und traurig aussahen, konnte ich es ihr einfach nichts lange übelnehmen. Selbst wenn es sich um so etwas Wichtiges handelte. Und trotz der Tatsache, dass sie uns, wenn sie es wirklich gewollt hätte, mittteilen hätte können, dass die Westfalls hier waren. Immerhin verfügten wir über ein überdurchschnittliches Gehör. Sie hätte also auch einfach flüstern können und Logan und ich hätten es gehört, ganz ohne, dass Rose und Simon es mitbekommen hätten. Aber gut, ich werde einfach einmal ein Auge zudrücken.

„Ist ja gut Schatz, wir glauben dir", meinte Logan ruhig. Naja, ich war mir da nicht so sicher, ob sie uns nicht noch etwas verheimlichte. Ausserdem fragte ich mich, woher sie überhaupt gewusst hatte, dass die Westfalls hier waren. Vermutlich hatte Dad es ihr gesagt, immerhin setzte unser Clananführer grosse Stücke auf ihn und daher war Dad immer auf dem Laufenden. Mir hatte er es vermutlich nicht erzählt, weil er genau gewusst hatte, dass mich das sehr aufregen würde. Aber eine keine Vorwarnung wäre schon nett gewesen, anstatt kalt damit erwischt zu werden. „Oder, Ahi?", wandte Logan sich jetzt an mich. „Äh.... Ja, wir glauben dir", bestätigte ich. Dann liess ich die beiden stehen und lief rasch weiter, denn der Unterricht würde in wenigen Minuten weitergehen.

Zu meinem Pech blieb mir heute auch wirklich nichts erspart. Ich kam als letzte in den Raum und es bliebt nur noch ein Platz übrig. Und zwar, wie hätte es anders sein können, der Platz neben Ashley Westfall. „Wie schön, dass Sie uns auch noch mit ihrer Anwesenheit beehren, Watson. Setzen sie sich, ich möchte beginnen", sagte der Lehrer, nachdem ich in den Raum gestürmt und stehen geblieben war. Innerlich mit mir ringend, setzte ich mich mit dem grösstmöglichen Abstand neben Ashley. Genau darauf bedacht, nichts Falsches zu denken. Also blieb nur noch: *GänseblümchenGänseblümchenGänseblümchen...* Aber ich hatte die Rechnung ohne die liebe Ashley gemacht. „Welcher Clan?", zischte sie mir zu. *GänseblümchenGänseblümchen.......* „Was geht dich das an?", erwiderte ich. Doch dann meinte ich: „Ach egal, was soll's, du findest es eh heraus, wenn du in meinem Gehirn herumpfuschst. Wir gehören zum Night-Clan. Bist du jetzt zufrieden?" Ashley nickte bedächtig. "Das habe ich mir schon gedacht", murmelte sie, mehr zu sich selbst.

Danach liess sie mich in Ruhe. Was auch besser so war. Ich musste unbedingt mit unserem Clan-Anführer sprechen, was das weitere Vorgehen betrifft. Ich war mir fast sicher, dass er die Mitglieder des Westfall-Clans als ebenso grosse Gefahr ansehen würde, wie ich es tat. Das würde ich gleich nach der Schule erledigen. Aber jetzt musste ich erst einmal den Unterricht neben Westfall überleben und das stellte sich als gar nicht so einfach heraus.

Eternal Love - Der Ruf des SchicksalsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt