Kapitel 53

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Ashton

Nachdem ich Ahilea alleine gelassen hatte, begab ich mich auf direktem Weg auf mein Zimmer. Doch dort traf ich auf Chris, der mir nervös entgegensah. «Hast du kurz Zeit, Ash?», wollte er wissen. Ich nickte, öffnete die Tür und bat ihn herein. Ich würde mir immer Zeit nehmen, wenn es um meine Familie und Freunde ging. Selbst wenn ich so müde war, wie jetzt im Augenblick. Doch ich verdrängte den Gedanken an mein weiches, warmes Bett und liess mich stattdessen auf die Couch fallen. Chris tat es mir gleich, sah dabei aber auf seine Hände.

«Jetzt rück schon raus mir der Sprache. Worum geht es?», forderte ich ihn auf und zog abwartend eine Augenbraue hoch. Leider hatte ich nie zu der Sorte Vampir gehört, die sich als besonders geduldig erwies. Nein, ganz bestimmt nicht. Eine Tatsache, die ich schon so manchmal verflucht hatte. Aber ein jeder hatte auch negative Eigenschaften vorzuweisen, dessen war ich mir bewusst. Und einer meiner Schwächen war eben, dass ich sehr ungeduldig war. Aber das waren sich meine Freunde schon bewusst, daher nahm Chris es auch nicht persönlich, wofür ich ihm dankbar war.

«Es geht um Rose», rückte er schliesslich mit der Sprache heraus. Das hatte ich mir schon gedacht. Die beiden waren in den letzten Wochen andauernd umeinander herumgeschlichen. Es war also nicht verwerflich, dass mein bester Freund nun über Ahileas beste Freundin sprechen wollte. Chris Blick fiel auf ein Bild von uns beiden, wie wir dem jeweils anderen die Arme um die Schultern geschlungen hatten und in die Kamera grinsten. Auch diese Aufnahme war gut hundert Jahre alt und war aufgenommen worden, als wir seinen Geburtstag am Strand gefeiert hatten.

«Ach, die alten Zeiten, so schön und sorglos», hörte ich ihn murmeln. Wahrscheinlich nahm er an, ich hätte ihn nicht gehört. Falsch gedacht, mein Bester! Doch auch ich wünschte mir für einen Moment, wir könnten wieder jung und unbekümmert sein, so wie es zur Zeit des Fotos der Fall gewesen war. Damals war die ganze Sache mit Ashley noch nicht passiert gewesen und Chris und ich hatten einen gemeinsamen Tag genossen, um einmal unsere Ruhe vor der Familie zu haben. Zu Chris hatte ich schon immer eine besondere Beziehung gehabt. Zwar war auch Ben ein guter Freund, doch das mit Chris war noch einmal etwas vollkommen anderes. Wir waren wie Brüder. Unzertrennlich. Ich hatte das Bild damals rahmen lassen und nun hing es über meinem Schreibtisch, direkt neben einem Bild von meiner Familie.

Ich räusperte mich, um Chris, aber auch mich, aus den Gedanken zu reissen, damit wir uns wieder dem wirklich wichtigen widmen konnten. Natürlich befand er sich in einer ziemlich verzwickten Lage, zumal Rose ein Mensch war und nicht von der Existenz von Vampiren wusste, nichts von unserer Existenz. Das machte alles nicht einfacher, kein Stück. Trotzdem war ich der Meinung, dass die beiden es miteinander versuchen sollten, was ich Chris auch sagte. Dankbar lächelte er mich an und meinte, dass er sie um ein Date bitten würde.

«Tu das, du hast nichts zu verlieren.» Chris grinste schwach. «Doch, das habe ich, Ash. Rose bedeutet mir inzwischen so viel.» Er seufze. «Ich habe einfach nur Bedenken, wie das mit uns zweien weitergehen würde, sollte dieses Date schieflaufen. Es wäre schliesslich gut möglich.» Aufmunternd klopfte ich im auf die Schultern. «Das wird schon gut gehen, Mann.» Doch Chris hatte wohl noch andere Sorgen. «Was ist, wenn sie es irgendwann herausfindet, Ash? Was, wenn sie mich dann dafür hasst, dass ich es ihr verschwiegen hatte?» Nun, das war schon eine etwas kompliziertere Sache, Aber es war alles machbar, oder etwas nicht? «Chris», begann ich seufzend. «Es bringt nichts, wenn du die ganze Zeit was wäre wenn denkst. Das ist reine Zeitverschwendung, glaub mir. Ich weiss, wovon ich rede.» Sein Gesichtsausdruck veränderte sich, er wirkte nun entschlossener. «Du hast recht. Ich muss es einfach probieren. Egal, ob ich nun Erfolg hatte oder nicht. Lieber scheitere ich, als es gar nicht erst versucht zu haben.»

Nun, das war doch schon einmal ein guter Anfang, nicht wahr? Zufrieden lächelte ich und Chris klopfte mir auf die Schulter. Er schien erleichtert zu sein, dass ich seine Gefühle für Rose guthiess und ihm nicht davon abriet, sich mit ihr zu treffen. Mir war bewusst, dass wen ich ihm gesagt hätte, er solle es lassen, er es getan hätte. Chris legte sehr viel Wert auf meine Meinung, was mich manchmal auch zugegebenermassen etwas überforderte.

«Vielleicht ist es auch ganz gut, wenn Rose im Moment abgelenkt ist, zumal Ahilea der Kontakt zu ihrer Familie untersagt ist», meinte ich schliesslich zu Chris. Dieser sah mich verwirrt an. «Wie meinst du das genau, Ash?» Ich seufzte. War das nicht offensichtlich? Manchmal war Chris echt schwer von Begriff. «Meinst du nicht, es wird Rose auffallen, wenn Ahilea nicht mehr mit ihrer eigenen Schwester spricht?» Nun schien bei Chris der Groschen gefallen zu sein und er nickte zustimmend. «Du hast recht, Alter. Ablenkung schadet der Kleinen bestimmt nicht momentan.» Er grinste. «Wie gut, dass ich nichts Besseres zu tun habe und gerne dazu bereit bin, diese Ablenkung zu sein.» Ich zwinkerte ihm wissend zu. Ihm schien wirklich viel an Rose zu liegen, was ich echt süss fand. Und es kam nicht oft vor, dass ich die zugab. Ich war schliesslich kein verweichlichter Vampir, der nur romantisches Zeug laberte.

Nein, wir waren knallharte Krieger, doch Ahilea liess eindeutig meine romantische Ader hervortreten. Okay, vielleicht war knallharter Krieger etwas übertrieben. Zumindest im Moment, denn gerade verhielt ich mich eher wie ein liebeskranker Irrer, der nur noch an ein und dasselbe dachte: an die Frau, die er begehrte. Manchmal erschrak ich über mich selbst, wenn ich wieder einmal so dasass und diese Frau anhimmelte, als gäbe es kein Morgen. Ja, ich war ein richtiger Softie geworden! Oder besser gesagt, ein liebeskranker Idiot. Das traf den Nagel auf den Kopf.

Ahilea beherrschte Tag und Nacht meine Gedanken. Diese Frau hielt eindeutig meine Leine in der Hand. Doch leider war sie auch mein Schwachpunkt, genauso wie meine Familie und Freunde es ebenfalls waren. Für sie würde ich durchs Feuer gehen und ohne zu zögern alles opfern, was ich besass, wenn ich sie damit beschützen konnte. Dessen war ich mir nur allzu deutlich bewusst.

Eine Weile verging, in der jeder von uns beiden seinen Gedanken nachhing. Ich hatte beinahe vergessen, dass ich nicht alleine war, so ruhig war es gewesen. Doch schliesslich stand Chris auf und wünschte mir eine gute Nacht. «Dir auch, und denk daran, was ich dir geraten habe. Sie empfindet dasselbe für dich, das sieht man ihr an. Und ihr habt es beide verdient, glücklich zu sein. Also ergreif die Chance, verdammt noch mal!», rief ich im hinterher, als er schon beinahe zur Tür hinaus war. Er hob die Hand, zum Zeichen, dass er mich gehört und verstanden hatte. Danach war er weg.

Wir würden uns morgen sowieso begegnen, da er, wie alle meine Freunde, ebenfalls am Training teilnahm. Es war zwar keine Pflicht, doch wer war schon so dumm und liess sich die Chance entgehen, seine Fähigkeiten zu trainieren und so stärker zu werden. Etwas, was bei einem möglichen Kampf durchaus von grossem Vorteil sein konnte. Daher war es mir auch so wichtig, dass Ahilea ebenfalls mit uns trainierte. Gerade sie musste jetzt immer auf der Hut sein. An jeder Ecke konnten von nun an ehemalige Clanmitglieder lauern, die sich an ihr rächen wollten und zwar wegen etwas, wofür sie absolut nichts konnte. In meinen Augen hatte sie genau das richtige getan und wurde auch noch dafür bestraft. Diese Welt war so ungerecht. Aber ich wollte hier jetzt nicht herumheulen und mich beklagen.

Nein, wir mussten das bestmögliche aus dieser verzwickten Situation machen und nach Vorne blicken. Was geschehen ist, ist nun einmal geschehen, daran liess sich jetzt auch nichts mehr ändern. Ich konnte nur hoffen, dass Ahilea dies ähnlich sah, zumal sie Probleme damit hatte, die Vergangenheit zu akzeptieren. Schliesslich gab es noch die Tatsache, dass die DeLarias sie ebenfalls besitzen wollten. Ja, besitzen. Das hatten sie immerhin verdeutlich. Das hiess, Ahilea war gleich doppelt in Gefahr.

Mir war nur zu deutlich bewusst, dass sie es hasste, ein Vampir zu sein. Kein Wunder, immerhin hatte sie auch nie darum gebeten, einer sein zu dürfen. Ich würde sie gleich morgen darauf ansprechen. Wahrscheinlich würde es ihr guttun, einmal darüber zu reden. Heute hatte ich sie einfach einmal in Ruhe ankommen lassen wollen. Sie hatte an diesem Tag schon genug erlebt, dann mussten wir hier nicht noch ernste Gespräche führen, die sich auch auf den nächsten Tag verschieben lassen.

Doch ich wusste, dass ich nicht darum herumkommen würde, mit ihr über ihre Vergangenheit zu sprechen. Aber anscheinend schien sie mir dafür noch nicht genug zu vertrauen, was mir einen Stich versetzte, wenn ich daran dachte. Also musste ich diese Tatsache ändern. Ich würde ihr beweisen, dass sie sich auf mich verlassen konnte und ich sie niemals verletzen würde.

Ja, genau das würde ich tun.

Eternal Love - Der Ruf des SchicksalsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt