Kapitel 57 - November 1965

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Ahilea

Ahilea hatte trotz ihrer Erschöpfung fast kein Auge zugetan diese Nacht. Zwar war sie schnell eingeschlafen, doch gleich darauf wieder erwacht. Und ab da war nicht mehr an Schlaf zu denken gewesen. Zu tief sass der Schock und das Entsetzen über das Geschehene. Sie konnte immer noch nicht glauben, dass sie kein Mensch mehr war. Nie wieder würde ihr Herz schlagen, nie könnte sie Kinder haben. Dies hatte Peter ihr nämlich bereits erzählt, als sie erfahren hatte, dass er ein Vampir war. Und es war wie ein Schlag ins Gesicht. Ahilea liebte Kinder und hatte unbedingt eigene haben wollen. Doch diese Möglichkeit hatte man ihr jetzt genommen. Nie würde sie wissen, wie es sich anfühlte, ein Kind in sich zu tragen. Nie würde sie fühlen, wie es in ihr heranwuchs. Sie würde nicht beobachten können, wie es aufwuchs und irgendwann eine eigene Familie gründen würde.

Es fühlte sich alles wie ein schlimmer Albtraum an, aus dem sie aber niemals erwachen würde. Nein, jede Hoffnung diesbezüglich war sinnlos. Sie würde dadurch auch nicht wieder zu Menschen werden. Dies hatte Peter ihr genommen. Uns so fühlte sie eine unbändige Wut aufsteigen, die sich gegen Mr DeLaria und auch gegen Peter richtete. Mr DeLaria, weil er sie ausgesaugt hatte und Peter, weil er sie nicht hatte sterben lassen, sondern stattdessen zu einem Vampir gemacht hatte.

Peter riss sie einmal mehr aus ihren Gedanken, als er ihr Zimmer betrat, ohne sich vorher erkundigt zu haben, ob er eintreten dürfe. Vermutlich hatte er genau gewusst, dass die Antwort nein gelautet hätte.

So lächelte er ihr lediglich zu und meinte: «Mein Vater möchte mit dir besprechen, wie es nun für dich weitergehen soll.»

Für Ahilea war dies schon ganz klar, sie würde nämlich keine Sekunde länger in diesem Haus, bei dieser Familie bleiben, als nötig war. Das stand fest. Und sie würde sich auch nicht umstimmen lassen. Nein, ganz gewiss nicht.

Auf wackligen Beinen stand sie auf, da sie mit ihrem neuartigen Körper noch nicht im Einklang war, und lief zur Tür hinaus. Peter ignorierte sie dabei völlig.

Er rief ihr noch hinterher, dass sein Vater im Arbeitszimmer war, doch sie erwiderte nichts darauf. Sie wollte einfach nur dieses Gespräch so schnell wie möglich hinter sich bringen, damit sie anschliessend von hier verschwinden konnte.

Dies war zumindest der Plan.

Auf dem Weg die Treppe hinunter lief sie an einem grossen Spiegel vorbei und musste unwillkürlich stehen bleiben. Der grimmige Ausdruck tat ihrer Schönheit keinen Abbruch, im Gegenteil. Er verlieh ihr etwas Geheimnisvolles, etwas Wildes. Erst auf den zweiten Blick bemerkte sie, dass sie noch immer ihre Uniform trug, die mittlerweile vollkommen blutverschmiert und verknittert war. Nicht gerade das, was man anziehen würde, wenn man Eindruck machen wollte. Nein, ganz bestimmt nicht. Aber sie wollte keine unnötige Zeit verschwenden und sich zuerst umziehen. Selbst ihre zerzausten Haare waren ihr im Moment völlig egal. Sie wollte Mr DeLaria einfach nur eine runterhauen. Ja, das würde sich gut anfühlen.

Also riss sie den Blick von ihrem Anblick im Spiegel los und rannte schon beinahe die Treppe hinunter, so wütend und aufgebracht war sie. Und dies verschlimmerte sich noch, nachdem sie gefühlt ein dutzend Mal gestolpert war du sich mit Mühe und Not hatte irgendwo festhalten können, um zu verhindern, dass sie auf dem Boden landete. Wie konnte Mr DeLaria es wagen, sie zu sich her zu zitieren, nachdem er ihr dies angetan hatte? Dieser Mann war ein solcher Egoist! Hatte wohl keine Ahnung, was er mit seiner Aktion angestellt hatte. Für ihn hatte es ja auch keine grossen Veränderungen zur Folge gehabt.

Sie betrat Mr DeLarias Arbeitszimmer ohne anzuklopfen, da sie es nicht für nötig hielt, ihm den gebührenden Respekt zu zollen, nachdem, was er ihr angetan hatte. Am liebsten hätte sie die Türe hinter sich zugeknallt, doch dies wurde verhindert. Und zwar durch Peter, der ihr gefolgt war. Trotz all ihrer Wut wollte sie ihm die Türe nicht ins Gesicht knallen, also liess sie es blieben. Wenn auch nur schweren Herzens. Peter war jedoch sichtlich ruhiger und verhielt sich angemessener. Er schloss die Tür leise hinter sich und lehnte sich dagegen. Er machte keine Anstalten, ihr beizustehen. Nein, Peter war ganz der stille Zuschauer. Darauf bedacht, nicht Partei zu ergreifen. Zumindest noch nicht, redete sie sich ein.

Eternal Love - Der Ruf des SchicksalsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt