2. Der Fall ins Ungewisse

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Dalisha wollte gar nicht weiter überlegen. Der Gedanke, 12 Jahre ihrer Jugend verkabelt in einer verschlossenen Kapsel verbracht zu haben, war einfach zu viel.

Da sie nichts weiter in dem Raum, in dem sie sich befand, interessierte, bewegte sie sich auf die Panzertür zu, die sie entdeckt hatte. Sie war riesig und wahrscheinlich meterdick.

"Na toll", seufzte sie.

"Stimme-erkannt. Tür-wird-geöffnet", dröhnte da eine mechanische Stimme durch den Raum. Dalisha war so erschrocken, dass sie stolperte und auf dem Hosenboden landete. Verdattert beobachtete sie, wie die Tür aufschwang und einen kahlen Gang freigab.

Kurz darauf rappelte sie sich wieder auf und hielt sich das Hinterteil. Vorsichtig wagte sie einen Schritt in Richtung Freiheit. Der Gang schien sich unzählige Male abzuzweigen und immer wieder waren Türen zu sehen, die meisten geschlossen. Doch waren sie auch verschlossen?

Dalisha wollte wissen, was sich hinter den Türen verbarg. Und irgendwo hier musste sich doch auch noch etwas befinden, mit dem sie die immer noch tropfenden Wunden behandeln könnte, oder?

Ihre Erkundungstour führte an den vielen Türen vorbei, doch irgendwie liess sich keine öffnen, weder mit Spracherkennung noch mit Rütteln und Ziehen.

Erschöpft lehnte sie sich an die kalte Wand und liess sich langsam daran herunter gleiten, bis sie auf dem Boden sass. Was nun?

In diesem Moment bemerkte sie das kaum sichtbare Viereck am Boden. Eine Klappe! Neue Hoffnung schöpfend versuchte Dalisha, sie aufzubringen.

Vergeblich.

"Verflixt!" Sie schlug mit der flachen Hand auf den Boden. Etwas schepperte.

Daraufhin entdeckte sie einen langen, weissen Draht, der gut versteckt in einer Rille neben dem zu öffnenden Viereck lag. Sie klaubte ihn mit ihren Fingernägeln heraus und steckte ihn durch die schmale Lücke zwischen Boden und Klappe. Nach einigem Herumgefummel schien sie unter der Klappe ein Loch gefunden zu haben, in das der Draht perfekt reinpasste.

Doch wieder geschah nichts.

Einfach nichts.

Das machte Dalisha rasend. "So ein Mist!", schrie sie aufbrausend und stand zornig auf.

Und schlug sich den Kopf an.

Erschrocken erstarrte sie. An der Decke konnte man sich unmöglich anschlagen, sie war viel zu hoch. Aber an was dann? Behutsam drehte sie sich um...

Und starrte direkt in ein gigantisches grünes Auge.

Nachdem sie sich von ihrem riesigen Schock erholt hatte und schwer atmend an der Wand abstützte, sah sie, was ihr fast einen Herzinfarkt beschert hatte; ein verdammter Roboterarm. Er war, als sie den Draht in das Loch gestossen hatte, aus der Decke ausgefahren wie ein Periskop in einem U-Boot, und das Auge war bloss ein Hologramm.

Stirnrunzelnd wagte sich Dalisha näher heran. War da nicht eine rote Schrift oberhalb des Auges? Doch, da war eine rote Schrift! Zu weit weg stand da. Vorsichtig ging sie näher ran. Zu weit weg hielt immer noch seine Stellung. Unsicher trat sie so weit vor, dass sich ihre Augen unmittelbar vor dem künstlichen Auge befanden. Ein 'PLING!' liess sich hören und es blitzte. Die nun Geblendete rieb sich verdutzt die Augen. "Iris-erkannt. Klappe-wird-geöffnet."

Da war sie wieder, die mechanische Stimme.

Und wieder einmal sagte sie die Wahrheit; die Klappe öffnete sich. Neugierig kniete sich die wieder Sehende auf den Boden. Knöpfe, Kabel und Lämpchen wohin das Auge reicht.

Na toll, und für das habe mir den Kopf wieder angeschlagen, die Augen blenden lassen und bin schier verzweifelt?

Dalishas Gedanken brodelten. Was sollte sie mit so einen Techniksalat anfangen? Es sah alles so kompliziert aus...

In diesem Moment entdeckte sie einen Knopf.

"Open".

Viel konnte da nicht schief gehen, oder?

Sie drückte. Und wieder einmal war ihr das Glück hold. Mit einer Reihe von klackenden Geräuschen sprangen alle ausser einigen Türen auf. Neu beschwingt machte sich Dalisha daran, das Unbekannte zu erkunden.

In den ersten Räumen befand sich nichts.

Nichts, nada, leer.

Ihre Entdeckerin war enttäuscht.

Erst nach geräumiger Zeit machte sie einen Fund. In einem zuerst leer scheinenden Zimmer fand sie einen Erste-Hilfe-Koffer, bei dem die Hälfte des Inhaltes fehlte. Jedoch hatte es genug so kleine weisse Pflasterstreifen, dass Dalisha über jedes Loch, in dem ein Schlauch gesteckt hatte, eines drüber kleben konnte. Zufriedener ging sie weiter.

Nach weiteren erfolglosen Erkundungen trat sie in ein Raum, der ein grosses schmales Fenster besass. Als sie hinaus schauen wollte, trat ihr auf der anderen Fensterseite ein Mädchen entgegen. Sie hatte lange schwarze Haare mit Stirnfransen, die bis zu den Hüften reichten, warme braune Augen, eine porzellanfarbene Haut und trug ziemlich zerfledderte Kleidung. Vorsichtig sagte Dalisha: "Hallo, wer-"

Sie brach ab. Das andere Mädchen hatte angefangen seinen Mund zu bewegen und machte jetzt grosse Augen. Genauso wie Dalisha. Die zuletzt genannte legte eine Hand an das Fenster. Das Mädchen tat es ihr nach. Völlig synchron. Das Fenster war ein Spiegel. Diese Erkenntnis erlangte auch Dalisha nach einiger Zeit. Vorallem als sie die vielen kleinen Pflaster am Körper ihres zierlichen Gegenübers sah. Fast ein wenig enttäuscht schenkte sie ihrem Spiegelbild einen letzten Blick und wandte sich dann ab.

Als danach noch etwa 4 unerkundigte Türen übrig waren, hatte sie nur 3 wasserfeste Schreiber, eine spitze Eisenstange und einen komisch aussehende Apparat gefunden, ziemlich sicher nicht funktionierend.

Im zweitletzten Raum fand sich ausserdem noch ein nicht angeschriebens Buch. Es war verschlossen. Seufzend stopfte es Dalisha in den provisorischen Sack, den sie aus einem Laken in der Kapsel geknüpft hatte.

Jetzt lag nur noch eine Tür vor ihr. Sie ging hinein, und das erste was sie sah, war das riesige Loch im Boden. Es sah aus, als wäre eine Bombe eingeschlagen. Oder als hätte ein riesiges Unwesen seine Bissspur hinterlassen. Darunter schien eine gähnende Leere ohne Ende zu herrschen.

Bevor sie sich weitere Gedanken machen konnte, schlug mit einem heftigen Knall die Tür hinter ihr zu. Geschockt bis auf die Knochen drehte sie sich blitzschnell um.

Und fiel.

Der Schwung der Drehung hatte sie zum Stolpern gebracht und nun fiel sie durch das Loch.

Direkt ins Ungewisse hinein.

Leute, ihr-seid-einfach-UNGLAUBLICH!

All die netten Kommentare und die (für mich) vielen Votes beim Prolog und ersten Kapitel, ich glaub, gleich sterb' ich vor Freude! =D

Ihr seid einfach die besten ♥

Ich hoffe dieses Kapitel kann euch auch überzeugen :)

Kritik ist immer erwünscht ^^

LOST [Museums-Edition]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt