Mustafa Babo
Es ist schon nach Mitternacht, aber ich kann nicht schlafen. Mein Sohn hat schon sein drittes Kind bekommen und lebt sein Leben mit seiner Familie. Und was mache ich? Hoffen dass er irgendwann vor meiner Haustür steht und sich entschuldigt. Fast acht Jahre habe ich meinen Ältesten nicht mehr gesehen. Diesen Jungen, dem ich alles beigebracht habe. Zusammen Fußball gespielt, seine Verletzungen behandelt und ihm Mut gegeben. Ich denke an die alten Zeiten zurück und muss lächeln. Mein kleiner Junge war wie mein bester Freund. Er wurde immer älter und älter, sodass wir gemeinsame Interessen folgten. Fast hätte ich sogar vergessen, warum wir nicht mehr miteinander reden. Aber selbst diese ganzen Jahre werden es mich nicht vergessen lassen. Ismail war mein erster Sohn, mein eigenes Fleisch und Blut.
„Das wirst du nicht machen!", schrie ich ihn an und riss ihm den Koffer aus der Hand. Er war kein Kind mehr, er hat nur den Kopf eines Kindes.
„Und ob ich das machen werde!", gab er belustigt, dennoch mit Wut in der Stimme von sich. Ich schüttle mein Kopf vor Panik und presse meine Augen zusammen.
„Du handelst falsch.", fing ich vorsichtig und ruhig an. Mit meinem Ton kam ich nicht besonders weit, da er an mir vorbeibringen wollte. Er lief den Gang entlang, ich ihm hinterher.
„Ismail, du bist erst neunzehn! Das schaffst du nicht! Sie wird dich verlassen!", sprach ich, er hielt inne und schaute mich mit einem undefinierbaren Blick an. Genau ins Schwarze getroffen.
„Azmar liebt mich und ich liebe sie!", brüllte er lautstark, sein Gesicht verfärbte sich. Sein Körper fing an zu zittern vor Wut, seine Augen fielen ihm fast aus dem Kopf.
„Ich werde sie heiraten, es ist mir egal ob du mich unterstützt oder nicht!", fügte er hinzu. Ich verliere meinen Sohn. Ein letztes Mal schaut er mir ins Gesicht, bevor er sich umdreht und verschwindet.
Das Licht wird angeknipst, ich wische mir schnell die Tränen aus dem Gesicht. Neben dem Lichtschalter steht Kemal, der mich verwundert ansieht. Peinlich berührt lasse ich meinen Kopf hängen.
„Babo?", kommt es leise von Kemal. Er sitzt sich zu mir auf die Couch und legt seine Hand auf meine Schulter. Ich brauche mein Kind zurück. Ich halte es nicht mehr aus.
„Ich wollte doch nur das beste für ihn.", murmelte ich zerstört. Ich war niemals gegen die Liebe von Ismail und Azmar. Aber er hatte solche Vorstellungen. Er wollte mir neunzehn ihr ein Heiratsantrag machen. Da gingen alle Alarmanlagen bei mir los. Er hatte gerade mal einen Teilzeitjob, war noch nicht auf festen Beinen.
„Ich weiß Babo.", kam es von Kemal. Es war still zwischen uns, sein Handy kam in mein Sichtfeld. Er tippte auf diesem Ding rum und überreichte dies mir. Verwirrt nehme ich es zur Hand und halte dies an meinem Ohr.
„Hallo?", mein Herz hört auf zu schlagen. Seine Stimme... sie ist so reif und hört meiner ähnlich. Meine Unterlippe fing an zu beben, schnell blinzle ich die Tränen weg. Mein Sohn.
„Hallo?", wiederholte er sich. Ich räusperte auf und setzte mich auf. Es fällt mir unglaublich schwer etwas raus zu kriegen, doch ich reiße mich zusammen und sprach.
„Ismail, mein Sohn.", kam es brüchig aus meinem Mund. Mein Hals fängt an zu brennen und zu ziehen, ich schniefe auf.
„Babo?", kam es genauso brüchig von ihm. Ich kann es nicht fassen— ich rede mit Ismail! Lächeln höre ich zu, was er von sich gibt.
„Wie geht es euch?", fragte er sofort nach. Es fühlt sich so an als wäre nie was vorgefallen.
„Uns geht es gut. Und euch?", fragte ich ihn. Endlich. Endlich habe ich mit meinem Sohn gesprochen.
„Auch.", kommt es von ihm. Er ist ruhig, ich werde nervös. Gespannt warte ich darauf, was als nächstes von ihm kommt.
„Babo, ich bin Vater.", sprach er glücklich. Ich nickte vor mich lächelnd hin. Ich bin stolz auf ihn. Er hat es doch ohne mich geschafft.
„Ich weiß, mein Sohn.", sagte ich leise. Wir sprachen immer weiter, bis auch irgendwann die Zeit zum Auflegen gekommen ist.
„Ismail?", fragte ich um sicher zu sein ob er noch dran ist. Es war leise, vielleicht hat er schon aufgelegt.
„Ich bin stolz auf dich.", sage ich und lege auf. Dankend sehe ich meinen Sohn Kemal an und nehme ihn in den Arm. Er hat mir dies ermöglicht. Mein Sohn hat unsere Familie wieder zusammengeführt. Ich löse mich von ihm und schaue ihn an.
„Du hast die Familie wieder komplett gemacht.", sage ich und sehe stolz meinen Sohn an. Er sagt nichts dazu sondern nickt nur. Kemal ist ein Engel, der alles wieder zurückkehren lässt. Er steht auf und verschwindet aus dem Wohnzimmer. Ich schaue aus dem Fenster aus. Eine windige Nacht. Dieser Druck der all die Jahre in mir festsaß ist nur mit einem Telefonat verschwunden. Ich laufe ins Schlafzimmer, wo meine Frau Fatma schon tief und fest schlief. Sie streitet es ab, doch ich weiß dass sie mich dafür hasst, unseren Sohn gehen gelassen zu haben. Was würde ich dafür geben, dass es niemals so weit gekommen wäre? Jetzt ist es aber anders. Es ist so gekommen und daran kann ich nichts ändern. Mein Herz hat so viel Schmerz ausgehalten, ich bin schwächer und kraftloser als vor Jahren. Ismail ist gegangen und hat nicht mehr zurückgeblickt. Ich schließe meine Augen. Er war ein Teil meines Herzens.
Ismail, du hast ein Teil meines Herzens mitgehen lassen.
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I wish people had trailers
Romance»Wüsste ich bloß, dass meine Zukunft mit dir so aussieht, hätte ich niemals „Ja" gesagt.« Einen kriminellen Mann, zwei Kinder mit ihm. Er ist ein guter Vater, aber kein guter Ehemann. Scheidung? - Niemals. Er würde mich meine Entscheidung bereuen la...