Teil 15 - Gegenwart

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15 - »Junge oder Mädchen?«

Mein Handy fing an zu vibrieren. Ich murrte schläfrig auf und reibe meine Augen. Ich hasse es um diese Uhrzeit aufzustehen. Widerwillig schalte ich den Wecker aus und setze mich auf. Meine Babys müssen zum Kindergarten. Letztendlich stehe ich vom Bett auf und strecke mich, danach laufe ich schon ins Zimmer von Malik. Leise und vorsichtig öffne ich seine Tür, halte aber inne. Liebend gern würde ich jetzt mein Handy holen und das Szenario fotografieren. Malik und Maliha liegen eng umschlungen neben ihren Vater. Ismail hat jeweils einen Arm um einen von beiden gelegt. Er selbst ist nicht zugedeckt, dafür aber unsere kleinen Schätze. Ich lege meine Hände auf meinen Bauch. Bald bist du da. Schwer schlucke ich. Ismail wird aber nicht mit uns leben. Wir werden verschwiegene Wege gehen, nur unsere Kinder halten uns zusammen. Vielleicht wird er neu heiraten und selbst eine eigene Familie gründen? Aus uns wird aber nichts mehr.
Seine Augen öffnen sich. Er blickt direkt in meine Augen. Ich zucke auf und schaue weg. Er rüttelt leicht an Malik, der dann grummelt. Seine Augen huschen zu mir, ich senke sofort meinen Blick. Er packt Malik unter den Achseln und hebt ihn hoch. Malik gibt genervte Laute von sich, weswegen Ismail anfängt zu lachen. Mein kleiner König fängt an auf dem Rücken seines Vaters zu schlagen, doch Ismail stört es nicht. Sein Lachen umhüllt die ganze Wohnung. Ich folge beide, die im Bad anhalten. Er zieht ihn aus und stellt ihn in die Wanne. Jetzt muss selbst Malik lachen. Verträumt blicke ich beide an. Malik hat es selbst damals geliebt von Ismail gewaschen zu werden. Bei mir wurde immer Randale geschoben. Da Malik heute so spielerisch ist, packt der seinen Vater, der kurz abgelenkt war und zieht ihn mit in die mittlerweile nassen Wanne. Er schaut erschrocken in Maliks Augen, kann sich aber nicht halten und fängt laut an zu lachen. Immer wieder spielen sich Dinge von damals in meinem inneren Auge ab. Wie unbeschwert waren. Erst waren wir zu dritt, dann kam Maliha. Wir wollten unbedingt eine kleine Schwester für Malik, damit er sie beschützen kann. Ich spüre, wie jemand meine Hand hält. Überrascht schaue ich runter und sehe meine kleine Prinzessin, die grinsend zu mir hochschaut. Ich habe meine Kinder schon lange nicht mehr so glücklich gesehen.

„Ich will auch Babo!", verlangte Maliha mit ihrer verschlafenen Stimme. Da ich sie schon gestern gebadet habe, nehme ich sie hoch und möchte ihre Zähne putzen, doch Ismail kommt mir zuvor.

„Warte, ich nehme sie.", sagt Ismail und nimmt mir Maliha aus den Armen.

„Überanstrenge dich nicht.", sagte er und schaut kurz in meine Augen. Dieses Grün in seinen Augen bringt mich um. Ich wusste nicht, dass es so unerträglich ist in seinen Augen zu schauen. Malik hat doch das selbe helle Grün in seinen Augen wie Ismail, wieso schaffe ich es in seinen Augen zu schauen, aber nicht in Ismails? Nichtsdestotrotz bedanke ich mich mit einem Nicken. Wir reden nicht wirklich viel miteinander. Er ist nur zufällig gestern hier eingeschlafen, die Kinder wollten ihn nicht mehr gehen lassen.
Als wir fertig waren, machten wir uns auf den Weg zum Kindergarten. Er setzte unsere Kinder in den Kindersitzen, ich schnallte mich an. Als auch er angeschnallt war, startete er den Motor. Misstrauisch schaute ich mir sein Wagen genauer an. Es ist hochwertig und von einer höheren Klasse. Seit wann kann er sich sowas leisten? Hat er in einer Spielo das Doppelte als sonst gewonnen?

„Ich arbeite, falls du deshalb so schaust.", sprach er und bog in eine Kurve ein. Ich hielt mich fest und schaue überrascht in seine Richtung. Auf seiner Nase sitzt seine Sonnenbrille, ich frage mich andauernd wie ich ihn nicht erkennen konnte. Wir hielten an, trotzdem schaute ich nicht weg. Er ist immer noch so schön, wie damals. Scheiße, ich dachte ich wäre über diese ganze Zeit hinweg.

„Fertig mit anstarren?", fragte er belustigt. Ein Schmunzeln schmückt seine Lippen, er schnallt sich ab, aber das lässt mich trotzdem nicht wegschauen. Er steigt aus und fährt sich grinsend durch die Haare. Ich weiß, dass es ihm gefällt. Monoton mache ich es ihm gleich und steige auch aus. Nur sieht das bei mir nicht so elegant aus, da mich meine riesige Kugel davon abhält. Langsam komme ich ins Schwitzen, weshalb ich mir leicht erschöpft die Stirn mit meiner Rückhand trockne. Ismail hat schon mal die Kinder aus ihren Sitzen befreit und läuft mit ihnen vor. Ich lege meine Hand auf mein Rücken und laufe wie ein Pinguin hinterher. Ismail schaut über seine Schulter zu mir, weshalb er anhält. Lange bleibt er nicht stehen und kommt auf mich zu.

„Soll ich dir helfen?", fragt er hilfsbereit und besorgt.

„Danke, aber ich schaffe es.", er hat mir nicht mal zugehört, sondern sein Arm um mein Rücken gelegt und meine Hand ergriffen. Aus Schock zuckte ich überrascht zusammen und schaute durcheinander in seine Augen. Da sein Gesicht ganz nah an meinem ist, sehe ich noch genauer in seiner Augen. Seine Pupillen vergrößern sich, sein Kiefer spannt sich an. Ich schlucke hart runter und nicke für mich selbst, bis ich meinen Blick senke und fortlaufe. Er hielt mich fest, sogar als wir im Kindergarten drinnen waren. Die Blicke von den ganzen Betreuern und Erziehern haben Bände gesprochen, da sie auch unsere Vorgeschichte kennen. Mir wurde es langsam echt unangenehm so dicht neben ihm zu laufen. Er öffnete sein Wagen, doch ich löste mich von ihm. Schon spürte ich eine Kälte.

„Ich werde laufen. Danke, dass du uns hier her gefahren hast.", teilte ich ihm mit, drehe mich um und laufe paar Schritte, bis ich einen Griff um mein Arm spürte. Verwundert schaue ich zurück zu ihm.

„Steig ein, du bist nicht in der Lage so eine lange Strecke zu laufen.", sagte er und zog mich zu sich, doch ich löse mich erneut von ihm. Er verdreht seine Augen, pustet genervt aus und schloss sein Auto ab.

„Dann werde ich eben mit dir laufen.", sprach er. Innerlich freute ich mich sehr, doch eigentlich wusste ich, dass es nicht richtig ist. Den ganzen Weg über waren wir leise. Nun stehen wir vor meiner Wohnung, ich drehe mich zu ihm. Wie soll ich mich jetzt verabschieden? Ihm die Hand reichen, oder doch einfach nur Tschüss sagen?

„Junge oder Mädchen?", fragte er nach einer kurzen Stille. Ich schaue hoch zu ihm. Das weiß ich selbst nicht.

„Bleibt eine Überraschung.", antworte ich ihm. Er fängt an zu schmunzeln, schaut auf meinen großen Bauch.

„Darf ich?", fragte er erneut und deutete damit, dass er seine Hände auf mein Bauch legen möchte. Ich reagierte zu schnell und antworte mit einem hektischen Nicken. Seine kalten Hände legen sich auf mein Bauch, ich kriege eine Gänsehaut und atme stockend aus.

„Es wird sicher ein Junge. Bei Maliha hattest du nicht so einen großen Bauch.", sagte er mit einem spielerischen Unterton, weshalb ich gespielt beleidigt zu ihm schaute. Er erwiderte es nur mit einem Lächeln.

Ach, wieso konnten wir nicht immer so friedlich sein?

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